Global Mergers & Transactions Strategisches Management
Thomas Hutzschenreuter

Grenzüberschreitende Unternehmensübernahmen und -beteiligungen

Die Bundesregierung hat im Dezember letzten Jahres die Außenwirtschaftsverordnung verschärft. Bislang war es bis zu einer Grenze unterhalb von 25% für einen Nicht-EU bzw. Nicht-EFTA Investor möglich, Beteiligungen an Unternehmen im für die Bundesrepublik sicherheitsrelevanten Bereich ohne Zustimmung des Bundeswirtschaftsministeriums einzugehen. Diese Beteiligungsgrenze von 25% wurde nun auf 10% gesenkt, was der Grenze entspricht, ab der man nach internationalen Standards die Motivation vermutet, einen kontrollierenden Einfluss auf ein Unternehmen in der Zukunft aufbauen zu wollen. Die Bundesregierung setzt damit ein wichtiges Signal, gerade auch im Hinblick auf chinesische Unternehmen, die sich in deutsche Unternehmen einkaufen möchten.

Staatskapitalistische Ziele der VR China

Mit Blick auf chinesische Investoren ist zu beachten, dass chinesische Investoren nicht ausschließlich einzelwirtschaftliche Interessen verfolgen, sondern im Zweifel in die Verfolgung staatskapitalistischer Ziele der VR China eingebunden werden können. Der Gründer des chinesischen Technologieunternehmens Huawei Ren Zhengfei hält entgehen: „Die Regierung hat uns nie gebeten, sie mit unzulässigen Informationen zu versorgen?“ Das mag durchaus für die Vergangenheit richtig sein. Gleichzeitig gilt, was der aktuelle Huawei-Chef Eric Xu laut Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. Januar 2019 sagt: „Wir sind nur ein Privatunternehmen. Doch natürlich sind wir im Zuständigkeitsbereich der Regierung“.

Die VR China verfolgt einen strategischen Plan unter dem Titel „Made in China 2025“. Hierbei geht es darum, Weltmarkt- und Technologieführerschaft in zehn Schlüsselindustrien bis zum Jahr 2025 und darüber hinaus zu erlangen. Unter diesen Industrien findet sich die Robotertechnik, Informations- und Kommunikationstechnologie und auch Anlagen für den Schienenverkehr. Die kürzlich realisierte Übernahme von Kuka durch das chinesische Unternehmen Midea sowie die Versuche chinesischer Investoren, sich am Stromnetzbetreiber 50Hertz bzw. Leifeld Metal Spinning AG zu beteiligen, gaben den Anlass über die Anpassung der Beteiligungsschwelle für den Zustimmungsvorbehalt neu nachzudenken.

Während das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung für Übernahmen von bzw. Beteiligungen an deutschen Unternehmen im Sinne der Sicherheitspolitik verfasst sind, hat eine Regulierung solcher Übernahmen und Beteiligungen immer auch industrie-und wettbewerbspolitischen Charakter. Die Übernahme von Kuka durch Midea ist bereits aus einzelwirtschaftlicher Sicht für Midea sehr attraktiv. Kuka ist führend für Industrieroboter. China ist der größte Markt hierfür.

Beachte | Gleichzeitig kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Übernahme von Kuka auch dazu dient, staatskapitalistische Interessen, z.B. im Rahmen des strategischen Plans „Made in China 2025“, zu verfolgen.

Industriepolitische Ziele festschreiben

Bislang ist davon abgesehen worden, industriepolitische Zielsetzungen mit den genannten Neuregelungen der Außenwirtschaftsverordnung zu verfolgen. Dies wäre beispielsweise möglich gewesen, hätte man den Kreis der Unternehmen, für die der Zustimmungsvorbehalt Anwendung findet, auf solche Unternehmen erweitert, die zwar nicht sicherheitsrelevant im engeren Sinne sind, jedoch eine hohe industriepolitische Bedeutung – wie beispielsweise Unternehmen im Bereich der Robotik – haben. Insofern stellt sich die Frage, ob es wünschenswert wäre, auch industriepolitische Ziele festzuschreiben und mit entsprechenden Regelungen zu verfolgen.

Zwei bedeutende Aspekte sind hiermit eng verknüpft. Zum einen die Frage, ob auch bei der Prüfung von geplanten Zusammenschlüssen, wie beispielsweise dem von Siemens und Alstom im Bereich der Bahntechnik, neben wettbewerbspolitischen Aspekten auch industriepolitische Aspekte eine Rolle spielen sollten. Es geht bei der wettbewerbsrechtlichen Bewertung von Zusammenschlüssen immer um die Frage, für welchen Markt man den Zusammenschluss betrachtet und ob eine marktbeherrschende Stellung entsteht, die man gern verhindern möchte. Für den EU-Binnenmarkt vermutet die EU-Kommission bei Siemens/Alstom eine solche marktbeherrschende Stellung. Legt man den Weltmarkt zugrunde, kann davon keine Rede sein. Siemens/Alstom würden zusammen etwa halb so groß werden wie der chinesische Weltmarktführer CRRC.

Zum anderen, ob die Frage der Reziprozität von Regelungen über Beteiligungsmöglichkeiten sich stärker in entsprechenden Regelungen niederschlagen sollte. Chinesische Investoren genießen in Deutschland viel weitreichendere Beteiligungsmöglichkeiten als deutsche Investoren in China. Deutsche Investoren dürfen sich in der Regel mit maximal 50% an chinesischen Unternehmen beteiligen. Laut Bundesbank werden dagegen 139 deutsche Unternehmen durch chinesische Investoren kontrolliert. In diesem Zusammenhang besteht die berechtigte Sorge darin, dass es durch den Zugriff auf deutsche Technologieunternehmen zu einem Technologietransfer von Deutschland nach China kommt. Es gibt aus der Jahrtausende alten chinesischen Kriegskunst ein Strategem, eine Strategielist, die hierbei relevant ist. Die besagt: „Das Brennholz unter dem Kessel wegziehen“. Wir müssen deshalb aufpassen, dass uns unter dem Kessel unseres wirtschaftlichen Erfolgs und Wohlstands nicht das Brennholz der Technologieführerschaft weggezogen wird.

Zum Schluss | Deutschland ist schlicht zu klein, um seine Interessen mit Blick auf China wahren zu können. Die EU ist außerhalb von China der attraktivste Wirtschaftsraum für China. Deshalb gilt es, EU-europäisch abgestimmt die Interessen zu wahren. Die EU muss sich fragen, wie stark das Risiko ist, zum Sklaven ihrer wirtschaftlichen Freizügigkeit zu werden, bzw. inwieweit es noch besser möglich ist, das Ideal des freiheitlichen Wirtschaftssystems mit den geostrategischen Realitäten, in denen schwergewichtige Player eine abgestimmte Industriepolitik verfolgen, zu verknüpfen.