Global Mergers & Transactions Digitalisierung
Kai Lucks

Handelskrieg mit den USA und die Antwort aus der Industrie 4.0

Diesen Freitag, am 23.03.2018, soll ein weiteres Wahlversprechen von Trump, diesmal für seine Klientel aus dem „Rust Belt“, umgesetzt werden: 30% Importsteuern auf Stahl, 10% auf Aluminium. Doch wozu führt das? Wie sind die Reaktionen? Und passt das überhaupt noch in unsere Zeit?

Handelskrieg – ein Rückgriff in die „Mottenkiste“

Zunächst ist der Rückgriff in die „Mottenkiste“ des Handelskrieges ein großer Rückschritt mit wirtschaftlich-technologischen Bremseffekten in allen Volkswirtschaften. China und Europa haben sofort mit Gegensanktionen gedroht. Ein Flächenbrand könnte entstehen, der durch alle Branchen geht, von der Fertigungsindustrie bis zu Lebensmitteln, von den Industrienationen bis zu den Entwicklungsländern. Die entstehende Preisspirale wird Effekte eines anderen Programms aushebeln, das Trump auf den Weg gebracht hat, nämlich die Steuersenkungen. Wieder einmal sind die Konsequenzen nicht durchdacht. Denn die Wertschöpfung aus dem Rohstoff-Geschäft nimmt ständig ab. So profitiert ein immer kleinerer Teil der arbeitenden Bevölkerung nur noch unmittelbar. Belastet wird dagegen ein immer größerer Teil der Konsumenten, die hochwertige komplexe Industrieprodukte kaufen, deren Gehalt an Elektronik, IT und Software immer größer wird.

Konsequenzen für die Autoindustrie

Die wichtigste betroffene Branche ist die Autoindustrie. Ein Auto ist heute schon ein „PC auf Rädern“, mit der Elektromobilität wird sich die Komplexität (sprich: Anzahl der Komponenten) um 80% reduzieren. Hier stellt sich berechtigterweise die Frage, ob die Rohstoffpreise künftig überhaupt noch eine größere Rolle spielen werden? Direkt nein, aber indirekt ja, denn der logische Folgeschritt mit der Besteuerung aller Autoimporte deutet sich schon an. Das wird aber nicht nur die Ausländer treffen, sondern genauso die US-Autoindustrie, die ganze Serien jenseits der Landesgrenzen fertigt und wichtige Komponenten, wie etwa Motoren und Elektronik aus dem Ausland bezieht. Denn die Philosophie der aktuellen Industrie beruht auf der Idee der globalen physischen Plattformen, dem „finalen“ Ziel maximaler Volumenseffekte, realisiert in der „World Scale Factory“. So schnell wird die Autoindustrie nicht gegensteuern können, denn sie ist gebunden an milliardenschwere Fertigungs-Investments, deren Standorte nun einmal auf viele Jahre festgelegt sind.

Hinweis | Wir müssen gerade im Hinblick auf Wertschöpfung weiterdenken und die Frage stellen: „Was hat die Industrie 4.0 im Köcher?“ – welche weitergehenden Reaktionen bieten sich an?

Virtualisierung der Produkte

Die Verfügbarkeit billiger Speicherung von Big Data hat als Hauptziel die Virtualisierung der Produkte. So wird anstelle des physischen Prototyps ein Software-Abbild entwickelt, an dem von allen Standorten der Welt gemeinsam gearbeitet wird. Entscheidend für den Standort-Beitrag sind die Kompetenz, die Lohnkosten und die zeitliche Verfügbarkeit eingespielter Teams. Entwicklungszeiten werden sich um Faktor vier verringern. Die Risiken Chinas aus häufigem Arbeitsplatzwechsel werden dann keine Probleme mehr sein, weil selbst in der kurzen Verweilzeit der Mitarbeiter die Produkte fertigentwickelt werden können – der schnelle Mitarbeiterwechsel kann dann sogar zum Vorteil werden, weil damit Wissenstransfer in andere Betriebe schneller ablaufen kann und bedarfsgerechte Verfügbarkeit von Mitarbeitern gegeben ist.

Die Arbeit am virtuellen Produkt, in der Cloud gespeichert und weltweit zugänglich, wird es erlauben, dass kleinere lokale Fertigungen die Umsetzung in reale Produkte übernehmen, mit neuen Fertigungsverfahren, etwa dem 3-D-Drucken, das sich heute bereits Kostenvorteile von Losgröße eins bis tausend erobert hat. An die Stelle der bisherigen Silostrukturen in der Fertigung – von der Rohstoffbeschaffung über das Engineering, Komponenten, Montage und Systemintegration – werden weltweite Netzwerke treten, bei denen auch bisherige Wettbewerber partnerschaftlich zusammenarbeiten werden. Man spricht hier von „Coopetition“. Das riesige weltweite Netzwerk wird gesteuert werden durch Daten-orientierte Spezialisten, bis hin zu Analysten, die die Endkunden-Nachfrage eruieren und die Kaufpreise definieren: für jeden Kunden einen speziellen Preis.

Diese Strukturen sind höchst flexibel, getriggert von künstlicher Intelligenz und durch direkte Zusammenarbeit von Robotern und Menschen, ausgerüstet mit Daten-Brillen, die mit virtuellen Bildern die nächsten Arbeitsschritte vorgeben und Daten-Handschuhen, die die exakte Umsetzung sicherstellen. Damit können Investitionen minimiert und Fertigungen kundennah lokalisiert werden. An die Stelle der Global Scale Factory werden Netzwerke von Mini-Fabs treten. Diese werden in weltweiten kollaborativen Netzwerken arbeiten, sogenannten Öko-Systemen. Sie haben Zugriff auf die virtuellen Produkte und Prozesse in der Cloud. Netzwerke zum Kunden und lokale Datenanalysen erlauben Vorhersagen, wann Produkte ausgetauscht werden müssen. In den Entwicklungs- und Fertigungs-Netzwerken kann die Wertschöpfung schnell den Gegebenheiten aus Markt und Zöllen angepasst werden. Logistikkosten werden minimiert durch kurze Transportwege und zeitnahe Fertigung ohne große Zentrallager.

Beachte | Die Industrie 4.0 bietet die Instrumente, Zöllen und anderen Handelsschranken flexibel parieren zu können.

Fazit | Trump gehört nicht nur zu den Gestrigen, sondern zu den Vorgestrigen. Ihn treibt das Industriebild aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die USA wird unter seiner Führung verlieren, weil sie zunehmend vom weltweiten Technologietransfer entkoppelt und durch Handelsbarrieren abgeriegelt wird, die den US-Konsumenten teuer zu stehen kommen.

Wir Europäer werden am meisten leiden durch den Verlust unseres traditionellen transatlantischen Partners. Das Mithalten im Wettbewerb um die Industriestrukturen von morgen gebietet eine immer enger werdende Zusammenarbeit – alternativ mit China. Wir sind da auf einem guten Weg. Dieser wird aber nicht leichter, denn auch China geht es letztlich um die Durchsetzung des Eigeninteresses. Sie haben aber erkannt, dass gerade die Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie dem Land der Mitte technologische Perspektiven eröffnet, die im Alleingang so schnell nicht erreichbar sind.