European Tax Jurisdiction Bundesfinanzhof
Hans-Hermann Heidner

Gemeinnützigkeit und politische Betätigung

Eine Einflussnahme einer gemeinnützigen Körperschaft auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ist zur Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke gestattet, muss aber gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund treten. Die Tagespolitik darf nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft stehen.

Sachverhalt

Der seit 2003 im Vereinsregister eingetragene Kläger verfolgt nach seiner im November 2010 geänderten Satzung folgende Ziele: „die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung. Der Verein fördert die Völkerverständigung und den Frieden“. Der Kläger ist nach seiner Satzung zudem „in Trägerschaft des Netzwerks“ A tätig.

Er befasste sich in den Jahren 2010 bis 2012 (Streitjahre) öffentlichkeitswirksam mit unterschiedlichen Themen: Finanz- und Wirtschaftskrise, die Besteuerung von Finanzmärkten, die Umverteilung von Reichtum, eine Finanztransaktionssteuer, Steuern gegen Armut, Spekulation mit Lebensmitteln, Blockupy, Regulierung der Finanzmärkte, Finanzmarkttagung Geld, Bankentribunal, Geschäftspraktiken von Banken, Wechsel der Hausbank („Krötenwanderung“), Arabischer Frühling, Aktionstag Banken, Krise des Euro und der Finanzmärkte, europaweiter Sozialabbau, Wege aus der Krisenfalle, Umverteilung (finanzieller Mittel), Regulierung der Finanzmärkte, feministische Ökonomie, Public Private Partnerships, Anti-Atom-Bewegung, Atomwirtschaft, unbedingtes Grundeinkommen, Klimaschutz, globale Klimagerechtigkeit sowie alternative Formen des Lebens und Wirtschaftens.

Im Bereich von Steuerpolitik und öffentlichen Finanzen ging es bei der Kampagne „Sparpaket/Finanztransaktionssteuer/Umverteilen“ gegen Gesetzesvorschläge, die später zum Haushaltsbegleit- und Haushaltsgesetz 2011 führten. Mit der Kampagne „H stoppen“ wurde das Ziel verfolgt, ökologische Nachhaltigkeit durch umweltfreundliche Textilproduktion mit wirtschaftlicher Nachhaltigkeit zu verbinden. Der Kläger nahm das Verkehrsprojekt „Stuttgart 21“ zum Anlass für einen Demokratie-Kongress. Beim Thema „30-Stunden-Woche“ plädierte er für eine entsprechende Arbeitszeitbegrenzung „für alle“ bei vollem Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommen.

Das FA verneinte in den Bescheiden vom 14.04.2014 über Körperschaftsteuer 2010, 2011 und 2012, Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2010, 2011 und 2012, gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2010 bis zum 31.12.2012, Gewerbesteuermessbeträge 2010, 2011 und 2012 sowie gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2010 bis zum 31.12.2012 die Gemeinnützigkeit des Klägers. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG gab der Klage mit seinem im ersten Rechtsgang ergangenen Urteil statt. Der BFH hob die Entscheidung des FG mit seinem Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301) auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 1365 veröffentlichten Urteil ab. Der BFH hat im zweiten Rechtszug das klagabweisende FG-Urteil bestätigt und die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe des Gerichts

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung keine gemeinnützigen Zwecke nach § 52 AO verfolgt hat.

1. Bindungswirkung der Entscheidung im ersten Rechtszug 

Aufgrund des BFH-Urteils vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301) und der sich daraus nach § 126 Abs. 5 FGO für den zweiten Rechtsgang ergebenden Bindungswirkung ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die fraglichen Tätigkeiten dem Kläger zuzurechnen sind, nicht aber, ob mit diesen Tätigkeiten steuerbegünstigte Zwecke verfolgt wurden.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301) entschieden, dass mit den Kampagnen und weiteren Tätigkeiten, die unter dem Namensbestandteil „A“ des Klägers ausgeübt wurden, auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) keine nach § 52 AO steuerbegünstigten Zwecke verfolgt wurden. Er hat daher das im ersten Rechtsgang der Klage stattgebende Urteil des FG aufgehoben (BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 30 ff.).

