European Insolvency & Restructuring Insolvenzsteuerrecht
Christoph Uhländer

Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzsteuerrecht 2019/2020

Die Besteuerung von Unternehmen in der Krise, Sanierung und Insolvenz ist ein ausgesprochen unübersichtliches Rechtsgebiet an der Schnittstelle der beiden Teilrechtsordnungen des Insolvenz- und Steuerrechts. Einerseits ist die Rechtsformabhängigkeit der Ertragsbesteuerung von Unternehmen zu beachten; andererseits sind die insolvenzrechtlichen Forderungskategorien (Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten, Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen) sorgfältig auf steuerrechtliche Lebenssachverhalte anzuwenden. Zudem sind verfassungs- und unionsrechtliche Rahmenbedingungen zu würdigen (vgl. Uhländer, DB 2018, S. 2788 ff.; DB 2017, S. 923 ff.).

Rechtsentwicklung wird durch Finanzrechtsprechung geprägt

Die Rechtsentwicklung ist geprägt durch eine Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen des BFH und BGH sowie der Rechtsprechung der Finanzgerichte. Alle Verfahrensbeteiligten müssen daher stets auch die aktuellen Besteuerungsfragen im Blick haben, um gegenüber der Finanzverwaltung das Besteuerungsverfahren sachgerecht abzuwickeln.

Ein markantes Beispiel hierfür liefert die Entscheidung des FG Köln vom 13.2.2019 – 4 K 1600/18 zur Rückforderung einer auf ein Anderkonto des Insolvenzverwalters erfolgten Steuererstattung durch Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. § 37 Abs. 2 AO; die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgenommen (BFH-Beschluss vom 16.5.2019 – VII B 43/19). Zahlungen, die auf einem vom Insolvenzverwalter eingerichteten Anderkonto (offenes Vollrechtstreuhandkonto) eingehen, fallen nach Ansicht des FG Köln weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse, sondern stehen ausschließlich dem Insolvenzverwalter als Leistungsempfänger zu und können von diesem gem. § 37 Abs. 2 AO vom Finanzamt zurückgefordert werden (zur praktischen Ausgestaltung des Insolvenz-Sonderkontos vgl. Saager/d`Avoine/Berg, ZIP 2019, S. 2041 ff.).

Offene Fragen anhängiger Revisionsverfahren beim BFH

Umsatzsteuer in der Insolvenz

FG Düsseldorf vom 19.7.2017 – 5 K 1959/15 U; Az beim BFH: V R 18/19

Kann der Kläger als Insolvenzverwalter Umsatzsteuern, die ihm für seine Tätigkeiten im Rahmen der vom Gläubigerausschuss in Auftrag gegebenen Kassenprüfungen in Rechnung gestellt worden sind, als Vorsteuern geltend machen?

Sächs. Finanzgericht vom 20.10.2017 – 6 K 75/16; Az beim BFH: XI R 10/19

Begründet § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Handlungspflicht des Insolvenzverwalters, sich zur Frage der Freigabe zu erklären, die im Fall der Pflichtverletzung zur Einordnung der im Rahmen der geduldeten Tätigkeit begründeten Steuerverbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO führt?

FG Köln vom 11.10.2017 – 9 K 3566/14; Az. beim BFH: V R 51/17

Macht die bloße Duldung einer (freiberuflichen) Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter oder dessen bloße Kenntnis die aufgrund dieser Umsätze entstehende Umsatzsteuer zu einer Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO? Führen zur Bestimmung des Umfangs der Masse durchgeführte Aufklärungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters hinsichtlich der ungeklärten Unternehmereigenschaft des Schuldners zu einem Verwaltungshandeln i.S. des § 55 InsO? Ändert die seit dem 01.07.2007 geänderte Fassung des § 35 InsO das bisherige Ergebnis? Führt der Umstand, dass der Insolvenzverwalter keine Erklärung i.S.v. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO abgegeben hat (und mangels Kenntnis auch nicht abgeben konnte), zu einem pflichtwidrigen Unterlassen und somit dazu, dass allein aus diesem Grunde losgelöst von den Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO das Vorliegen einer sonstigen Masseverbindlichkeit zu bejahen wäre?

FG Köln vom 11.4.2019 – 12 K 2583/17; Az beim BFH: 5 R 19/19

Reicht es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 270 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 55 Abs. 4 InsO aus, dass der vorläufig eigenverwaltende Schuldner – vergleichbar dem vorläufigen Insolvenzverwalter – während des Eröffnungsverfahrens Forderungen einzieht und hierdurch Steuern begründet werden? Ist der Schuldner im Rahmen des Verfahrens der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270a InsO mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter i.S.v. § 55 Abs. 4 InsO rechtlich vergleichbar und damit entsprechend auf die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a anwendbar?

FG Münster vom 12.6.2019 – 5 K 166/19 U; Az beim BFH: V R 26/19

Sind die im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung unter Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters begründeten Vorsteuererstattungsansprüche dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil oder der Insolvenzmasse zuzuordnen? Hierbei muss der BFH die Reichweite des § 55 Abs. 4 InsO auf Steuererstattungsansprüche klären (vgl. zur unionsrechtlichen Pflicht der effektiven Mehrwertsteuererhebung einerseits Frintrup, ZIP 2019, S. 1101 ff. und andererseits Ries, Festschrift Kayser, Köln 2019, S. 817 ff.).

Thüringer FG vom 16.3.2017 – 1 K 512/15; Az. beim BFH: VII R 31/17

Aufrechnung des Umsatzsteuerguthabens einer GmbH mit ihrer Haftungsschuld als Organgesellschaft für Umsatzsteuer des Organträgers (sowohl über das Vermögen der Organgesellschaft als auch das des Organträgers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet: Ist das FA gegenüber der GmbH erst mit der formellen Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzungen – hier in Gestalt des späteren Abrechnungsbescheids und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – etwas schuldig geworden, weil die ungerechtfertigten Voranmeldungszahlungen der GmbH erst mit einer entsprechenden Steuerfestsetzung steuerrechtlich entstanden sind?

Hinweis | Das FG München hat im Urteil vom 15.5.2019 – 3 K 2244/16 ebenfalls eine rechtsdogmatisch interessante Entscheidung veröffentlicht (Az. des BFH: V R 28/19), wenn eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft erst im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft „entdeckt“ wurde.

FG Münster vom 7.9.2017 – 5 K 3123/15 U; Az. beim BFH: XI R 35/17

Endet eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft durch Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit Bestellung eines vorläufigen Sachwalters, wenn das Gericht neben der vorläufigen Eigenverwaltung zugleich einen Vollstreckungsschutz gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO angeordnet hat? Entfällt die erforderliche Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit aufgrund der einschränkenden Regelungen des § 276a Satz 1 InsO? Können im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO Masseverbindlichkeiten begründet werden?

FG Berlin-Brandenburg vom 26.6.2019 – 7 K 7092/18; Az. beim BFH: XI R 18/19

Der Kanzleiabwickler i.S. des § 55 Abs. 5 BRAO ist Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 3 hinsichtlich des verwalteten Kanzleivermögens. Adressat des Umsatzsteuerbescheids hinsichtlich der vom Kanzleiabwickler abzuwickelnden und abzurechnenden Honorarforderungen ist der Kanzleiabwickler in dieser Funktion.

Einkommensteuer in der Insolvenz

FG Münster vom 28.2.2018 – 9 K 3343/13 E; Az. beim BFH: VIII R 19/18

Wie ist bei der Insolvenz eines Ehegatten im Fall der Zusammenveranlagung die Einkommensteuerschuld des Insolvenzschuldners auf dessen insolvenzrechtliche Vermögensbereiche aufzuteilen? Sind die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit des Insolvenzschuldners der Insolvenzmasse oder dem insolvenzfreien Vermögen zuzuordnen?

FG Rheinland-Pfalz vom 14.3.2019 – 4 K 1005/18; Az. beim BFH: X R 13/19

Stellt die Versteigerung eines Betriebsgrundstücks auf Betreiben der finanzierenden Bank im Insolvenzverfahren eine Betriebsveräußerung dar, die für die Insolvenzmasse als sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Einkommensteuerpflicht auslöst?

FG Baden-Württemberg vom 5.7.2018 – 1 K 2502/15; Az. beim BFH: X R 31/18

Wirken sich im Laufe eines Insolvenzverfahrens erstattete Umsatzsteuern aus Glückspielumsätzen nebst Zinsen nach der Betriebsaufgabe eines bilanzierenden Spielhallenbetreibers als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Betriebsaufgabegewinn nach § 16 EStG aus oder sind diese als nachträgliche laufende Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 EStG im Zuflussjahr zu erfassen?

Hessisches FG vom 23.8.2017 – 4 K 2149/15; Az. beim BFH: VIII R 23/18

Steht einer in Insolvenz befindlichen Personengesellschaft, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens Zinserträge erwirtschaftet, ein Erstattungsanspruch gegen die Finanzbehörde zu, wenn eine Kapitalerträge auszahlende Stelle zugunsten des hinter der Personengesellschaft stehenden Mitunternehmers dessen Steuern einbehält und an die Finanzverwaltung abführt?

Körperschaftsteuer in der Insolvenz

FG Düsseldorf vom 18.9.2018 – 6 K 454/15 K; Az. beim BFH: I R 36/18

Hat nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten des gesamten Liquidationszeitraums ohne die Anwendung der Mindestbesteuerungsregelung gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V. mit § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG zu erfolgen?

