European Tax Jurisdiction Mehrwertsteuer
Hans-Hermann Heidner

Steuerentstehung bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen

Der BFH hat im Folgeurteil zum EuGH-Urteil baumgarten sports & more vom 29.11.2018 C-548/17 entschieden, dass sich Unternehmer bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSys-tRL berufen können, weil § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG weder unionsrechtskonform noch entsprechend Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL richtlinienkonform auslegbar ist. Für die Anwendung des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL genügt dabei, dass eine Vermittlungsleistung nach der Dauerhaftigkeit des vermittelten Erfolges vergütet wird.

Sachverhalt

Die Klägerin war im Streitjahr 2012 als Spielervermittlerin im bezahlten Fußball tätig. Sie versteuerte ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG. Im Rahmen ihrer Tätigkeit erhielt sie bei erfolgreicher Vermittlung von Profifußballspielern Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieb und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilte. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Bestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen.

Der von der Klägerin für den Spieler A vermittelte Arbeitsvertrag hatte eine Laufzeit von drei Jahren über drei Spielzeiten. Für jede Spielzeit war ein „festes Honorar“ zu zwei Terminen, jeweils zum 1. September und zum 1. März einer Spielzeit zu zahlen. Voraussetzung für den Vergütungsanspruch war, dass zum jeweiligen Zeitpunkt der Lizenzspielervertrag unverändert fortbestand. Ähnliche Vergütungsbedingungen bestanden in Bezug auf die Vermittlung weiterer Spieler.

Das FA ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Streitjahr erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits im Streitjahr zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für diese Vermittlungen vertragsgemäß erst in späteren Jahren beanspruchen konnte.

Im Revisionsverfahren hat der BFH mit Beschluss vom 21.06.2017 V R 51/16, BFHE 258, 505 den EuGH um Vorabentscheidung zur Klärung folgender Fragen zur Auslegung der MwStSystRL ersucht:

  1. Ist Artikel 63 MwStSystRL unter Berücksichtigung der dem Steuerpflichtigen zukommenden Aufgabe als Steuereinnehmer für den Fiskus einschränkend dahingehend auszulegen, dass der für die Leistung zu vereinnahmende Betrag
    a) fällig ist oder
    b) zumindest unbedingt geschuldet wird?
  2. Bei Verneinung der ersten Frage: Ist der Steuerpflichtige verpflichtet, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann?
  3. Bei Bejahung der zweiten Frage: Sind die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der ihnen nach Artikel 90 Absatz 2 MwStSystRL zustehenden Befugnisse berechtigt, bereits für den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung von einer Berichtigung nach Artikel 90 Absatz 1 MwStSystRL auszugehen, wenn der Steuerpflichtige den zu vereinnahmenden Betrag mangels Fälligkeit erst zwei Jahre nach Eintritt des Steuertatbestands vereinnahmen kann?

Hierauf hat der EuGH mit Urteil baumgarten sports & more vom 29.11.2018 C-548/17 wie folgt geantwortet:

Art. 63 in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG ist dahin auszulegen, dass er der Annahme entgegensteht, dass der Steuertatbestand und der Steueranspruch bezüglich einer von einem Vermittler erbrachten Dienstleistung der Vermittlung von Profifußballspielern wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die Gegenstand von unter einer Bedingung stehenden Ratenzahlungen über mehrere Jahre nach der Vermittlung ist, im Zeitpunkt der Vermittlung eintreten.

Steuerentstehung bei Dienstleistungen, die zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben

Für die zahlungs- und damit vereinnahmungsbezogene Steuerentstehung nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL kommt es anders als bei Teilleistungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG nicht auf eine wirtschaftlich teilbare Leistung an. Ausreichend ist es nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL, dass Dienstleistungen zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben.

Dabei ist nicht erforderlich, dass –wie bei einer Nutzungsüberlassung– eine zeitraumbezogene Leistungshandlung vorliegt. Auch Vermittlungsleistungen, die sich nach der Leistungshandlung auf die Vermittlung des Eintritts eines bestimmten Ereignisses beschränken, fallen unter Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Für die Anwendung dieser Bestimmung genügt, dass eine Vermittlungsleistung nach der Dauerhaftigkeit des vermittelten Erfolges vergütet wird.

Bedeutung für die Praxis | Das Urteil sollte hinsichtlich seiner Tragweite für den Fortbestand der Sollbesteuerung nicht überbewertet werden. Denn zum einen kann man aus dem Begriff der „aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen“ kaum Schlussfolgerungen für eine einzelne, in einen anderen Besteuerungszeitraum als den der Leistung fallende, Zahlung herleiten. Zum anderen ist Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL wohl nicht dahin zu verstehen, dass eine Leistung immer dann schon zu aufeinander folgenden Zahlungen Anlass gibt, wenn tatsächlich aufeinander folgende Zahlungen erfolgen.

Das lässt sich auch dem BFH-Urteil entnehmen, denn wenn es für die Anwendung von Art. 64 MwStSystRL genügt, „dass eine Vermittlungsleistung nach der Dauerhaftigkeit des vermittelten Erfolges vergütet wird“, dann muss die Leistung über die bloße Leistungserbringung hinaus zu einem dauerhaften Erfolg führen, auf den sich die (aufeinanderfolgende) Vergütung gerade auch bezieht. Im Entscheidungsfall war dieser Erfolg das Fortbestehen des vermittelten Spielervertrages als Voraussetzung für die Fälligkeit des ratenweisen Vergütungsanspruchs in den Folgejahren.