Zudem hat der erkennende Senat die Sache an das FG zurückverwiesen. Gegenstand dieser Zurückverweisung war dabei ausschließlich die Frage, ob die unter dem Namensbestandteil des Klägers ausgeübten Tätigkeiten dem Kläger als Träger des so bezeichneten Netzwerks zuzurechnen sind. Dies ist für die Frage bedeutsam, ob der Kläger i.S. von § 56 AO nur seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt hat und ob seine tatsächliche Geschäftsführung gemäß § 63 Abs. 1 AO auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke gerichtet war. Damit war im zweiten Rechtsgang nur noch zu entscheiden, ob zwischen dem Kläger als „Träger“ eines „Netzwerks“ und den Tätigkeiten des unter dem gleichen Namen auftretenden „Netzwerks“, die ihm u.U. nicht zuzurechnen sind, zu unterscheiden sein könnte (BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 35 f.).

Daher ist die Annahme des Klägers, der erkennende Senat habe in seinem Urteil BFH-Urteils vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301) lediglich entschieden, dass möglicherweise einige Aktionen (des Klägers) politische Zwecke und nicht seine satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke verfolgt hätten und dass dem FG die Entscheidung über das Vorliegen einer steuerbegünstigten Zweckverfolgung überantwortet worden sei, unzutreffend.

2. Politische Willensbildung ist kein gemeinnütziger Zweck i.S.v. § 52 AO

Zu den nach § 52 Abs. 2 AO eigenständig steuerbegünstigten Zwecken gehört weder die Einflussnahme auf die politische Willensbildung (§ 2 Abs. 1 PartG) noch die Gestaltung der öffentlichen Meinung (§ 1 Abs. 2 PartG). Dementsprechend ist der steuerbegünstigten Körperschaft –nach einer durch das BFH-Urteil vom 29.08.1984 – I R 203/81 (BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844) begründeten und seit Jahrzehnten fortgeführten Rechtsprechung– eine eigenständige Befassung mit Fragen der politischen Willensbildung verwehrt. Die Körperschaft darf mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung weder ausschließlich noch überwiegend einen politischen Zweck verfolgen (BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 18, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung).

Gleichwohl darf eine gemeinnützige Körperschaft auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung Einfluss nehmen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke –wie z.B. der Förderung des Umweltschutzes (Nr. 8)– dient. Eine derart dienende und damit ergänzende Einwirkung muss aber gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund treten. Die Tagespolitik darf nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft stehen. Die Beschäftigung mit politischen Vorgängen muss im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die steuerbegünstigten Ziele und deren Verwirklichung erfordert (BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, Rz 21 m.w.N. zur ständigen BFH-Rechtsprechung).

Wenn damit die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung einem in § 52 Abs. 2 AO aufgeführten steuerbegünstigten Zweck dienen muss, führt dies entgegen der Auffassung des Klägers zu keinen besonderen Abgrenzungsschwierigkeiten, da der erforderliche Bezug zu den steuerbegünstigten Zwecken stets vorliegen muss.

3. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 24 AO

Die vorstehende Abgrenzung ist auch im Bereich der in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO angeführten Volksbildung zu beachten.

Im Zusammenhang mit der Förderung des demokratischen Staatswesens in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO gehört zur Volksbildung auch die sog. politische Bildung. Diese umfasst die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins sowie die Diskussion politischer Fragen „in geistiger Offenheit“. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden (BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 27). Insoweit bestehen keinerlei thematische Einschränkungen. Sie ergeben sich entgegen der Annahme des Klägers auch nicht aus dem im ersten Rechtsgang ergangenen BFH-Urteil.

Zudem kann die Körperschaft auch auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung Einfluss nehmen. Dies muss hier dann allerdings dienenden Charakter für die Volksbildung und die politische Bildung haben und hat sich daher auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken (BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 23).

Demgegenüber kommt eine Erweiterung des sich aus § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 24 AO ergebenden Begriffs der politischen Bildung in der Weise, dass sich hieraus die eigenständige steuerrechtliche Förderung einer Einflussnahme auf die politische Willensbildung in frei gewählten Politikfeldern ergibt, nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 28, 34). § 52 Abs. 2 AO würde sonst faktisch um den dort nicht angeführten Zweck der Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ergänzt werden. Dagegen spricht einfachgesetzlich bereits, dass § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO die Verfolgung von „Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art“ ausdrücklich von der steuerbegünstigten Zweckverfolgung ausschließt.