Gewerbesteuer in der Insolvenz

FG Köln vom 13.11.2014 – 10 K 3569/13; Az. beim BFH: I R 64/16

Ist die sog. Liquidationsbesteuerung nach Maßgabe des § 11 KStG bzw. § 16 GewStDV im Zusammenhang mit einer Insolvenz sinngemäß anzuwenden?

Erbschaftsteuer in der Insolvenz

FG Nürnberg vom 26.4.2018 – 4 K 571/16; Az. beim BFH: II R 19/18

Bewirkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft einen anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG 2009? Ist als maßgebender Zeitpunkt i.S.d. § 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzusehen?

FG Düsseldorf vom 24.1.2018 – 4 K 1043/17 Erb; Az. beim BFH: II R 10/18

Wegfall des verminderten Wertansatzes nach § 13a Abs. 2 ErbStG bei Veräußerung von Wirtschaftsgütern einer Unterpersonengesellschaft wegen Insolvenz? Ist die Insolvenz einer Unterpersonengesellschaft bzw. die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen der Unterpersonengesellschaft innerhalb der Frist des § 13a Abs. 5 ErbStG auf Ebene der Oberpersonengesellschaft steuerrelevant?

Grunderwerbsteuer in der Insolvenz

FG Mecklenburg-Vorp. vom 8.5.2018 (1 K 246/14; Az. beim BFH: II R 23/18

Steht § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG der Anwendung der Begünstigungsvorschrift des § 6 Abs. 2 GrEStG entgegen, wenn ein Grundstück von einer Gesamthand (hier: KG) in das Alleineigentum der an der Gesamthand beteiligten Person (hier: Kapitalgesellschaft) i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG durch Anwachsung ohne vorangegangenes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, übergegangen ist, der Erwerb der Anteile an der Gesamthand innerhalb der Fünf-Jahres-Frist erfolgt und die für diesen Anteilserwerb gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG festgesetzte Steuer wegen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesamthand nicht durchsetzbar war?

Besteuerungsverfahren in der Insolvenz

BVerwG vom 4.7.2019 – 7 C 31/17 (EuGH-Vorlage); Az beim EuGH: C-620/19

Dient Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der VO (EU) 2016/679 auch dem Schutz der Interessen von Finanzbehörden? Falls ja, erfasst die Formulierung „Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche“ auch die Verteidigung der Finanzbehörde gegen zivilrechtliche Ansprüche und müssen diese bereits geltend gemacht sein? Erlaubt die Regelung des Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der VO (EU) 2016/679 zum Schutz eines wichtigen finanziellen Interesses eines Mitgliedstaats im Steuerbereich eine Beschränkung des Auskunftsrechts nach Art. 15 der VO (EU) 2016/679 zur Abwehr von zivilrechtlichen Insolvenzanfechtungsansprüchen gegen die Finanzbehörde? Auch beim BFH ist zwischenzeitlich unter dem Az. II B 65/19 diese Problematik nach der Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern v. 15.07.2018 – 3 K 91/19 anhängig.

FG Düsseldorf vom 4.10.2018 – 11 K 1921/16 E; Az. beim BFH: IX R 27/18

Ist der Erlass in Form eines Einkommensteuerbescheids nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich, wenn sich bei der Anrechnung von geleisteten Vorauszahlungen insgesamt ein Erstattungsanspruch ergibt oder hat das Finanzamt (lediglich) eine formlose Mitteilung zur Berechnung der Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen zu fertigen?

FG Köln vom 30.5.2018 – 3 K 2086/17; Az. beim BFH: VI R 37/18

Ist ein Bescheid über eine Einkommensteuerfestsetzung, der sich auf einen innerhalb eines Insolvenzverfahrens liegenden Zeitraum bezieht und der nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ergeht, im Fall einer angeordneten Nachtragsverteilung zwingend dem Treuhänder bzw. Insolvenzverwalter bekannt zu geben?

FG Nürnberg vom 18.7.2018 – 2 K 1311/16; Az. beim BFH: VII R 31/18

Hat das infolge der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter eingetretene Aufrechnungsverbot auch nach Anzeige der wieder eingetretenen Massezulänglichkeit weiterhin Bestand?

FG Berlin-Brandenburg v. 13.12.2018 – 9 K 9117/16; Az. beim BFH: VII R 15/19

Ist über die Frage, ob aufgrund der Anfechtung des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Organgesellschaft ein Anspruch des FA gegen den Organträger besteht, auf dem Zivilrechtsweg zu entscheiden, oder kann das FA die Entscheidung im Rahmen eines Abrechnungsbescheids gegenüber dem Organträger treffen? Das Verhältnis der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zur Insolvenzanfechtung ist komplex (vgl. instruktiv Thole, ZIP 2019, S. 1353 ff.).

