Global Mergers & Transactions Bilanzrecht
Christian Fink

Bilanzielle Abbildung von Software as a Service-Vereinbarungen nach HGB

Das Cloud Computing hat dem Softwarenutzer in den letzten Jahren verstärkt die Möglichkeit eröffnet, Softwarelösungen schneller und kosteneffizienter einzuführen und einzusetzen. Dabei ist Cloud Computing nach der Definition des National Institute of Standards and Technology (NIST) als ein ortsunabhängiges Bereitstellungsmodell für die schnelle, bedarfsgetriebene Nutzung von Hard- und Softwarekapazitäten per Netzwerk zu verstehen, welches die exklusive oder gemeinsame Nutzung eines Pools konfigurierbarer IT-Ressourcen ermöglicht. Da Cloud Computing-Vereinbarungen v.a. hinsichtlich der genutzten Service- oder Lizenzmodelle sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können, hängt deren bilanzielle Abbildung in nicht unerheblichem Maße von der individuellen Vertragsgestaltung zwischen Cloud-Anbieter und Softwarenutzer ab.

Software as a Service (SaaS) als bilanzielle Herausforderung

Software as a Service (SaaS)-Vereinbarungen unterscheiden sich von anderen Servicemodellen v.a. dadurch, dass vom Cloud-Anbieter neben standardisierter physischer oder virtueller IT-Hardware und einer meist spezifischen Entwicklungs- und Betriebsumgebung auch Anwendungssoftware zeitraumbezogen zur Verfügung gestellt wird. Es kann daher von einem klassischen Mehrkomponentengeschäft ausgegangen werden, bei dem die Einzelkomponenten einer gesonderten bilanziellen Beurteilung zu unterziehen sind. Da die Anwendungssoftware bei SaaS i.d.R. vom Cloud-Anbieter zentral verwaltet und gesteuert wird, stehen dem Nutzer zwar stets aktuellste Softwareversionen zur Verfügung, er hat aber nur begrenzte Möglichkeiten zur individuellen Anpassung oder Integration der Software. 

Besondere Herausforderungen für die bilanzielle Abbildung von SaaS-Vereinbarungen erwachsen dadurch, dass die Frage der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums und damit die bilanzielle Erfassung in hohem Maße davon abhängt, welches Lizenzmodell der Vereinbarung zugrunde gelegt wird. Hierbei kommen regelmäßig folgende Ausgestaltungen zum Tragen (vgl. Roos, StuB 2020, S. 103):

  • Kauflizenzen, bei denen eine unbefristete Softwarelizenz zur uneingeschränkten Softwarenutzung für einen fixen Kaufpreis erworben wird.
  • Mietlizenzen, bei denen laufende Zahlungen für die Softwarenutzung entrichtet werden und die mit einem kurzfristigen Kündigungsrecht ausgestattet sind.
  • Softwareleasing, bei dem feste Leasingzahlungen über eine feste Grundmietzeit entrichtet werden.

Ansatz der Software abhängig vom wirtschaftlichen Eigentum

Bei der zur Verfügung gestellten Anwendungssoftware handelt es sich i.d.R. um einen immateriellen Vermögensgegenstand, der gemäß § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB beim zivilrechtlichen Eigentümer zu bilanzieren ist. Fallen rechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander, ist der Vermögensgegenstand – vorbehaltlich etwaiger gesetzlicher Sonderregelungen – dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen. Im Zusammenhang mit den für Cloud-Lösungen charakteristischen Lizenzmodellen bietet DRS 24 Anhaltpunkte zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, die auf den jeweiligen Einzelfall anzuwenden sind. So kann nach DRS 24.65 bei Lizenzierung von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Softwarenutzer ausgegangen werden, wenn:

  • der Lizenznehmer ein exklusives Nutzungsrecht erhält, sodass der Lizenzgeber das Recht weder intern nutzen, noch gegenüber einem Dritten verwerten kann,
  • die Gegenleistung ist im Wesentlichen fix ist,
  • die Laufzeit der Lizenz unbegrenzt oder bei Lizenzen mit einer befristeten Laufzeit innerhalb der vereinbarten Laufzeit nicht jederzeit kündbar ist, und
  • der Lizenzgeber keine weiteren wesentlichen Leistungen erbringen muss.

Vor diesem Hintergrund ist die Software bei Vorliegen einer Kauflizenz regelmäßig im Anlagevermögen des Softwarenutzers zu bilanzieren, der sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer der Software wird. Allerdings ist hierbei darauf zu achten, dass der Cloud-Anbieter keine weiteren wesentlichen Leistungen zu erbringen hat (wie es z.B. bei Datenbanken hinsichtlich der Aktualisierung der Datenbestände der Fall wäre). 

