Tax Compliance Risikomanagement
Dirk Petri

Anforderungen an ein Tax-Compliance-System

Eine einheitliche Definition für den Begriff Tax-Compliance hat sich noch nicht herausgebildet. Das Begriffsverständnis variiert daher vor dem Hintergrund desjenigen, der den Begriff Tax-Compliance benutzt.

Verschiedene Sichtweisen zum Verständnis

Steuerabteilungen von Unternehmen nutzen den Begriff Tax-Compliance regelmäßig vor einem administrativ-operativ ausgerichteten Verständnis. Aus diesem resultiert ein Aufgabenspektrum, dass die Tätigkeiten der Bereiche Steuerdeklaration, Steuerdurchsetzung und Steuergestaltung umfasst. Zu den Aufgabengebieten der Steuerdeklaration gehören insbesondere die Arbeiten zur Abgabe von Steuererklärungen bzw. -anmeldungen sowie zur Erfüllung steuerlicher Dokumentationspflichten, die Prüfung von Steuerbescheiden, die Überwachung der rechtzeitigen Zahlung respektive der Geltendmachung von Steuerverbindlichkeiten bzw. -ansprüchen sowie die Begleitung von steuerlichen Betriebsprüfungen.

Die Finanzverwaltung verwendet den Begriff Tax-Compliance dagegen aus ihrer öffentlich-rechtlichen Sicht. Zwar steht auch für die Finanzverwaltung die Einhaltung und Erfüllung steuerlicher Pflichten an erster Stelle, jedoch verknüpft die Finanzverwaltung mit dem Begriff Tax-Compliance darüber hinaus noch ein weitergehendes strategisches Interesse, da der Steuerpflichtige zu einer besseren Einhaltung der Steuergesetzte motiviert werden soll. Die Idee ist, dass dies den Kontrollbedarf für jeden einzelnen Steuerfall nachhaltig senken soll, die Effizienz des Verwaltungshandelns erhöht wird und im Ergebnis die Effektivität des Gesetzesvollzugs gesteigert wird.

Letztlich folgt die Finanzverwaltung der Kooperationsmaxime. Ausgehend von der Annahme, dass niemand gerne Steuern zahlt und nur wenige aus eigenem Antrieb mitwirken, sollen kooperativen Steuerpflichtigen Vorteile gewährt und für den Fall der Nichtkooperation eine nachteilige Behandlung angedroht werden. Diese Doppelstrategie bezweckt sowohl, dass einerseits für den rechtstreuen Steuerpflichtigen gesorgt wird und andererseits auch eine zuverlässige Sanktionierung unehrlichen Verhaltens erfolgt. Unter Tax-Compliance versteht die Finanzverwaltung somit in erster Linie ein strategisches Konzept, verbunden mit dem Anspruch und Ziel einer hoheitlich kontrollierten Selbstregulierung des Steuervollzugs.

Steuerliches Risikomanagement und Tax-Compliance

Eine klare Abgrenzung zwischen steuerlichem Risikomanagement und Tax-Compliance ist wegen der offenkundigen Überschneidungen nicht möglich. Denn ein steuerliches Risikomanagement ist zentraler Bestandteil eines unternehmensweiten Risikomanagements und umfasst daher sowohl Bestandteile der Risikofrüherkennung und Risikobewältigung als auch Elemente des internen Kontrollsystems, soweit diese jedenfalls auf die Steuerdeklarations-, Steuerdurchsetzungs- und Steuergestaltungstätigkeiten ausgerichtet sind. Denn die Funktion, gesetzestreues Handeln sicherzustellen, ist dem steuerlichen Risikomanagement ebenso inhärent wie dem unternehmensweiten Risikomanagement. Insofern umfasst ein integriertes steuerliches Risikomanagement nicht nur die Identifizierung, Bewertung und Steuerung steuerrechtlicher Risiken, sondern ebenso auch Maßnahmen zur Vermeidung bzw. frühzeitigen Aufdeckung von Rechtsverletzungen.

Beachte | Letztlich dient es damit auch der Sicherstellung von steuerlicher Gesetzestreue.

Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung

Die Verhängung einer Geldbuße gegen das Unternehmen richtet sich nach dem Organisationsverschulden im Unternehmen, sodass unternehmensbezogene Zumessungskriterien Berücksichtigung finden müssen. Demgemäß sollen Compliance-Bemühungen des Unternehmens, die der Verhinderung von Verfehlungen dienen, auch bußgeldmindernd oder gar ausschließend Berücksichtigung finden. So hat der Gesetzgeber in der Begründung zu letzten Änderung von § 30 OWiG durch die 8. GWB-Novelle im Hinblick auf die Erhöhung des Bußgeldrahmens festgehalten, dass ein effektives Compliance-System als unternehmensbezogener Umstand bei der Bußgeldbemessung berücksichtig werden kann. Gleiches gilt für die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der sog. „Panzerhaubitzen“-Entscheidung vom 9. Mail 2017 (1 StR 265/17). Konkrete gesetzliche oder von der Rechtsprechung vorgegebene Leitlinien gibt es im Ergebnis aber nicht.

Letztlich handelt es sich ohnehin beim Begriff Compliance um einen Sammelbegriff sämtlicher Corporate-Compliance-Maßnahmen im Unternehmen, welcher auch die Tax-Compliance mit erfasst, da auch die englischsprachige Definition Tax-Compliance als eine „subarea of compliance“ ansieht. Tax-Compliance ist also ein Teilbereich sämtlicher spezifischer Compliance-Maßnahmen im Unternehmen und ist darauf ausgerichtet, die Steuergesetze zu befolgen, sodass haftungsrechtliche und steuerstrafrechtliche Folgen vermieden werden.

Anforderungen an die Tax Compliance

Die stetige Verschärfung der steuerlichen Dokumentations- und Mitwirkungspflichten sowie die immer effektiveren Zugriffs- und Untersuchungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung nicht nur in Deutschland haben dazu geführt, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit für steuerliche Rechtsverstöße und damit auch das Risiko steuerstrafrechtlicher Ermittlungen in Unternehmen bzw. gegen Organe und leitende Mitarbeiter in den letzten Jahren stetig angestiegen ist. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung in Strafsachen in den letzten Jahren kontinuierlich verschärft ebenso wie die gesetzlichen Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige.

Letztlich kann von einer deutlichen Klimaverschärfung im Steuerstrafrecht gesprochen werden. In diesem kritischen Umfeld hat das Bundesministerium der Finanzen am 23. Mai 2016 einen Anwendungserlass zu § 153 AO veröffentlicht. Danach kann die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder aber der Leichtfertigkeit sprechen kann. Die Verwaltungsanweisung enthält aber keine Hinweise, wie ein solches System konkret ausgestaltet sein sollte. Damit bleibt eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen, da es dem Steuerpflichtigen selbst überlassen bleibt, wie ein solches effektives Tax-Compliance-Managementsystem ausgestaltet ist. Andererseits obliegt es dann dem Amtsträger oder im Ergebnis der Rechtsprechung, im Einzelfall auszuleuchten, ob das eingerichtete Tax-Compliance-Managementsystem ausreichend effektiv war.

Hinweis | Vor allem bei Zahlungen an (ausländische) Gesellschaften, die nicht selbst Empfänger dieser Zahlungen sein sollen, sondern Personen, die diese Gesellschaft zwischengeschaltet haben, genügt die Benennung der ausländischen Gesellschaft nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Empfängerbenennung i.S. des § 160 AO. Die mit § 160 Abs. 1 S. 1 AO verfolgte Zielsetzung ist vielmehr erst dann erfüllt, wenn der tatsächliche Empfänger der Zahlung benannt ist und die Finanzbehörde überprüfen kann, ob dieser seine steuerlichen Pflichten entweder erfüllt hat oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Inland als nicht steuerpflichtig gilt.

Ausblick | Die Erkenntnis, dass die steuerliche Compliance im Rahmen der Corporate Compliance einen hohen Stellenwert einnehmen muss, dürfte aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem Erlass des Bundministeriums der Finanzen jedem Unternehmensverantwortlichen klar sein. Allerdings fehlt in Unternehmen nach wie vor der notwendige systematische ganzheitliche Ansatz. Die Bemühungen richten sich häufig nur auf ausgewählte Steuerrisiken. Es bedarf jedoch eines umfassenden Tax-Compliance-Managementsystems, um den regulatorischen Anforderungen effektiv und der Herausforderung zur Vermeidung von Haftungs- und strafrechtlichen Risiken angemessen begegnen zu können. Oder einfach anders ausgedrückt: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann!