Entwicklung der Währungsunion – Was sind die Alternativen zu Macron und Juncker?
– Zum Professorenaufruf gegen eine Haftungsunion –
Erst verleihen wir den Karlspreis an den französischen Präsidenten Macron zu Vorschlägen für ein zentralistisches, bürokratisches Europa, lassen uns dann als Haushaltsfetischisten beschimpfen und geben dafür noch Standing Ovations. Dies ist die Konsequenz einer deutschen Regierung, die kein eigenes Zukunftskonzept für Europa hat.
Zwei Vorschläge zur EU-Reform sind Grundlage der Diskussion
Macron wirbt für eine Stärkung der Eurozone durch eine Wirtschaftsregierung mit einem Euro-Finanzminister und einem eigenen Eurozonen-Budget. Eine Harmonisierungsstrategie gemäß dem Motto ‚convergence statt concurrence‘ soll EU-weit gleiche Arbeitsbedingungen herstellen – und damit Wettbewerbsvorteile aufstrebender EU-Mitgliedstaaten beseitigen.
Das ‚Sankt Nikolaus-Paket‘ von EU-Kommissionschef Juncker vom 6. Dezember enthält einen EU-Finanzminister, der – vom EU-Parlament kontrolliert – als zentrales Haushaltsinstrument einen Europäischen Währungsfonds (EWF) zur Hand haben soll. Der EWF soll neben Notfallhilfen auch eine Ausfallsicherung für den unterausgestatteten Bankensicherungsfonds übernehmen. Mit zusätzlichen Mitteln könnten weitere Fonds entstehen, bspw. ein ‚Stabilisierungsfonds‘ für konjunkturelle Krisen. Das nationale Haushaltsrecht kann bei eilbedürftigen Entscheidungen außer Kraft gesetzt werden – die Durchgriff der Gemeinschaftsebene würde Realität.
Drei Konfliktlinien treten zu Tage
Beide Vorschläge offenbaren drei Konfliktlinien, die das ge-samte Institutionengefüge der EU prägen: Erstens geht es um eine Verschiebung von Macht und Einfluss von den Staaten und dem Europäischen Rat hin zur EU-Kommission und dem EU-Parlament; zweitens steht eine Regelbindung zugunsten einer Politisierung infrage; drittens wird das Prinzip‚ bündische Notstandskredite gegen konditionierte Auflagen‘ zugunsten von Transferleistungen ausgehöhlt.
Die Pläne stellen die Wirtschaftsverfassung des Lissabon-Vertrages auf den Kopf. Integration ist keinesfalls nur durch Harmonisierung ‚von oben‘, durch Haftungsvergemeinschaftung und zentralistische Umverteilung möglich. Innovative Vorstöße, nationale Experimente und die Nutzung komparativer Vorteile werden so unmöglich, Fehlanreize durch Kostenabwälzung falscher Politiken gefördert.
Integration durch Binnenmarkt-Wettbewerb und Subsidiarität
Hiergegen wendet sich der von 154 Wirtschaftsprofessoren getragene Aufruf „Der Euro darf nicht in die Haftungsunion führen“. Und es bleibt keineswegs nur bei einer Kritik ohne Gegenvorschläge.
Stattdessen steht das Manifest für eine Integration ‚von unten‘ durch Binnenmarkt-Wettbewerb und Subsidiarität, verknüpft mit der Verantwortung für das eigene Handeln. Deshalb gilt es, „Strukturreformen voranzubringen, statt neue Kreditlinien und Anreize für wirtschaftliches Fehlverhalten zu schaffen“. Dies schließt ein gemeinsames Handeln und die Finanzierung bei öffentlichen Gütern wie Grundlagenforschung, den Ausbau transeuropäischer Strom- und digitaler Netze, den Bildungsaustausch, Verteidigung, die Sicherung der Außengrenzen und Flüchtlinge mit ein.
Im Bereich Steuern oder Verbrechensbekämpfung bietet die ‚verstärkte Zusammenarbeit‘ ein Verfahren, mit dem EU-Staaten eine erweiterte Integration innerhalb der EU-Strukturen vereinbaren können. Zum Schutz der nationalen Systeme und der EU vor sog. Teufelskreisen werden Brandschutzmauern vorgeschlagen. So wird eine angemessene Risikovorsorge der Banken bei Staatsanleihen gefordert, um einer Kopplung von Staats- und Bankeninsolvenzen entgegen zu wirken.
Beachte | Das TARGET-System wird von den Krisenstaaten und deren Banken als Notkreditsystem missbraucht.
Derzeit hat Deutschland zinslose TARGET-Forderungen an das Eurosystem von 924 Milliarden Euro, was den Verbindlichkeiten Portugals, Spaniens und Italiens von zusammen etwa 907 Mrd. Euro entspricht. Diese müssten regelmäßig beglichen werden, sollen sie bei Zahlungsausfall nicht verloren sein. Wie das bereits jetzt mit knapp 300 Mrd. Euro an verlorenen Schuldenerleichterungen keinesfalls gerettete Griechenland zeigt, ist auch ein rechtzeitig in Gang gesetztes, geordnetes Austrittsverfahren aus dem Euro notwendig.
Ausblick | Die skizierten Vorschläge wären alles wichtige Voraussetzungen für eine „europäische Initiative“ (Hüther, IW). Sonst kann – wie bei der Größe Italiens – ein chaotischer Zusammenbruch der Währungsunion das bislang – auch politisch – Erreichte zerstören. Gerade „ein Club unberechenbarer Demokratien“ (Hüther) sollte der ökonomischen Logik Rechnung tragen, um nicht über verschiedene kooperative und nicht-kooperative Entschuldungsstrategien in politischem Erstaunen zu erstarren.