European Insolvency & Restructuring
Der Blog zum europäischen InsolvenzrechtÜber European Insolvency & Restructuring
Im Zuge der Internationalisierung der Wirtschaftswelt gibt es zunehmend Unternehmen, deren Tätigkeit sich nicht allein auf die nationale Ebene beschränkt. Deshalb entstehen auch bei der Insolvenz von Gesellschaften regelmäßig grenzüberschreitende Konflikte. Diskutiert werden daher in diesem Blog Fragestellungen zum Europäischen Insolvenz- und Sanierungsgeschehen. Im Wesentlichen wird es um den Rechtsrahmen gehen, der dieses Gebiet umfasst. Der Blog wird über jüngste Gerichtsentscheidungen, aktuelle Entwicklungen und neue wissenschaftliche Erkenntnis von praktischer Relevanz berichten. Behandelt wird nationales genauso wie transnationales Recht.
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Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zu einem neuen Insolvenzverfahren für den unteren Mittelstand
Die EU-Kommission hat am 07.12.2022 den Richtlinienvorschlag COM(2022) 702 des Europäischen Parlaments und des Rats „zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts“ (RL-V) veröffentlicht. Gegenstand sind vor allem Regelungen zum Anfechtungsrecht, einem Pre Pack-Verfahren zum Unternehmensverkauf vor oder direkt nach Insolvenzeröffnung und die Einführung eines verwalterlosen Insolvenzverfahrens für Kleinstunternehmen, das nachfolgend skizziert wird.
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Geschäftsleiterpflichten in Insolvenznähe – Impulse aus England?
Geschäftsleiterpflichten im Stadium der Insolvenznähe und im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens oder eines formellen Restrukturierungsverfahrens beschäftigen Theorie und Praxis schon seit langem. Besonders in Deutschland ist die Diskussion um die den Geschäftsleiter im Vorfeld der Insolvenz treffenden Pflichten erneut entfacht worden. Die ursprünglich für das seit 1.1.2021 geltende Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG) vorgesehenen Pflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit und die damit verbundene Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft haben es nicht in das Gesetz geschafft. Seitdem wird diskutiert, ob der Geschäftsführer trotz der Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE verpflichtet ist, ab dem Zustand drohender Zahlungsunfähigkeit zumindest auch oder gar vorrangig die Gläubigerinteressen zu berücksichtigen oder es allein auf die Gesellschafter und deren Interessen ankommt.
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Harmonisierung des Insolvenzrechts: ein unmögliches Unterfangen?
Es besteht allgemein Einigkeit darüber, dass die Vielfalt der nationalen Insolvenzgesetze grenzüberschreitende Geschäfte, Insolvenzverfahren und Restrukturierungsbemühungen behindert. Gläubiger, die einem Schuldner, der in einem anderen Staat ansässig ist, einen Kredit gewähren, müssen sich immer auch des Risikos der Insolvenz des Schuldners bewusst sein. Kommt es zu einem Insolvenzverfahren, so richtet sich dieses grundsätzlich nach der lex fori concursus (vgl. Art. 7 EIR).
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Irland und die Änderung der Anhänge zur EuInsVO
Ende letzten Jahres haben der Rat und das Europäische Parlament die jüngste Änderung der Anhänge zur EuInsVO beschlossen, die auch die neuen deutschen öffentlichen Restrukturierungssachen (§§ 84 ff. StaRUG) enthält (Verordnung (EU) 2021/2260 vom 15.12.2021, ABl. Nr. L 455, S. 4); die Ausfertigung war eine der letzten Amtshandlungen des jüngst verstorbenen Parlamentspräsidenten David Sassoli.
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Unternehmensrestrukturierung nach dem neuen StaRUG: Erste Erfahrungen
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ist am 01.01.2021 in Kraft getreten. Sein Zweck ist es, Unternehmen in der Krise eine Restrukturierung auch gegen den Willen einzelner Gläubiger zu ermöglichen, um so eine Insolvenz abzuwenden. Es setzt die europäische Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 um. Ob das StaRUG geeignet ist, diesen Zweck auch zu erfüllen, zeigt sich erst in der Praxis. Im Folgenden soll daher erste Rechtsprechung zu Restrukturierungsverfahren dargestellt werden.