Im Gegensatz dazu ist die zeitraumbezogene Softwarenutzung bei Mietlizenzen im Sinne eines schwebenden Geschäfts zu verstehen, welches grundsätzlich nicht in einem Bilanzansatz beim Softwarenutzer mündet. Sollten in diesem Fall jedoch Vorauszahlungen geleistet worden sein, ist hierfür ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Ähnlich ist beim Vorliegen eines Erfüllungsrückstands oder eines drohenden Verlusts eine entsprechende Rückstellung zu bilden. Wird die Anwendungssoftware dagegen als Softwarelease in die SaaS-Vereinbarung eingebunden, finden nach Deubert/Lewe regelmäßig die steuerlichen Leasingerlasse für Vollamortisationsverträge Anwendung (vgl. Deubert/Lewe, BB 2019, S. 813), so dass der Bilanzansatz von der Klassifizierung als operatives oder Finanzierungsleasing abhängt.

Besonderheiten bei der Behandlung von Customizing-Aufwendungen

Customizing im Softwarebereich bezeichnet alle Maßnahmen, die im Rahmen der Softwareeinführung zur Anpassung einer (Standard-)Software an die konkreten Anforderungen des Nutzers erfolgen – z.B. Konfiguration, Parametrisierung, Schnittstellenprogrammierung oder Systemtests. Customizing im engeren, bilanziellen Sinne ist auf die Herstellung der Betriebsbereitschaft der Software beschränkt, im weiteren Sinne werden meist auch notwendige Anpassungen betrieblicher Strukturen und Prozesse zur Softwarenutzung miterfasst.

Wurde die zugrunde liegende Software beim Nutzer aktiviert, sind die der Software direkt zurechenbaren Customizing-Aufwendungen als Anschaffungsnebenkosten zu bilanzieren, da sie der Versetzung der Software in einen betriebsbereiten Zustand dienen. Wurde hingegen bereits die Software nicht aktiviert, können mangels zu bilanzierendem Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang auch die Customizing-Aufwendungen nicht als Bestandteil deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert werden. Allerdings wird hierzu in der Praxis – bei Vorliegen der grundsätzlichen Vermögensgegenstandseigenschaften – die Möglichkeit einer Aktivierung als eigenständiger immaterieller Vermögensgegenstand vertreten. Hierfür wird in der Literatur teilweise ein Analogieschluss zu Mietereinbauten bei Gebäuden gezogen (vgl. Deubert/Lewe, BB 2019, S. 814; Roos, StuB 2020, S. 105; a.A. Oser/Gerlach, StuB 2020, S. 263).

Nicht aktivierbare Aufwendungen

Keine Aktivierung im Zusammenhang mit der bereitgestellten Software erfolgt für etwaige Vorkosten, die vor der endgültigen Kaufentscheidung angefallen sind (vgl. gem. IDW RS HFA 11.25 ff. z.B. Aufwendungen für allg. Organisationsberatung, Prozessanalyse/-optimierung, Grobkonzeption). Aber auch Aufwendungen für Anwender- und Administratorenschulungen, eine Datenübernahme bzw. -migration vom Alt- in das Nachfolgesystem oder etwaiger Wartungsaufwand dürfen regelmäßig nicht aktiviert werden (vgl. so auch steuerrechtlich zur ERP-Software BMF vom 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05).

Zum Schluss | Mangels konkreter Vorgaben zur bilanziellen Behandlung von SaaS-Vereinbarungen besteht in der Anwendungspraxis ein hohes Maß an Unsicherheit. Der Softwarenutzer bleibt dabei auf Analogieschlüsse oder eigene Auslegungen bestehender Regelungen angewiesen. Dies stellt zwar einerseits vor dem Hintergrund der möglicherweise fehlerhaften Abbildung und der regelmäßig vorzunehmenden Prüfung der Rechnungslegung durch den Abschlussprüfer ein Risiko dar, andererseits eröffnen die spärlichen Vorgaben dem Bilanzierenden in nicht unerheblichem Maße Möglichkeiten zur zielorientierten Gestaltung von Verträgen und in der Folge abschlusspolitische Spielräume bei der Abbildung der Sachverhalte.

In jedem Fall ist es für das bilanzierende Unternehmen unabdingbar, sich detailliert mit den vertraglichen Vorgaben der Vereinbarungen auseinanderzusetzen und auch den zurechenbaren Leistungsumfang an Eigen- sowie Fremdleistungen kostenseitig zu erfassen, zuzuordnen und zu dokumentieren.