Hiergegen kann der Kläger nicht geltend machen, er habe steuerbegünstigte Zwecke durch Aufklärung der Gesellschaft über alternative ökonomische Gestaltungsmöglichkeiten verfolgt und sich damit im originären Bereich der politischen Bildung betätigt. Denn eine derartige Tätigkeit muss in „geistiger Offenheit“ erfolgen – und daran fehlt es für die Kampagnen und weiteren Betätigungen, da mit diesen eine Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die öffentliche Meinung bezweckt wird, wie der erkennende Senat bereits im ersten Rechtsgang entschieden hat (BFH-Urteil vom 10.01.2019 -V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 32). Zudem bestätigt der Revisionsvortrag des Klägers zum Verfassungsrecht, dass es ihm bei seiner Tätigkeit maßgeblich um eine Beeinflussung der gesellschaftlichen Meinungsbildung zu unterschiedlichen Themen ging.

4. Keine Abweichung von anderen Entscheidungen

Soweit sich der Kläger auf das BFH-Urteil vom 23.09.1999 – XI R 63/98 (BFHE 190, 338, BStBl II 2000, 200) bezieht, übersieht er, dass es dort nicht um wiederholte Tätigkeiten, sondern um eine einmalige Anzeigenkampagne ging, mit der zudem an das allgemeine Erfordernis der Einhaltung von Wahlversprechen erinnert wurde, ohne zu Sachfragen einzelner Politikfelder Position zu beziehen. Eine Divergenz zum BFH-Urteil vom 20.03.2017 – X R 13/15 (BFHE 257, 486, BStBl II 2017, 1110) kommt nicht in Betracht, da es dort zwar auch um die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ging, diese aber eindeutig „dienenden Charakter“ für die Förderung des Umweltschutzes nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO hatte.

5. Verfassungsrechtliche Einwendungen

Auch die weiteren Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. Soweit es dabei um verfassungsrechtliche Fragen zur Auslegung von § 52 AO geht, kommt es hierauf im Hinblick auf die auch insoweit nach § 126 Abs. 5 FGO bestehende Bindung im zweiten Rechtsgang nicht mehr an, wie das FG unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerfG-Beschluss vom 23.06.1970 – 2 BvL 49/69, BVerfGE 29, 34) zutreffend entschieden hat. Das Erfordernis einer konkreten Normenkontrolle ist zu verneinen.

Der erkennende Senat hat sich in seinem Urteil in BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, Rz 25 der dort zitierten Rechtsprechung des BVerfG zur staatlichen Finanzierung der politischen Bildungsarbeit parteinaher Stiftungen, die als i.S. von § 52 AO gemeinnützig anzuerkennen sein können, ausdrücklich angeschlossen und diese Rechtsprechung bei der Bestimmung des Bildungsbegriffs und der Auslegung von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 24 AO berücksichtigt.

Zudem entspricht die Rechtsprechung des erkennenden Senats dem Verfassungsgrundsatz, dass die politischen Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes nur „mitwirken“ (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG), dadurch, dass auch gemeinnützigen Körperschaften eine Einflussnahme auf die politische Willensbildung ohne Gefährdung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit gestattet ist, wenn dies –lediglich ergänzend– der Förderung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten steuerbegünstigten Zwecke dient. Damit wird der vom Kläger verfassungsrechtlich abgeleitete Teilhabeanspruch an der politischen Willensbildung gewahrt, wobei allerdings die Einschränkung zu beachten ist, dass diese Einflussnahme der nach § 52 AOsteuerbegünstigten Zweckverfolgung dienen muss. Dabei hat der erkennende Senat auch die unterschiedlichen Finanzierungs- und Transparenzbedingungen berücksichtigt, die für politische Parteien einerseits und gemeinnützige Körperschaften andererseits bestehen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10.01.2019 -V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 22, und z.B. Hüttemann, DB 2019, 744, 745).

Soweit der Kläger aus der für ihn verneinten Gemeinnützigkeit eine Beeinträchtigung des Gleichheitsgrundsatzes im Verhältnis zu den nach § 52 AO gemeinnützigen Körperschaften ableitet, wird übersehen, dass es für die Zulässigkeit einer Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Rahmen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit stets darauf ankommt, dass diese der Verwirklichung eines der in § 52 Abs. 2 AO bezeichneten steuerbegünstigten Zwecke dient, woran es im Streitfall fehlt.

Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) als Kommunikationsgrundrecht. Dass die Absicht, auf die Meinungsbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, expliziter Grund sein kann, um eine Gemeinnützigkeit auszuschließen, folgt daraus, dass nach § 52 AO nur das gemeinnützig ist, was in § 52 Abs. 2 AO als steuerbegünstigt benannt ist. Ein von den Voraussetzungen dieser Vorschrift unabhängiges Teilhaberecht besteht im Rahmen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit nicht und lässt sich auch nicht über eine erweiternde Auslegung des Begriffs der politischen Bildung begründen. Im Übrigen besteht auch keine Pflicht des Staates zur Vereinsförderung durch Subventionen oder steuerrechtliche Gemeinnützigkeitsprivilegien (z.B. Löwer in: v. Münch/Kunig, GGK, 6. Aufl., 2012, Rz 29 zu Art. 9).

Auf den Einwand des Klägers, es liege ein selektiver Entzug der Gemeinnützigkeit bei nur einzelnen Körperschaften vor, kommt es nicht an. Selbst wenn die Finanzverwaltung anderen Körperschaften, die nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung keine steuerbegünstigten Zwecke verfolgen, die Steuerbegünstigung nicht entziehen würde, wird die Versagung der Gemeinnützigkeit in Bezug auf den Kläger hierdurch nicht rechtswidrig. Denn hieraus ergibt sich für den Kläger kein Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG, ebenfalls als gemeinnützig anerkannt zu werden. Eine sog. Gleichheit im Unrecht besteht wegen des Vorrangs des Gesetzes nicht, so dass es keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung bei der Rechtsanwendung gibt (BFH-Beschluss vom 18.07.2002 – V B 112/01, BFHE 199, 77, BStBl II 2003, 675; BFH-Urteile vom 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460, und vom 18.04.2013 – V R 48/11, BFHE 241, 270, BStBl II 2013, 697). Dies gilt auch für den Bereich der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit (BFH-Urteil vom 17.05.2017 – V R 52/15, BFHE 258, 124, BStBl II 2018, 218). Hiervon ist auch das FG –unabhängig davon, dass es insoweit einen Grund zur Zulassung der Revision gesehen hat (s.a. Wackerbeck, EFG 2020, 1370)– in seinem Urteil zutreffend ausgegangen.

6. Rechtsfehlerfreie FG-Entscheidung im zweiten Rechtszug

Im Streitfall hat das FG somit die Klage im zweiten Rechtsgang rechtsfehlerfrei abgewiesen.

Auf der Grundlage der im BFH-Urteil vom 10.01.2019 – V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301 Rz 35) ausgesprochenen Zurückverweisung hat das FG im zweiten Rechtsgang begründet, weshalb die unter dem Namensbestandteil des Klägers erfolgten Betätigungen dem Kläger auch zuzurechnen sind. Das FG hat hierfür angeführt, dass sich der Kläger finanziell an den einzelnen Aktionen beteiligt hatte und die Maßnahmen in den Geschäftsberichten des B-Rates aufgeführt waren. Der Kläger habe zudem die Zurechnung der Kampagnen nie in Abrede gestellt und auf Anfrage schriftlich und auch in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich betont, dass er die Kampagnen sowohl finanziell als auch inhaltlich zu verantworten habe, was auch durch Ausdrucke des Internetauftritts des Klägers bestätigt werde.

Die hieraus abgeleitete Würdigung, dass die fraglichen Betätigungen („Kampagnen“) dem Kläger als eigenes Handeln zuzurechnen sind, ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, so dass sie den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet. Sie wird vom Kläger mit seiner Revision auch nicht angegriffen. Damit steht fest, dass der Kläger nicht i.S. von § 56 AO nur seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt hat und zudem auch seine tatsächliche Geschäftsführung gemäß § 63 Abs. 1 AO nicht auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke gerichtet war.

