Global Mergers & Transactions Unternehmenskauf
Gerd Waschbusch

Die Commercial Due Diligence im Rahmen von Unternehmenstransaktionen

„Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts“ (Münstermann, Wert und Bewertung von Unternehmen, 1966, S. 21). Dieser goldene Grundsatz der Wirtschaftswissenschaft geht ursprünglich auf den Begründer der heutigen Betriebswirtschaftslehre, Eugen Schmalenbach, zurück (Schmalenbach, ZfhF 1917/1918, S. 11) und stellt seit nunmehr einem Jahrhundert einen methodologischen Grundpfeiler der betriebswirtschaftlichen Forschung dar. Auch im Kontext von Unternehmenstransaktionen behält diese Prämisse uneingeschränkte Gültigkeit: Nur der Blick in die Zukunft ermöglicht es, den Wert eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils korrekt zu taxieren und determiniert somit maßgeblich das Zustandekommen und die Konditionen einer Unternehmenstransaktion. Diesen Ausblick in die Zukunft leistet im Kontext der Due Diligence-Untersuchung eines Unternehmens die sogenannte Commercial Due Diligence.

Definition und Ziele der Due Diligence

Generell ist im Kontext von Unternehmenstransaktionen unter einer Due Diligence eine sorgfältige, detaillierte und systematische Erhebung, Analyse sowie Bewertung aller relevanten Informationen des zu betrachtenden Unternehmens oder Unternehmensteils zu verstehen (Waschbusch/Staub/Knoll, StB 2010, S. 78). Diese gründliche Untersuchung des Transaktionsobjekts bezieht neben betriebswirtschaftlichen Aspekten insbesondere auch rechtliche sowie steuerliche Gesichtspunkte mit ein und berücksichtigt gleichsam sowohl monetäre Faktoren (z. B. Substanz, Ertrag und Umsatz) als auch nicht monetäre Faktoren (wie beispielsweise strategische Positionierung des Unternehmens, personelle und sachliche Ressourcen sowie Organisation).

Das Ziel der Prüfung ist es, ein zutreffendes Gesamtbild von den Stärken und Schwächen des Unternehmens sowie den Chancen und Risiken des Unternehmensumfelds zu vermitteln und die zwischen den Parteien – im Normalfall zu Lasten des Käufers – bestehenden Informationsasymmetrien zu reduzieren (Pomp, Praxishandbuch Financial Due Diligence, 2015, S. 9).

Beachte | Zwar bezieht sich die Due Diligence beim Unternehmenskauf vorrangig auf die Untersuchung des Zielunternehmens durch den Kaufinteressenten, da sich dieser ein Bild des zu erwerbenden Unternehmens machen möchte; es kommt aber abseits des Normalfalls der käuferseitigen Due Diligence auch vereinzelt zur Durchführung ebenjener von Seiten des Verkäufers. Zielsetzungen der verkäuferseitigen Due Diligence sind insbesondere die frühzeitige Problemerkennung zur Wahrung der Möglichkeiten von Kommunikations- und Gegenmaßnahmen sowie eine nachvollziehbare Dokumentation der verkäuferseitigen Entscheidungsprozesse (Andreas/Beisel, Beck’sches Mandatshandbuch: Due Diligence, 2017, S. 25 f.).

Financial und Commercial Due Diligence

Neben den Due Diligence-Teilbereichen Tax und Legal, welche die steuerliche Situation respektive die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen und die vertraglichen Verhältnisse des Zielunternehmens analysieren, kommen insbesondere der Financial Due Diligence und der Commercial bzw. Market Due Diligence hohe Bedeutung in der Transaktionspraxis zu (Knauer/Hermann/Wagener, WPg 2017, S. 1278).

Die Financial Due Diligence analysiert die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens anhand der Jahresabschlüsse der letzten Jahre und validiert somit die zukünftige Geschäftsplanung hinsichtlich der Konsistenz der Planzahlen. Es handelt sich hierbei in erster Linie um eine technische Analyse, die versucht, mittels vergangenheitsbezogener Finanzkennzahlen Umsatz- und Wachstumsraten und damit die Prognosegüte der Unternehmensplanung hinsichtlich der zukünftigen Ertragskraft des Unternehmens aus finanzieller Perspektive zu quantifizieren (Niederdrenk, Commercial Due Diligence, 2017, S. 104).

In enger Verbindung zu diesem Due Diligence-Teilbereich steht die Commercial Due Diligence. Hierunter ist die umfassende Prüfung des zum Verkauf stehenden Unternehmens oder Unternehmensteils aus Markt-, Kunden- und Wettbewerbssicht zu verstehen. Ihr Ziel besteht darin, die Geschäftsplanung des zur Übernahme anstehenden Unternehmens oder Unternehmensteils vor dem Hintergrund möglicher Einflüsse der Unternehmensumgebung quantitativ und qualitativ zu validieren (Niederdrenk/Müller, Commercial Due Diligence, 2010, S. 17). Hierzu ist die umfassende Analyse der Nachhaltigkeit des jetzigen und künftigen Geschäftsmodells der Gesellschaft ebenso wesentlich wie die Analyse des Marktumfelds, des Verhaltens der Kunden und der Positionierung des Unternehmens im Wettbewerbsumfeld.

Während die Financial Due Diligence also eher quantitativ die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage – also das Unternehmen selbst – analysiert, bezieht die Commercial Due Diligence über das Unternehmen selbst auch das Unternehmensumfeld und dessen mögliche Entwicklungen in den Validierungsprozess der Geschäftsplanung mit ein. Die Kombination aus Financial und Commercial Due Diligence vermag es daher, die prog-nostizierten Kennzahlen auf eine belastbare Basis zu stellen. Somit ergänzen sich die Komponenten gegenseitig zu einer plausiblen Zukunftsprognose (Niederdrenk/Müller, Commercial Due Diligence, 2010, S. 20). Da beide Due Diligence-Teilbereiche ähnliche Zielsetzungen verfolgen, bietet sich eine Kombination von Financial und Commercial Due Diligence und eine Ausführung durch ein gemeinsames Team in der Transaktionspraxis an (Vogt, DStR 2001, S. 2033).

Hinweis | Der Begriff Commercial Due Diligence wird in der wissenschaftlichen Literatur häufig – trotz sich bei der Betrachtung im Detail etwaig ergebender Unterschiede – synonym zu den Begriffen wirtschaftliche Due Diligence, Market Due Diligence, strategische Due Diligence oder betriebswirtschaftliche Due Diligence verwendet.

Wesentliche Elemente der Commercial Due Diligence

Die Ergebnisse der Commercial Due Diligence beruhen in der Regel auf der Durchführung und Auswertung verschiedener betriebswirtschaftlicher Analysen. Insbesondere die Unternehmensanalyse, die Marktanalyse und die Wettbewerbsanalyse sind hierbei von besonderer Bedeutung.

Im Rahmen der Unternehmensanalyse steht das Geschäftsmodell im Sinne der zugrundeliegenden Gewinnerzielungslogik des Unternehmens im Fokus der Betrachtung. Dieses gilt es zu beschreiben und hinsichtlich des Nutzens für die derzeitigen und potenziellen Kunden, der Schnittstelle zu diesen Kunden, der Wertschöpfungskette und der Determinanten der Gewinnerzielung des Zielunternehmens zu bewerten. Auch die Untersuchung der finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der Wachstumsstrategien und -potenziale des Unternehmens erfolgt in diesem Analyseschritt (Niederdrenk/Müller, Commercial Due Diligence, 2010, S. 41 f.). Das Ergebnis dieser ersten Phase der Commercial Due Diligence ist ein umfassendes Profil der Gesellschaft. Aus diesem geht hervor, inwiefern das zugrundeliegende Geschäftsmodell erfolgversprechend ist, ob das Unternehmen grundsätzlich profitabel wirtschaftet und ob es langfristig Potenzial für stabiles und nachhaltiges Wachstum in sich birgt (Mayer/Reinartz, Unternehmeredition 2009, S. 50).

Beachte | Diese Einschätzungen sind wesentlich für das Zustandekommen von konkreten Verhandlungen im Rahmen der Unternehmenstransaktion und bestimmen maßgeblich den späteren Kaufpreis.

Ein weiterer zentraler Gegenstand der Due Diligence ist die Marktanalyse. Ziel der Marktanalyse ist es zu ermitteln, inwiefern und in welchem Umfang die Märkte oder Marktsegmente, in welchen das Unternehmen tätig ist, Gewinn- oder Wachstumschancen bieten. Hierbei gilt es, zunächst im Rahmen der quantitativen Marktanalyse die relevanten Marktgrößen zu bestimmen. Insbesondere dem Marktanteil des Unternehmens, dem derzeitigen Marktvolumen, der Marktkapazität und dem Marktpotenzial kommen demnach besondere Bedeutung zu. Neben diesen quantitativen Marktdaten sind auch qualitative Marktinformationen zu erheben. Insbesondere sind die Markttreiber im Sinne aller Faktoren, die das Wachstum des Gesamtmarktes oder einzelner Marktsegmente beeinflussen, zu bestimmen und hinsichtlich ihrer Entwicklung zu bewerten. Ein besonderer Fokus liegt hierbei vor allem auch auf dem Verhalten und den Kaufentscheidungskriterien der Kunden. Letztlich ermöglicht die Marktanalyse somit die Bewertung des Unternehmens aus Abnehmersicht ebenso wie die Bestimmung des Wachstumspotenzials des Zielunternehmens.

In einem weiteren zentralen Baustein der Commercial Due Diligence, der Wettbewerbsanalyse, wird die Struktur des Wettbewerbs durchleuchtet. Hierzu wird analysiert, wer die Wettbewerber im jeweiligen Marktsegment sind, wie hoch ihr jeweiliger Anteil am Gesamtmarkt ist und wie sich die Marktanteile in der Vergangenheit entwickelt haben. Ferner werden die Wettbewerbsintensität, das Bestehen von Markteintrittsbarrieren und die Positionierung und Strategie der Wettbewerber untersucht. Auch die Beurteilung von Wettbewerbsvor- respektive -nachteilen erfolgt in diesem Zusammenhang (Pomp, Praxishandbuch Financial Due Diligence, 2015, S. 34). Im Ergebnis lässt sich somit die derzeitige und zukünftige Wettbewerbssituation und darauf aufbauend das Gewinnpotenzial des Zielunternehmens evaluieren.

Fazit | Bei einer bedeutungsgerechten Durchführung erfolgt im Rahmen der Commercial Due Diligence eine Prüfung aller wesentlichen Bereiche, die den derzeitigen und zukünftigen Geschäftsverlauf des Unternehmens determinieren. Somit ergibt sich die Möglichkeit, die tatsächliche Stellung des Unternehmens im Marktgeflecht zutreffend herauszuarbeiten und fundierte Aussagen über die tatsächliche Werthaltigkeit des Unternehmens zu treffen. Die Commercial Due Diligence ist somit in der Lage, wesentliche Chancen und Risiken, die keinen Niederschlag in den Ergebnissen der Financial Due Diligence finden, umfassend bei der Zukunftsplanung (einschließlich der Prüfung ihrer Validität) zu berücksichtigen und somit die Transaktionsverhandlungen im Rahmen des Unternehmenskaufs erheblich zu beeinflussen.

Hannes Schuster, M. Sc. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.