Global Mergers & Transactions Due Diligence
Friedrich Sommer

W&I-Versicherungen: Unbekanntes, aber lohnendes Instrument für den Deal-Abschluss?

Bei M&A-Transaktionen ist der Kaufpreis oft ein zentrales Kriterium. Dennoch bestimmen weitere Komponenten des Vertrags den wirtschaftlichen Wert der Transaktion entscheidend mit. Dies betrifft gerade Komponenten, die die Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer beeinflussen, wie Garantien und Freistellungen (Warranties and Indemnities, W&I). Diese schützen den Käufer vor Vermögensminderungen, indem sie Risiko auf den Verkäufer überwälzen. Im angelsächsischen Markt entwickelte sich deshalb die W&I-Versicherung als Instrument, mit dem der Verkäufer das Risiko seinerseits überwälzen konnte. Neben dieser sog. Verkäufer-Police (mit dem Verkäufer als Versicherungsnehmer) sind inzwischen Käufer-Policen üblich. Da W&I-Versicherungen auch in Kontinentaleuropa zunehmend Verbreitung finden, lohnt ein Blick auf die Funktionen, die Ausgestaltung und die Gründe für die Nutzung bzw. Nicht-Nutzung des Instruments.

Funktionen

W&I-Versicherungen verlagern das Risiko einer Garantiehaftung oder Freistellungsverpflichtung aus einem Unternehmenskaufvertrag auf den Versicherungsmarkt. Sie sind in aller Regel nicht Bestandteil des Unternehmenskaufvertrags, sondern in einem eigenständigen Vertrag geregelt, der direkt an den Unternehmenskaufvertrag anknüpft. Deshalb werden die Vertragsverhandlungen zur W&I-Police oft parallel zur Verhandlung des Unternehmenskaufvertrags geführt.

Der Abschluss von W&I-Versicherungen erfüllt im Wesentlichen vier Funktionen. (1) Die Versicherung kann helfen, Blockaden oder Pattsituationen in der Vertragsverhandlung aufzulösen („deal facilitation“). (2) Sie erleichtert die Durchsetzung von Ansprüchen, insbesondere bei der Insolvenz der Gegenpartei oder grenzüberschreitenden Transaktionen („reducing counterparty risk“). (3) Sie ermöglicht potenziellen Käufern eine Differenzierung von Konkurrenten im Bieterverfahren („deal differentiation“). (4) Sie ist verglichen mit herkömmlichen Sicherungsmechanismen wie Treuhandkonten („escrow accounts“) liquiditätsschonend.

Ausgestaltung

Inzwischen ist die Mehrheit der W&I-Versicherungen als Käufer-Police ausgestaltet, was auch durch die oben genannte Funktion (3) erklärt werden kann. Das Auftreten des Käufers als Versicherungsnehmer bedeutet aber nicht zwingend, dass dieser auch die Versicherungsprämie zahlt. Diese wird – im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Transaktion – teilweise auch vom Verkäufer gezahlt.

Neben der Abdeckung des gesamten Garantiekatalogs wird die Versicherung von inhaltlich definierten Einzelposten, etwa Steuer- und Rechtsrisiken, angeboten. Dies wird nicht zwingend als W&I-Versicherung bezeichnet, sondern bspw. als „Tax Opinion Liability“ oder „Litigation Insurance“. Häufig wird der Versicherungsschutz u. a. für Risiken aus unangemessen festgesetzten Transferpreisen oder aus der Unterdeckung von Pensionsrückstellungen ausgeschlossen.

Wenngleich die empirische Studienlage dünn ist, scheint sich das Bild zu verfestigen, dass die Versicherungsprämie in den letzten Jahren gesunken ist und bis zu 1,5% des Kaufpreises bei einer Haftungssumme von im Regelfall nicht mehr als 25% des Kaufpreises ausmacht. Standardisierte Verträge, ggf. mit einzelnen individuellen Anpassungen, scheinen im Gegensatz zu gänzlich individuellen Verträgen weiter verbreitet.

Die wenigen empirischen Studien legen nahe, dass in der letzten Dekade der Anteil der europäischen Transaktionen mit einer solchen Versicherung von gut 10% auf knapp 20% gestiegen ist.

Gründe für Nutzung bzw. Nicht-Nutzung

Als Hauptgrund für den Verzicht auf eine W&I-Versicherung zeigt sich empirisch die Unkenntnis des Produkts (Sommer/Winter/Knauer, Corporate Finance, 2019). Als weitere Gründe werden ein zu niedriger Transaktionswert (oftmals werden 50 oder 100 Mio. € als sinnvolle Schwelle angeführt) und zu hohe Kosten genannt sowie dass die Versicherung aufgrund geringer Informationsasymmetrien nicht sinnvoll sei bzw. wesentliche Risiken nicht versichert werden könnten.

Die erleichterte Durchsetzung von Ansprüchen dominiert die Gründe für den Abschluss einer W&I-Versicherung, wobei die finanziellen Verhältnisse der Gegenpartei besonders relevant sind. Weitere korrespondierende Gründe umfassen die Anzahl der Eigentümer des Transaktionsobjekts, die persönlichen Erfahrungen mit der Gegenpartei und die Ernsthaftigkeit der Verkaufs- bzw. Kaufabsicht.

Fazit | W&I-Versicherungen gewinnnen insbesondere als Käuferpolicen an Bedeutung, wenngleich sie aktuell erst bei rund einem Fünftel der Transaktionen – vor allem wegen der Unkenntnis des Produkts – genutzt werden. Sie erscheinen besonders sinnvoll, wenn nach einer Due Diligence relevante Informationsasymmetrien verbleiben, der Garantiekatalog für eine Seite ohne Versicherung unzumutbar erscheint und Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Ansprüche bestehen. Gerade (aber nicht nur) in diesen Situationen können sie zum Gelingen der Transaktion und einem erfolgreichen Closing beitragen.