Global Taxes Konzernsteuerrecht
Gerhard Kraft

Realisierung und „Schachtelstrafe“ bei Abwärtsverschmelzungen von Muttergesellschaften mit im Ausland ansässigen Anteilseignern

Die Finanzverwaltung vertritt im UmwSt-Erlass 2011 die Auffassung, im Rahmen einer sogen. Abwärtsverschmelzung einer Mutterkapitalgesellschaft auf eine Tochterkapitalgesellschaft sei ein Buchwertansatz dann nicht möglich, wenn an der abwärts verschmolzenen im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft ein im Ausland ansässiger Anteilsinhaber beteiligt sei. Diese Meinung zählt zu dessen umstrittensten Aussagen des UmwSt-Erlasses 2011, zumal die diesbezüglich relevante Ausgangsrechtsnorm, § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG, auch andere Interpretationen zulässt.

Steuergestalterischer Hintergrund

Die steuergestalterische Planungsidee der mit der Abwärtsverschmelzung verbundenen Problembereichen ist vor dem Hintergrund der abkommensrechtlichen Regelung der Zuweisung des Besteuerungsrechts für Anteilsveräußerungsgewinne zu sehen. Sowohl Art. 13 Abs. 5 OECD-Musterabkommen als auch Art. 13 Abs. 5 DE-VG weist „Gewinne aus der Veräußerung des in den Absätzen 1 bis 4 nicht genannten Vermögens“ dem Vertragsstaat zu, „in dem der Veräußerer ansässig ist (…)“. Auch das in den beiden Besprechungsurteilen konkret einschlägige DBA USA enthält in Art. 13 Abs. 5 OECD-MA eine entsprechende Verteilungsregel. Die mit Abstand wichtigste Kategorie abkommensrechtlich relevanter Veräußerungsgewinne, die Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, fällt unter die Bestimmung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA bzw. dieser Verteilungsnorm nachgebildeten Vorschriften in konkreten DBA.

Beachte | Auch Gewinne aus Verschmelzungen, Gewinne aus Anteilstauschen sowie Spaltungsgewinne bei Kapitalgesellschaften fallen unter die in Rede stehende abkommensrechtliche Zuordnungsregel.

Position der Finanzverwaltung

Die Position der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 2011 ist offensichtlich von der Sorge getragen, dass es nicht durch Abwärtsverschmelzungen faktisch zu steuerfreien Entstrickungen aus der inländischen Steuerverhaftung kommen dürfe. Das eigentliche Menetekel findet seine Ursache indessen in der rechtspolitisch nicht zu Ende gedachten Regelung durch den Gesetzgeber, die die Finanzverwaltung im Sinne einer Klarstellung zu korrigieren beabsichtigte.

Entscheidung des BFH hebt Vorinstanzen auf

Im Rahmen von zwei beim BFH anhängigen Verfahren (I R 31/16 und I R 35/16) hatte die Vorinstanz der Ansicht der Finanzverwaltung eine Absage erteilt (FG Rheinland-Pfalz v. 12.4.2016, 1 K 1001/14, EFG 2016, 1392 – Az. BFH I R 35/16; FG Düsseldorf v. 22.4.2016, 6 K 1947/14 K, G, EFG 2016, 951 – Az. BFH I R 31/16). Sowohl das FG Rheinland-Pfalz als auch das FG Düsseldorf hatten entschieden, dass bei einer (im Fall des FG Düsseldorf grenzüberschreitenden) Abwärtsverschmelzung die Beteiligung der übertragenden an der übernehmenden Rechtsträgerin in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Rechtsträgerin zu Buchwerten angesetzt werden könne. Dies sollte nach der Lesart der beiden Finanzgerichte auch dann gelten, wenn der übertragende Rechtsträger einen ausländischen Anteilseigner hat.

