Implikationen der COVID-19-Pandemie für M&A-Geschäfte
Wie jede Wirtschaftskrise hat speziell auch die Covid-19-Pandemie erhebliche Auswirkungen für Unternehmen, speziell auch für deren M&A-Aktivitäten. Im nachfolgenden Beitrag seien einige der wichtigsten Implikationen – aus Perspektive des potenziellen Käufers eines Unternehmens – knapp erläutert.
Besondere Bedeutung von Risikoanalysen
Die „Corona-Krise“ selbst und die durch diese ausgelösten Veränderungen, z.B. Beschleunigung von Digitalisierungsprozessen, erfordern eine neue Beurteilung der Zukunftsfähigkeit und Robustheit der Geschäftsmodelle von „Target-Unternehmen“. Besondere Relevanz bei einer solchen strategischen Risikoanalyse hat die Beurteilung der Tragfähigkeit der Kernkompetenzen, die Auswirkungen der Digitalisierung sowie die kritische Beurteilung bestehender Abhängigkeiten (z.B. einer Supply Chain).
Die Krise verdeutlicht die zentrale Bedeutung einer fundierten quantitativen Risikoanalyse als Grundlage sämtlicher M&A-Entscheidungen. Überlebenswahrscheinlichkeit und Wert eines Unternehmens (bzw. einer bestehenden Beteiligung) sind abhängig von der Bandbreite der zukünftigen (unsicheren) Cashflows. Die Bandbreite der Cashflows ist abhängig von bestehenden Chancen und Gefahren (Risiken), die systematisch zu identifizieren, zu quantifizieren und mittels Simulation zu aggregieren sind (Bandbreiten-Planung). Auch in bereits laufenden M&A-Prozessen ist im Allgemeinen die Risikoanalyse zu verbessern, insbesondere unter Beachtung der unsicheren Auswirkungen der aktuellen Krise, möglicher zukünftiger Krisen sowie der zunehmenden Unsicherheit über zentrale Planannahmen (wie z.B. die zukünftige Umsatzentwicklung). Auch die Risiken, die in der Due Diligence identifiziert werden, müssen quantifiziert und aggregiert werden.
Risikoadäquater Eigen- und Liquiditätsbedarfspuffer
Durch die Krise haben sich Eigen- und Liquiditätsbedarf der meisten Unternehmen deutlich erhöht, weil der Risikoumfang zugenommen hat. Bei der Akquisitionsfinanzierung sollte daher ausgehend von der Risikoanalyse und Risikoaggregation eine neue und fundierte Schätzung des Eigen- und Liquiditätsbedarfs für ein Target-Unternehmen (unter Berücksichtigung der Akquisitionsfinanzierung) vorgenommen werden. Die Betrachtung des planmäßigen Liquiditätsbedarfs ist unzureichend. Man benötigt einen risikoadäquaten „Eigen- und Liquiditätspuffer“, der risikobedingt mögliche negative Planabweichungen berücksichtigt. Diesen Puffer zu berechnen, erfordert eine Monte-Carlo-Simulation, also die Berechnung einer großen repräsentativen Anzahl risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien. Nur so kann ausgesagt werden, welcher Liquiditätsbedarf mit z.B. 95%iger Sicherheit – für eine einzelne Beteiligung oder das gesamte Unternehmen, unter Berücksichtigung von Diversifikationseffekten – z.B. bis 2023 nicht überschritten wird.
Darstellung des Risikoumfangs
Die Implikationen der Krisen, mit ihrem erhöhten Risikoumfang, sind bei der Bewertung und der Bestimmung des Grenzpreises (und damit auch in Verhandlungssituationen mit einem Verkäufer) zu berücksichtigen. Risiken des Unternehmens haben Auswirkungen auf
(1) Erwartungswert der Cashflows,
(2) Ertragsrisiko und damit risikogerechte Kapitalkosten und
(3) das Insolvenzrisiko (Insolvenzwahrscheinlichkeit).
Wesentlich ist dabei die Beachtung der Insolvenzwahrscheinlichkeit, da dieser risikoabhängige Werttreiber in der Krise bei vielen Unternehmen deutlich angestiegen ist. Langfristig wirkt sich die Insolvenzwahrscheinlichkeit quasi wie eine negative Wachstumsrate aus.
Entscheidungsvorlagen entsprechend Anforderungen aus § 93 AktG
Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von Unternehmen und auch anderer M&A-Transaktionen sind im Allgemeinen „unternehmerische Entscheidungen“ im Sinne des § 93 AktG. Das Gesetz und die daraus abgeleiteten Risikomanagement-Standards (DIIR RS Nr. 2) erfordern eine die Entscheidung vorbereitende dokumentierte Risikoanalyse. Der Entscheider über Kauf oder Verkauf – Geschäftsführer oder Vorstand – muss beweisen können, dass ihm die entscheidungsrelevanten Informationen zum Entscheidungszeitpunkt vorlagen. Es sind insbesondere Informationen über die Risiken, die mit der Entscheidung verbunden sind, die hier zu zeigen sind.
Hinweis | Es ist entsprechend zu empfehlen, dass neben den „üblichen“ Dokumentationen für M&A – wie eine Fairness Opinion – eine Dokumentation der quantitativen Risikoanalyse vorliegt.
Eines ist hier besonders wesentlich: die alleinige Betrachtung der Risiken des Target-Unternehmens ist unzureichend. Es geht darum aufzuzeigen, wie sich der Risikoumfang des eigenen Unternehmens durch die Übernahme ändert. Dies erfordert die Einbeziehung z.B. von Risiken aus unsicheren Synergien, unsicheren Konsolidierungskosten und der Akquisitionsfinanzierung. Werden die entsprechenden Informationen nicht dokumentiert, kann von einer Sorgfaltspflichtverletzung ausgegangen werden, die zur Unwirksamkeit einer D&O-Versicherung und bis zur persönlichen Haftung des Entscheiders für eintretende Risiken führen kann.
Fazit | Im Ergebnis zeigt sich, dass gerade in Krisensituationen Aspekte, die grundsätzlich von Bedeutung sind, in ihrer Relevanz noch einmal gesteigert werden. Eine Krise ist eine Hochrisikosituation und daher ist die besondere Beachtung der veränderten Risikolage wichtig. Die Veränderungen der Risiken haben erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmenswert und letztlich auf Kauf- und Verkaufsentscheidungen.