Die GKKB der Europäischen Kommission – eine wirksame Maßnahme gegen aggressive Steuervermeidung?
Die Einführung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) ist immer noch (oder wieder) die von der Europäischen Kommission favorisierte Lösung zur Konzernbesteuerung in Europa, wie der neuerliche Vorschlag einer entsprechenden Richtlinie vom 25.10.2016 (im Folgenden: GKKB-RLE) belegt. Dieses ist bereits deshalb bemerkenswert, da eine erste Initiative zur Einführung dieses Besteuerungssystems, welche ihren Ausgangspunkt in der Binnenmarktstudie 2001 und ihren Endpunkt im Richtlinienvorschlag 2011 hatte, am Winderstand einzelner Mitgliedsstaaten gescheitert ist. Insbesondere aber haben sich die politischen Ziele zwischen der ersten und der aktuellen Initiative deutlich verschoben.
Eindämmung aggressiver Steuerplanung
Während bei der ersten Initiative die Beseitigung steuerlicher Hindernisse für die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit sowie die Senkung steuerlicher Befolgungskosten im Vordergrund stand, begründet die Kommission ihre neuerliche Initiative insbesondere mit dem Ziel der Eindämmung aggressiver Steuerplanung gerade derjenigen Konzerne, die im Zuge der ersten Initiative begünstigt werden sollten. Es ist daher legitim zu hinterfragen, inwiefern dieses tatsächlich gelingen kann.
Im Kern sieht der Entwurf der Europäischen Kommission vor, dass
- das zu versteuernde Einkommen europäischer Kapitalgesellschaft nach einheitlichen Regelungen zu ermitteln ist,
- diese Einkommen auf Konzernebene konsolidiert werden und
- das konsolidierte Konzerneinkommen nach Maßgabe einer Aufteilungsformel auf die einzelnen Gesellschaften verteilt wird. Die Aufteilung soll dabei nach den anteiligen Vermögenswerten, der anteiligen Mitarbeiteranzahl bzw. der anteiligen Lohnsumme sowie den anteiligen Umsätzen erfolgen.
GKKB wird verpflichtend
Eine Verlagerung von Buchgewinnen innerhalb von Europa wäre unter diesem Besteuerungssystem aufgrund der Konsolidierung ebenso wirkungslos wie hybride Steuergestaltungen oder andere Steuerplanungstechniken, welche die fehlende internationale Abstimmung der Besteuerungssysteme ausnutzen. Ausdrücklich zu begrüßen ist ferner, dass die Europäische Kommission – im Unterschied zum Richtlinienvorschlag 2011 – nun eine für Großkonzerne verpflichtende Einführung vorsieht. Eine optionale GKKB würde den grenzüberschreitend tätigen Konzernen, die ohnehin im Vergleich bereits eine geringere Steuerbelastung aufweisen, nur zusätzliche Planungsmöglichkeiten eröffnen.
Beachte | Trotz dieser grundsätzlich positiven Wirkungsweise der GKKB, bleibt die Effektivität bei der Verhinderung von Steuervermeidung bei einer detaillierteren Betrachtung allerdings aus mehreren Gründen fraglich.
Gestaltungsanfälligkeit der Zuweisung von Formelfaktoren
Die Europäische Kommission stützt ihre Erwartung, dass die Einführung der GKKB Steuerplanungsaktivitäten eindämmt, auf die durch Konsolidierung und Formelaufteilung dann fehlende Möglichkeit zur Buchgewinnverlagerung. Klar ist, dass der gewünschte Effekt allerdings nur eintritt, wenn die Zuordnung der Formelfaktoren nicht in gleichem Maße gestaltungsanfällig ist, wie die Zuordnung von Buchgewinnen im geltenden Steuerrecht. In anderen Worten: Können Konzerne die vertraglichen Gestaltungen bezüglich der Zuordnung der Formelfaktoren so ausgestalten, dass diese bei einer Gesellschaft genutzt werden und bei einer anderen Gesellschaft (mit geringen Steuersätzen) für die Formelzerlegung erfasst werden?