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Die vorläufige Eigenverwaltung im Spannungsfeld zwischen Insolvenz- und Steuerrecht
Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz vom 22.12.2020 (BGBl. I, S. 3257) hat einerseits § 55 Abs. 4 InsO auf den vorläufigen Sachwalter erweitert und andererseits auf die Umsatzsteuer und vergleichbare Abgaben beschränkt. Diese Neuregelung ist auf Insolvenzverfahren, die ab dem 1.1.2021 beantragt werden, anzuwenden (Art. 103m EGInsO). Die Auswirkungen dieser Rechtsänderungen sind Gegenstand einer Vielzahl von Diskussionsbeiträgen in der Literatur (vgl. z.B. Kruth, MwStR 2021, S. 449 ff.; Wäger, DStR 2021, S. 825 ff.; Schmidt, DStR 2021, S. 693 ff.; Witfeld, ZRI 2021, S. 173 ff.; Kahlert, DStR 2021, S. 1505 ff.; Schulze/Vogel/Huhle, UR 2021, S. 213 ff.; Uhländer, DB 2021, S. 16 ff., 1027 ff.). Auch die Finanzverwaltung wird das bisherige BMF-Schreiben zu § 55 Abs. 4 InsO vom 20.5.2015 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 zeitnah überarbeiten müssen, um den Verfahrensbeteiligten den Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO in der vorläufigen Eigenverwaltung aus Sicht des Steuergläubigers zu erläutern.
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Air Berlin Insolvenz: Juristische Höhenflüge eines Airline-Absturzes
Die Air Berlin Insolvenz wird wohl nicht nur wegen ihrer enormen wirtschaftlichen Folgen, sondern auch wegen ihres juristischen Nachspiels in die Geschichte eingehen. Die kürzlich ergangene BGH-Entscheidung im Streit mit Etihad gibt Anlass, die bislang juristisch spannendsten „Flugetappen“ noch einmal Revue passieren zu lassen und einen Blick auf den aufsehen erregenden neuen Prozess gegen Clearstream zu werfen.
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Der „shift of fiduciary duties“ ist tot – es lebe die Solvenzsicherungspflicht! – Thesen zur Rolle der Geschäftsleiter in der Krise –
Über die Frage, ob die Geschäftsleiter während der Krise nicht länger das Unternehmensinteresse, sondern primär die Interessen der Gläubiger berücksichtigen müssen, wird intensiv gestritten. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang folgende Fragen zu beantworten:
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Rechtsunsicherheit als Restrukturierungshindernis – Wettbewerbsnachteile der neuen Restrukturierungsoptionen in Deutschland und den Niederlanden gegenüber England
Seit dem Jahresbeginn ist das Vereinigte Königreich vorerst aus dem Anwendungsbereich des EU-Rechts ausgeschieden. Für die Restrukturierungs- und Insolvenzlandschaft war dies ein Abschied ohne Ersatzlösung. EuInsVO und EuGVVO sind nicht mehr anwendbar. Das Vereinigte Königreich ist ein Drittstaat. „Härter“ hätte der Brexit nicht ausfallen können.
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Zuständigkeitsklärung in Europa nach dem Brexit
Im praktischen Wirtschaftsleben wirkt sich der Brexit seit dem 1. Januar 2021 unmittelbar aus, manchmal heftiger, manchmal milder als erwartet. Im Rechtsleben werden die Fälle, die das deutsch-englische Rechtsverhältnis in der Nach-Brexit-Ära testen, noch etwas auf sich warten lassen. Dass es aber sicher nicht leichter wird, mag ein aktueller Fall veranschaulichen, der sowohl die deutschen als auch die englischen Gerichte beschäftigt hat.