FG Köln vom 24.10.2017 – 8 K 1829/15; Az. beim BFH: VII R 5/18

Ist der ehemalige Geschäftsführer im eigenen Verfahren wegen Haftung für Lohnsteuer mit Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung gemäß § 166 AO ausgeschlossen, wenn er wegen offener Gehaltsforderungen selbst Insolvenzgläubiger des Steuerschuldners ist?

FG Düsseldorf vom 25.10.2017 – 2 K 2269/15 H; Az. beim BFH: XI R 54/17

Gilt der Einwendungsausschluss des § 166 AO auch dann, wenn der Geschäftsführer einer GmbH keinen Widerspruch gegen eine Anmeldung einer Insolvenzforderung zur Tabelle eingelegt hat, aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Einspruch gegen die Steuerfestsetzungen, für die er in Haftung genommen wird, erhoben hatte?

FG Köln vom 28.6.2016 – 8 K 92/13; Az. beim BFH: VIII R 21/16

Unter welchen Voraussetzungen wird durch die Insolvenzeröffnung ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren unterbrochen, in dem der Erlass eines Erstattungsbescheids begehrt wird und infolgedessen keine Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet wurden?

Vielzahl aktueller Streitfragen hat der BFH in 2019 beantwortet

► Der Einwendungsausschluss nach § 166 AO kann auch zu Lasten eines vom Steuerpflichtigen beauftragten – und für die Steuerschuld haftenden – Rechtsanwalts wirken, wenn er mangels entgegenstehender Weisung in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Bevollmächtigter anzufechten (BFH vom 14.2.2019 – V R 68/17; vgl. Uhländer, AO-StB 2019, S. 294 ff.).

► Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Fahrzeug, für dessen Halten die Kraftfahrzeugsteuer geschuldet wird, Teil der Insolvenzmasse ist. Ein Fahrzeug, das bereits vor Insolvenzeröffnung untergegangen ist, fällt nicht unter den Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 1 InsO (BFH vom 21.3.2019 – III R 30/18).

► Der Insolvenzschuldner erzielt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Insolvenzverwalter die vom Schuldner als Vermieter begründeten Mietverträge erfüllt. Wird die Einkommensteuer erstmals nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens festgesetzt, ist der Steuerbescheid dem vormaligen Insolvenzschuldner als Inhaltsadressat bekannt zu geben; eine Bekanntgabe an den vormaligen Insolvenzverwalter kommt nicht mehr in Betracht (BFH vom 2.4.2019 – IX R 21/17).

► Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Anfechtungskompetenz aus §§ 4, 11 AnfG auf den Insolvenzverwalter über. Wenn der Rechtsstreit gegen den Duldungsbescheid des FA nicht mehr anhängig ist, kann der Insolvenzverwalter das Verfahren nicht mehr aufnehmen. Hat das FG die Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid als unbegründet abgewiesen, kommt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für den Insolvenzverwalter nach § 727 ZPO nicht in Betracht. Das FA kann den Anfechtungsanspruch gegen den Anfechtungsgegner während des Insolvenzverfahrens auch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters nicht selbst weiterverfolgen (BFH vom 24.7.2019 – VII R 65/19; vgl. auch Uhländer, AO-StB 2019, S. 339).

Fazit | Das Besteuerungsverfahren blickt in 2019 auf 100 Jahre Verfahrensrecht zurück. Die gesetzlichen Regelungen des formellen und materiellen Steuerrechts sowie der Insolvenzordnung sind indes nur unzureichend auf Besteuerungsfragen in der Insolvenz ausgerichtet. Dies belegt bereits die kurze Zusammenstellung der derzeit anhängigen Streitfragen. Alle Beteiligten des Insolvenzverfahrens (Finanzverwaltung, Insolvenzverwalter, Insolvenzschuldner) müssen diese Rechtsentwicklungen im Blick haben, um den zutreffenden Steuervollzug in der Insolvenz zu gewährleisten. Die Abgrenzung der jeweiligen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien entwickelt sich hierbei zu einer „Dauerbaustelle“ des Insolvenzsteuerrechts.

Weitere aktuelle Problemfelder wie z.B. die Besteuerung von Sanierungsgewinnen im Lichte des § 3a EStG und die Anwendung des Verlustabzugs gemäß § 8c KStG bzw. § 8d KStG werden künftig ebenfalls die Finanzgerichtsbarkeit erreichen.

Prof. Dr. Christoph Uhländer leitet an der FHF Nordkirchen den Lehrbereich Besteuerung von PersG/KapG und den Schwerpunktbereich „Insolvenz und Steuern“. Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.