Dieses sei am Beispiel des Formelfaktors „Vermögenswerte“ beispielhaft erläutert: Vermögenswerte sind bei dem Gruppenmitglied für die Formelaufteilung zuzuordnen, das als wirtschaftlicher Eigentümer der Vermögenswerte anzusehen ist. Gemäß Art. 4 Absatz 28 GKB-RLE bezeichnet wirtschaftlicher Eigentümer „die Person, die alle materiellen Vorteile und Risiken aus einem Wirtschaftsgut des Anlagevermögens erhält bzw. trägt, unabhängig davon, ob sie der rechtmäßige Eigentümer ist. Ein Steuerpflichtiger, der das Recht hat, ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu halten, es zu gebrauchen und über es zu verfügen und der das Risiko seines Verlustes oder seiner Zerstörung trägt, gilt auf jeden Fall als wirtschaftlicher Eigentümer.“ Durch die Anknüpfung an die Vorteile und Risiken, die – beispielsweise bei Leasingverträgen – durch vertragliche Gestaltung verlagert werden können, muss von einer Gestaltungsanfälligkeit ausgegangen werden.
Ähnliches gilt auch für den Formelfaktor „Lohnsumme/Beschäftigte“. Hier besagt Artikel 33 GKKB-RLE, dass diese grundsätzlich bei dem Gruppenmitglied zu berücksichtigen sind, welches das Entgelt leistet. Hiervon ist abzuweichen, wenn die Tätigkeit des Beschäftigten unter der Aufsicht und Verantwortung eines anderen Gruppenmitglieds ausgeführt wird und dieses für mehr als 5% der Beschäftigten des entgeltleistenden Gruppenmitglieds zutrifft. Diese Regelung soll ausschließen, dass durch Mitarbeiterentsendung Steuerplanung betrieben werden kann; die Rückausnahme lässt es allerdings zu, dass die zehn Führungskräfte eines Konzerns steueroptimal entsendet werden können, wenn gleichzeitig 200 Geringbeschäftigte bei der gleichen Gesellschaft beschäftigt und eingesetzt sind.
Hinweis | Im Kern bleibt abzuwarten, inwiefern es gelingt, die Zuweisung der Formelfaktoren so zu regeln, dass eine vertragliche Verlagerung zur Steuerplanung ausgeschlossen ist, gleichzeitig aber die Dokumentationsanforderungen nicht wieder überhöht werden müssen.
Verlagerung von Bemessungsgrundlage in Drittstaaten
Die Anwendung der GKKB ist naturgemäß begrenzt auf den europäischen Konzernkreis multinationaler Konzerne. Zum Schutz der EU-Bemessungsgrundlage gegen Veranlagung in Drittstaaten sieht der Richtlinienvorschlag für die Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage (GKB-RLE) unter anderem eine Zinsschranke und eine Hinzurechnungsbesteuerungsregelung vor, wodurch es – ähnlich wie im ATAD-Paket vorgesehen – hier zu einer europaweiten Vereinheitlichung kommt. Die Europäische Kommission muss sich bewusst sein, dass diesen Regelungen bei der Einschränkung der Steuerplanungsmöglichkeiten innerhalb der EU eine erhöhte Bedeutung zukommt, da Konzerne gewillt sein werden, Ausweichmöglichkeiten zu finden und verstärkt zu nutzen.
Veranlagung der Steuergruppe
Auch nach dem neuerlichen Richtlinienvorschlag erfolgt die Veranlagung der Steuergruppe nach dem sogenannten „One-Stop-Shop“. Die Veranlagung der Steuergruppe erfolgt im Ansässigkeitsstaat des Hauptsteuerpflichtigen, typischerweise der Muttergesellschaft der Steuergruppe. Die Frage der Steuerverwaltung war bereits in Zusammenhang mit dem Richtlinienvorschlag 2011 eines der Kernprobleme, dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Ganz konkret: Würde ein deutscher Konzern sich entscheiden, als Muttergesellschaft eine ausländische (europäische) Dachholding zu installieren, würde auf diesem Wege die Steuerveranlagung des gesamten europäischen Konzernkreises in den Zuständigkeitsbereich dieses Mitgliedsstaats verlagert werden. Hier sollte die Europäische Kommission alternative Definitionsmerkmale (z.B. wesentlicher Teil der Wertschöpfung) in Erwägung ziehen, die deutlich weniger einfach zu manipulieren sind.
Fazit | Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich bei der Einführung der GKKB die Steuerplanung in Richtung einer gezielten Verlagerung der Formelfaktoren verschieben wird. Buchgewinnverlagerungen werden verstärkt von Europa in das Nicht-EU Ausland erfolgen. Schließlich können die Konzerne nach diesem Vorschlag über die Festlegung des Hauptsteuerpflichtigen Einfluss auf das Veranlagungsland nehmen. Bei allen Vorteilen, die dieses Besteuerungskonzept aufweist, bleibt somit fraglich, inwiefern das erklärte Ziel der Europäischen Kommission erreicht werden kann.