European Tax Jurisdiction Einkommensteuer
Bert Füssenich

Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft nach Einführung der Abgeltungsteuer

Mit Urteil vom 06.08.2019 VIII R 18/16 (DStR 2019, 2411) hat der VIII. Senat eine Grundsatzentscheidung zu den steuerlichen Folgen des Ausfalls einer Forderung eines Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft getroffen. Mit der Entscheidung knüpft der VIII. Senat an sein Urteil vom 24.10.2017 VIII R 13/15 (BFHE 259, 535) an, wonach der endgültige Ausfall einer (Darlehens-)Forderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust führt. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, inwieweit der Verzicht auf eine wertlos gewordene Darlehensforderung eines Gesellschafters einer GmbH steuerlich zu berücksichtigen ist.

Zugrunde liegender Sachverhalt

Der Kläger war zu 48,15 % an einer GmbH beteiligt. Seine Mitgesellschafter waren bis zum 31.12.2009 zusätzlich zu ihrer Gesellschafterstellung noch als typisch stille Gesellschafter an der GmbH beteiligt. Da die GmbH nach Beendigung der stillen Beteiligungen die Einlagen nicht zurückzahlen konnte, traten die stillen Gesellschafter ihre daraus resultierenden Forderungen an den Kläger ab. Dieser erwarb hierdurch Forderungen im Nennwert von rund 800.000 € zum Kaufpreis von rund 365.000 €. In Bezug auf diese Forderungen vereinbarte er mit der GmbH ein Darlehen mit einer Verzinsung von 7 % p.a. und einer Laufzeit bis zum 31.12.2015. Der Kläger verzichtete im Jahr 2010 auf einen Teilbetrag des Darlehens in Höhe von 275.000 €. Er machte geltend, er habe die Darlehensforderung teilentgeltlich erworben (43,5 %) und daher im Zusammenhang mit dem Forderungsverzicht einen Veräußerungsverlust in Höhe von 119.625 € (43,5 % von 275.000 €) erlitten.

Das Finanzamt lehnte die steuerliche Berücksichtigung des Darlehensverlustes ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs

Der VIII. Senat des BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger mit dem teilweisen Verzicht auf die Darlehensforderung keinen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Verlust erzielt habe.

Zwar stelle § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG die verdeckte Einlage einer Veräußerung der Forderung gleich. Die verdeckte Einlage aus dem Forderungsverzicht beziehe sich jedoch nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (vgl. BFH v. 09.06.1997 GrS 1/94, BStBl II 1998, 307) nur auf den werthaltigen Teil der Forderung. Der Verzicht auf einen Teil einer nicht mehr voll werthaltigen Forderung führe erst dann zu einer Einlage, wenn der Verzichtsbetrag den Nennwert des nicht werthaltigen Teils übersteige. Eine Einlage lag damit nicht vor, da der Kläger lediglich auf einen Teilbetrag in Höhe von 275.000 € und damit nur auf den wertlosen Teil der Forderung verzichtet hatte.

Der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil – so der BFH weiter – sei zwar einer Abtretung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG gleichzustellen. Es mache wirtschaftlich betrachtet keinen Unterschied, ob der Gesellschafter eine Forderung an den Schuldner (die Gesellschaft) abtrete oder auf sie verzichte. Allerdings wirke sich der Forderungsverzicht im Ergebnis nur dann steuerlich aus, wenn für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten angefallen seien. Das war hier nicht der Fall. Denn die im Erwerbszeitpunkt getragenen Aufwendungen waren nach Auffassung des BFH dem werthaltigen Teil der Forderung zuzuordnen. Der durch den Verzicht ausgelöste Forderungsausfall führte daher im Ergebnis nicht zu einem Verlust i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG.

Bedeutung für die Praxis | Mit seiner Entscheidung widerspricht der VIII. Senat der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach der Forderungsverzicht – außerhalb der verdeckten Einlage – nicht unter die Ersatzrealisationstatbestände des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG fällt (vgl. BMF v. 18.01.2016, BStBl I 2016, 85, Tz. 61). Hinzuweisen ist darauf, dass mit dem vom Bundestag am 12.12.2019 beschlossenen Gesetz über die Anzeigepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen (BTDrucks. 19/14685) eine ergänzende Regelung nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG eingefügt werden soll, wonach Verluste u.a. aus der Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung oder aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG einer höhenmäßigen Verlustverrechnungsbeschränkung unterliegen. Damit dürfte zugleich klargestellt sein, dass derartige Verluste dem Grunde nach als steuerbar anzusehen sind.