European Insolvency & Restructuring Grenzüberschreitende Insolvenz
Andreas Piekenbrock

Irland und die Änderung der Anhänge zur EuInsVO

Ende letzten Jahres haben der Rat und das Europäische Parlament die jüngste Änderung der Anhänge zur EuInsVO beschlossen, die auch die neuen deutschen öffentlichen Restrukturierungssachen (§§ 84 ff. StaRUG) enthält (Verordnung (EU) 2021/2260 vom 15.12.2021, ABl. Nr. L 455, S. 4); die Ausfertigung war eine der letzten Amtshandlungen des jüngst verstorbenen Parlamentspräsidenten David Sassoli.

Irland macht vom Optionsrecht Gebrauch

In Deutschland ist allerdings bisher weitgehend unter dem Radar geblieben, dass sich Irland an der Annahme dieser Verordnung nicht beteiligt hat und daher weder durch sie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet ist (Erwägungsgrund 3). Diese Passivität überrascht. Zwar ist allgemein bekannt, dass Irland, so wie früher auch das Vereinigte Königreich, für den „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (Art. 67 bis 89 AEUV) ein Optionsrecht hat (Protokoll Nr. 21, ABl. 2012 Nr. C 326, S. 295). Doch haben beide Länder für die Annahme (auch) der Neufassung der EuInsVO optiert (Erwägungsgrund 87 zur EuInsVO).

An den Änderungen der Anhänge durch die Verordnungen (EU) 2017/353 vom 15.2.2017 (ABl. Nr. L 57, S. 19; vgl. Erwägungsgrund 4) und (EU) 2018/946 vom 4.7.2018 (ABl. Nr. L 171, S. 1; vgl. Erwägungsgrund 5) hat sich Irland allerdings (zunächst) nicht mehr beteiligt. Nur bei der ersten Änderung von 2017 hat das Land von seinem nachträglichen Optionsrecht (Art. 4 des Protokolls Nr. 21) Gebrauch gemacht (Beschluss (EU) 2017/1518 der Kommission vom 31.8.2017, ABl. Nr. L 226, S. 30).

Beachte | Damit ist ungewiss, ob deutsche öffentliche Restrukturierungssachen ab Sommer 2022 in Irland anerkannt werden.

Optionsrecht erfordert Zustimmung beider Kammern des Parlaments

Warum sich Irland regelmäßig zunächst nicht an der Annahme der Änderungen beteiligt, ist schwer zu begreifen. Technisch gesehen, macht sich hier der Wegfall von Art. 45 EuInsVO a.F. bemerkbar. Danach stand Irland und dem Vereinigten Königreich bei der Änderung der Anhänge (vgl. zuletzt Durchführungsverordnung (EU) Nr. 663/2014 des Rates vom 05.06.2014, ABl. Nr. L 179, S. 4) kein Optionsrecht zu (Erwägungsgrund 10).

Die Kommission ging zunächst davon aus, dass sich daran auch nach der Neufassung der EuInsVO nichts geändert habe (vgl. Erwägungsgrund 3 zum Kommissionsvorschlag COM(2016) 317 final). Dem hat das irische Justice Department zu Recht widersprochen (vgl. die Information Note vom 4.8.2016, Nr. 4). Nach irischem Recht kann dieses Optionsrecht nur mit Zustimmung beider Kammern des Parlaments, den Houses of the Oireachtas, ausgeübt werden.

Politische Gründe gegen diese Zustimmung gibt es offenbar nicht. Vielmehr hat sich das Justice Department bisher immer positiv zu den Vorschlägen der Kommission für solche Verordnungen geäußert (vgl. die Information Notes vom 28.6.2016; vom 5.9.2017; vom 8.7.2021). Soweit bisher von dort zu erfahren war, beruht die Passivität bei der Rechtssetzung wohl auf einem Versehen.

Hinweis | Nachdem das Problem inzwischen erkannt ist, besteht daher Anlass zur Hoffnung, dass Irland diesmal wieder sein nachträgliches Optionsrecht ausübt und deutsche öffentliche Restrukturierungssachen ab Sommer 2022 auch in Irland anerkannt werden; sicher ist das gegenwärtig aber nicht.