Global Mergers & Transactions Unternehmenskauf
Florian Bauer

Der Einfluss des regionalen Kontexts auf das Akquisitionsverhalten von Unternehmen

Mergers und Akquisitionen (M&A) stellen seit über 100 Jahren ein zentrales Element der Strategieumsetzung von Unternehmen dar. Trotz dieser langen Vergangenheit muss festgehalten werden, dass der Markt für Unternehmensübernahmen bis zur vierten M&A-Welle überwiegend von US-Unternehmen mit inländischen Transaktionen dominiert wurde und erst dann Europa und Japan zu bedeutenden Spielern am Markt für Unternehmensübernahmen wurden. Mit dem Aufstieg der Schwellenländer kamen in den letzten beiden Dekaden weitere Asiatische und Südamerikanische Käufer- und Zielländer hinzu.

Gerade der Zugang zu neuen geographischen Märkten oder Technologien, aber auch vorteilhafte Umfeldbedingungen wie niedrige Lohnkosten oder Zugang zu natürlichen Ressourcen, motivieren Unternehmen, grenzüberschreitend aktiv zu werden. Dies wird ebenfalls evident durch die stetig steigende Anzahl an grenzüberschreitenden Transaktionen. In den meisten Fällen geht die Transaktionsrichtung von entwickelten Ländern in Schwellenländer, allerdings zeigen einige prominente Beispiele wie Midea (China) und Kuka, Sany und Putzmeister oder Geely und Volvo, dass auch die andere Richtung durchaus üblich ist.

Bedeutung des Kontexts

In der Forschung spielen internationale bzw. grenzüberschreitende Transaktionen schon seit längerem eine wichtige Rolle. So wurden beispielsweise kulturelle oder auch institutionelle Unterschiede zwischen Käufer- und Zielland Gegenstand zahlreicher empirischer Untersuchungen. Auf aggregierter Ebene zeigt sich, dass grenzüberschreitende Transaktionen aufgrund der kontextspezifischen Komplexität oftmals riskanter als inländische sind. Dennoch lässt sich schlussfolgern, dass der Wissenstand bei internationalen bzw. grenzüberschreitenden Transaktionen ähnlich wie in der M&A-Forschung im allgemeinen noch recht fragmentiert ist. Bei einer näheren Betrachtung der wissenschaftlichen strategischen und organisationalen Literatur lassen sich zwei dominante Muster identifizieren, welche den erforderlichen Erkenntnisgewinn begrenzen könnten.

Zum einen dominieren Untersuchungen mit Käuferunternehmen aus den USA bzw. (etwas abgeschlagen) Europa immer noch die Forschungslandschaft, sodass beispielsweise über asiatische, südamerikanische oder afrikanische Käufer- und Zielunternehmen bzw. deren Kaufverhalten nur wenig bekannt ist. Aus forschungspragmatischer Sicht ist dies jedoch nicht verwunderlich, da der Zugang zu Daten in diesen Regionen recht schwer ist. Zum anderen fokussiert sich die Forschung im Wesentlichen auf Distanzmaße, also z.B. auf kulturelle oder institutionelle Unterschiede zwischen Käufer- und Zielland. Dieses Vorgehen lässt jedoch den lokalen Kontext, in dem Unternehmen operieren und aus dem heraus sie expandieren, weitestgehend außer Acht. Dabei muss gerade dem Kontext, in dem Unternehmen tätig sind, eine entscheidende Bedeutung für deren Verhalten beigemessen werden. Insgesamt besteht also das Risiko, dass die Forschung wichtige Faktoren außer Acht lässt. Dass die Praxis diese Fragen als kritisch für ihren Erfolg erkannt hat wird z.B. durch das breite Angebot an und die Nachfrage nach interkulturellen Trainings für Manager deutlich.

Hinweis | Insgesamt sollte ein besseres Verständnis für Berater sowie Managementteams im internationalen Umfeld von großem Interesse sein.