Die von der Finanzverwaltung in beiden Fällen vertretene gegenteilige Auffassung kulminiert in der Auslegung, § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG sei keine eigenständige Bewertungsregel, sondern könne nur im Zusammenhang mit dem Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eines Buch- bzw. Zwischenwertansatzes nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UmwStG Anwendung finden. Diese Voraussetzungen müssten nach der Interpretation der Verwaltung allerdings von der die Anteile übernehmenden Gesellschafterin erfüllt werden. In den Besprechungsfällen wäre dies die US-amerikanische Anteilseignerin gewesen. Dies hatte dazu geführt, dass die Finanzverwaltung bei einer Übertragung der Anteile auf ausländische Anteilseigner mit einhergehendem Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der Anteile stets davon ausging, dass die stillen Reserven in den Anteilen der TG an der EG zwingend aufgedeckt werden müssen. Wenig verwunderlich war, dass die finanzgerichtlichen Urteile in der Literatur weitgehend positiv aufgenommen wurden.

Der BFH hat nunmehr – entgegen den Vorinstanzen und der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum – judiziert, dass die Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 2 UmwStG für eine Abwärtsverschmelzung mit ausländischen Anteilseignern der Muttergesellschaft dann nicht beansprucht werden kann, wenn die künftige deutsche steuerliche Erfassung der stillen Reserven in den Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft nicht sichergestellt ist. Der BFH hat damit zugunsten der Verwaltungsmeinung entschieden. Zwar hat der BFH darauf hingewiesen, dass im Streitfall der entstehende Verschmelzungsgewinn nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei ist. Jedoch greift die 5 %ige Besteuerung zur typisierenden Abgeltung nicht abzugsfähiger Veräußerungskosten.

Hinweis | Außerdem hat der BFH entschieden, dass das Diskriminierungsverbot aus Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1998 nicht deshalb greift, weil Anteilseignerin der übertragenden Muttergesellschaft eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft ist.

Unionsrechtliche Bedenken vom BFH nicht geteilt

Dasselbe gilt nach den BFH-Judikaten im Hinblick auf die Fusionsrichtlinie und die unionsrechtlichen Grundfreiheiten. Damit erteilte der BFH der im Schrifttum geäußerten Position eine Absage, die Ansicht der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 2011 verstoße gegen Unionsrecht. Diese Ansicht der Verwaltung basiert auf der Überlegung, dass bei einer Abwärtsverschmelzung die in den Anteilen an der übernehmenden Körperschaft enthaltenen stillen Reserven aufzudecken sind, soweit Deutschland auf Ebene der Anteilseigner das Besteuerungsrecht an diesen Anteilen verliert. Es war nämlich mit durchaus auf die Judikatur des EuGH gestützten Überlegungen vertreten worden, der Schutzbereich sowohl der Niederlassungs- als auch der Kapitalverkehrsfreiheit hätten eine Gleichbehandlung der Anteilsauskehrungen an in- und ausländische Anteilseigner geboten. Die daraus abgeleitete Prognose, der BFH würde sich aus unionsrechtlichen Erwägungen den erstinstanzlichen Urteilen anschließen, erwies sich indessen als verfehlt.

„Takeaway“ | Die Grundsatzentscheidungen werfen ein neues Licht auf grenzüberschreitende Reorganisationsvorgänge und sollten dezidiert beachtet werden, um Realisierungsgefahren in diesem Kontext zu vermeiden. Die Umstrukturierungspraxis wird sich deshalb intensiv mit der nunmehr vom BFH entschiedenen Thematik auseinanderzusetzen haben.

Das Abstellen auf die Anteilseignerebene der abwärts verschmolzenen Gesellschaft könnte bei künftigen Reorganisationsmaßnahmen erhebliche praktische Probleme hervorrufen. Zu denken ist nur an den nicht selten anzutreffenden Fall, dass Anteilseigner einer „downstream“ verschmolzenen Kapitalgesellschaft sowohl im Inland als auch im Ausland ansässig sind. Denn in solchen Fällen entfällt – zumindest was die Ebene der im Inland ansässigen Anteilseigner betrifft – sowohl die Rechtfertigung als auch die Notwendigkeit einer Realisierung stiller Reserven aus Anlass der Verschmelzung.