Unter Berücksichtigung des Umfangs der danach nicht steuerbegünstigten Tätigkeiten bestehen gegen die Versagung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den der Senat bereits bei der Prüfung der Mittelverwendung nach § 55 AO berücksichtigt hat (BFH-Urteil vom 12.03.2020 – V R 5/17, BFHE 268, 415, Rz 61), keine Bedenken.

Quintessenz Bei der Besprechungsentscheidung handelt es sich um einen sog. § 126a-Beschluss, was besagt, dass der Senat die Revision ein­stimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforder­lich gehalten hat. Nun sind derartige Beschlüsse rechtlich meist nicht spektakulär, eben weil sie – jedenfalls nach Meinung des Gerichts – keine Anhaltspunkte für unterschiedliche Rechtsauffassungen bieten. Der vorliegende Fall liegt allerdings nach dem Prozessverlauf ein wenig anders.

Die eigentliche Streitfrage, ob der Kläger mit seinen Aktivitäten steu­erbegünstigte Zwecke verfolgte, hatte der BFH in seinem Urteil in seinem Urteil in BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, bereits mit der sich nach § 126 Abs. 5 FGO für den zweiten Rechtsgang ergebenden Bin­dungswirkung wie folgt entschieden: 

Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO. Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient. Es gibt mit anderen Worten für gemeinnützige Körperschaften kein allgemeinpolitisches Mandat. Das ist nun weder eine neue noch eine überraschende Erkenntnis, sondern ergibt sich schon aus der bisherigen Rechtsprechung (z.B. BFH, Urt. v. 20.3.2017 – X R 13/15, BFHE 257, 486 = BStBl. II 2017, 1110; BFH, Urt. v. 29.8.1984 – I R 203/81, BFHE 142, 51 = BStBl. II 1984, 844; BFH, Urt. v. 23.11.1988 – I R 11/88, BFHE 155, 461 = BStBl. II 1989, 391; BFH, Urt. v. 23.9.1999 – XI R 63/98, BFHE 190, 338 = BStBl. II 2000, 200, 202; BFH, Beschl. v. 14.3.1990 – I B 79/89, BFH/NV 1991, 485). Deshalb war der empörte Aufschrei in einigen Medien nur schwer nachzuvollziehen und wohl eher einer unzureichenden Auseinandersetzung mit der Thematik geschuldet. 

Das FG hatte im zweiten Rechtszug mit Urteil vom 26.2.2020 – 4 K 179/16 (EFG 2020, 1365) erneut entschieden und die Klage nunmehr abgewiesen. Dabei ging es nur noch um die Frage, ob bestimmte Tätigkeiten dem Kläger zuzurechnen waren, nicht aber, ob mit diesen Tätigkeiten steuerbegünstigte Zwecke verfolgt wurden. Die Revision gegen dieses Urteil hat der BFH mit dem nun vorliegenden Beschluss V R 14/20 als unbegründet zurückgewiesen. Dabei hätte er sich eigentlich auf die Feststellung beschränken können, dass die Würdigung des FG, wonach die streitigen Betätigungen („Kampagnen“) dem Kläger als eigenes Handeln zuzurechnen sind, möglich ist und weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstößt. 

Der BFH hat dennoch die bereits aus dem Urteil V R 60/17 bekannten Gründe aufgegriffen und noch einmal hervorgehoben, dass zu den nach § 52 Abs. 2 AO eigenständig steuerbegünstigten Zwecken weder die Einflussnahme auf die politische Willensbildung (§ 2 Abs. 1 PartG) noch die Gestaltung der öffentlichen Meinung (§ 1 Abs. 2 PartG) gehört. Eine gemeinnützige Körperschaft darf auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung nur Einfluss nehmen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke ‑‑wie z.B. der Förderung des Umweltschutzes (Nr. 8)‑‑ dient. Eine derart dienende und damit ergänzende Einwirkung muss aber gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbe­günstigten Zwecks in den Hintergrund treten.