Untersuchungen aus Forschungsarbeiten im internationalen Management zeigen, dass das institutionelle Umfeld mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, aber auch das kulturelle und Branchenumfeld eine entscheidende Rolle spielen. So kommen beispielsweise in kollektivistisch orientierten Kulturen Entscheidungen gänzlich anders zustande als in individualistisch geprägten Kulturen wie den USA. So kann festgehalten werden, dass der Kontext entscheidend für das Verhalten von Unternehmen und damit auch für das Akquisitionsverhalten ist.

Untersuchungsdesign

Um herauszufinden, wie sich der Kontext auf das Akquisitionsverhalten von Unternehmen auswirkt und hinsichtlich welcher Bereiche signifikante Unterschiede bestehen, haben wir in den Jahren 2015 und 2016 gemeinsam mit der Florida State University, der Stockholm University, der University of Science and Technology of China und der University of Haifa eine breit angelegte Primärdatenerhebung im deutschsprachigen Raum (DACH), Skandinavien (mit Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark), China und Israel durchgeführt.

Insgesamt konnte ein Rücklauf von 327 Unternehmen, die mindestens eine Akquisition im Zeitraum 2010 bis 2014 durchgeführt haben, erzielt werden. Die Rückläufe verteilen sich folgendermaßen auf die unterschiedlichen Regionen bzw. Länder: DACH: 111, Skandinavien: 92, China: 108, Israel: 16. Vor der Datenauswertung wurden diese auf externe und interne Validität getestet. Die Testergebnisse bescheinigen eine gute Qualität der Datengrundlage.

Zentrale Unterschiede im Akquisitionsverhalten

Unsere Daten zeigen signifikante Unterschiede hinsichtlich der Formulierung von Akquisitionsstrategien. So weisen Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum und aus China klar formulierte Akquisitionsstrategien auf, wohingegen bei skandinavischen und israelischen Unternehmen sich ein überwiegend opportunistisches Vorgehen beobachten lässt. Interessanterweise ist dieser Unterschied unabhängig von der Unternehmensgröße.

Ein möglicher Erklärungsansatz kann in den kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern gefunden werden. Tatsächlich ist die DACH Region China sehr ähnlich hinsichtlich der langfristigen Orientierung, welche in Skandinavien und Israel deutlich schwächer ausgeprägt ist (nach Geert Hofstede’s Ländervergleich erreichen China und Deutschland Werte von 87 bzw. 83, Schweden und Israel hingegen 53 und 38). Langfristig orientierte Kulturen versuchen Veränderungen und zukünftige Herausforderungen zu antizipieren und sich proaktiv darauf vorzubereiten, was an den formulierten Akquisitionsstrategien deutlich wird.

Auch wenn die untersuchten Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum und Israel im Durchschnitt etwas mehr Akquisitionen als die skandinavischen und chinesischen Unternehmen durchgeführt haben, sind vor allem chinesische Unternehmen stark bemüht, ihre Akquisitionserfahrungen in Form von Checklisten und Prozessanleitungen zu verschriftlichen, ein Vorgehen, welches bei israelischen bzw. Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum nur moderat vorhanden und bei skandinavischen Unternehmen eher unüblich ist. Skandinavische und israelische Unternehmen setzen vor allem auf implizites, also an Personen gebundene Erfahrungen. Dieses Ergebnis lässt sich erneut mit Ergebnissen des Ländervergleichs von Hofstede erklären. So weist China im Gegensatz zu den anderen Ländern eine stark kollektivistisch ausgeprägte Kultur (Individualismus-Wert ist 20 im Vergleich zu 54 bis 71 bei den anderen Ländern) mit einer hohen „Power Distance“ (Wert ist 80 im Vergleich zu Werten von 13 bis 35 bei den anderen Ländern) auf.

Beachte | Diese kulturellen Unterschiede spiegeln sich folglich auch im unterschiedlichen Bemühen, Wissen von einzelnen Personen zu externalisieren und zu organisationellem Wissen umzuwandeln wider.

Diese Ergebnisse lassen bereits vermuten, dass es auch hinsichtlich der Zuständigkeiten von Akquisitionsprozessen signifikante Unterschiede gibt. Diese zeichnen sich als eine Folge des komplexen Zusammenspiels von mehreren kulturellen Faktoren ab. So liegt die M&A-Verantwortung in chinesischen Unternehmen beim Top-Management und einer eigenen M&A-Abteilung. Darüber hinaus werden oftmals externe Unternehmensberater hinzugezogen. Im deutschsprachigen Raum und in Israel liegen die Verantwortlichketen für die Umsetzung üblicherweise in den einzelnen Funktionsbereichen. Bei skandinavischen Unternehmen zeichnet sich im Gegensatz zu den anderen Ländern kein eindeutiges Muster ab, lediglich die Top-Management Verantwortlichkeit spiegelt den oben beschriebenen opportunistischen Ansatz wider. Auch diese Unterschiede können durch die kulturellen Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten erklärt werden. So wird die Verantwortung für eine Akquisition in individualistisch geprägten Kulturen eher einzelnen Funktionen übertragen, wohingegen bei Kulturen mit einer hohen „Power Distance“ Aufgaben eher zentralisiert werden.

Neben den beschriebenen Unterschieden zeigen sich auch signifikante Unterschiede hinsichtlich der Integrationsplanung und -umsetzung, des angestrebten Integrationsgrades und der Integrationsgeschwindigkeit. Interessanterweise weisen die Unternehmen aus den unterschiedlichen Regionen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Erfolgsbeurteilung von Akquisitionen auf. Unsere Studienergebnisse hinsichtlich des Akquisitionserfolgs decken sich mit zahlreichen weiteren Untersuchungen und die Misserfolgsrate liegt in allen untersuchten Regionen bei ca. 50%. Die entscheidende Frage ist nun, was Top-Performer anders machen.

Unterschiedliche Wege zum Erfolg – Was Top-Performer anders machen

Auch wenn sich die Unternehmen aus den unterschiedlichen Regionen im Durchschnitt nicht hinsichtlich des Akquisitionserfolges unterscheiden, so zeigen unsere Daten doch sehr deutlich, dass der Erfolg unterschiedlich erzielt wird. Es zeigt sich beispielsweise, dass Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum und aus Israel im Wesentlichen über gestiegene Innovationsleistungen Akquisitionserfolge generieren, wohingegen chinesische Unternehmen stark auf Effizienzsteigerungen setzen, um Akquisitionen erfolgreich abzuschließen. Es zeigt sich beispielsweise auch, dass chinesische Unternehmen intensiv finanzielle Ziele verfolgen, wohingegen die Akquisitionsziele der anderen Länder eher strategischer Natur sind. Beide Erfolgshebel, also entweder eine Steigerung der Innovationsleistung oder Effizienzsteigerungen erfordern unterschiedliche Integrationsmaßnahmen, bei denen wieder kontextspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden sollten.

Fazit | Bei grenzüberschreitenden und internationalen M&A spielen Unterschiede zwischen Käuferland und Zielland eine bedeutende Rolle. Allerdings sollten neben den reinen Unterschieden bzw. Distanzen auch die absoluten Werte und Eigenschaften der beteiligten Länder in Betracht gezogen werden. Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass es kein global-homogenes Akquisitionsverhalten gibt, vielmehr ist es der regionale Kontext, der das Akquisitionsverhalten der Unternehmen determiniert. Für Berater sowie für Manager von Käufer- und Zielunternehmen ist es daher von besonderer Bedeutung, sich auf unterschiedlichste Kontexte und Verhaltensweisen einzustellen und vorzubereiten. Darüber hinaus ist stets zu berücksichtigen, dass das, was zum Erfolg führt, nicht zwangsweise das Gegenteil von dem ist, was zu Misserfolgen führt.

Professor David R. King is Associate Professor of Management at Florida State University and Svante Schriber, PhD., is Assistant Professor at Stockholm University School of Business.