Tax Compliance Steuerplanung
Reinald Koch

Die Notwendigkeit eines Steueroasenabwehr-Gesetzes – Was lehren uns die Pandora Papers?

Die Pandora Papers verdeutlichen erneut, ebenso wie die Panama Papers oder die Paradise Papers zuvor, in welchem Ausmaß Offshore-Firmen genutzt werden, um internationale Geldflüsse zu verschleiern. So geben diese Daten Aufschluss über die tatsächlichen Eigentümer von mehr als 27.000 Offshore-Firmen mit Sitz in klassischen Steueroasenländern wie den Britischen Jungferninseln, Belize, Hongkong, Panama oder den Bahamas. Entsprechende Firmen finden sich aber auch in EU-Staaten wie Zypern oder Malta (vgl. hierzu eine Übersicht auf https://projects.icij.org/investigations/pandora-papers/charts/who-are-the-firms-at-the-heart-of-the-pandora-papers).

Steueroasen-Abwehrgesetz gilt ab 01.01.2022

Zur Bekämpfung derartiger Gestaltungen hat Deutschland mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz mit Wirkung zum 1.1.2022 Regelungen eingeführt, welche die steuerlichen Vorteile solcher Gestaltungen unterbinden sollen. Mit diesem Gesetz setzt Deutschland die Leitlinien der EU-Arbeitsgruppe „Verhaltenskodex“ um, die insgesamt vier Maßnahmen gegen nicht-kooperative Länder („schwarze Liste“) vorschlagen. Im Einzelnen sind diese Maßnahmen (1) eine Nichtabzugsfähigkeit von Kosten für Zahlungen an Gesellschaften in diesen Ländern, (2) eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung für Gesellschaften in diesen Ländern, (3) Quellensteuermaßnahmen sowie (4) Beschränkungen der Beteiligungsbefreiung bei Dividenden. Auch wenn diese Vorgaben weder als Richtlinie noch als Verordnung kodifiziert wurden, haben inzwischen alle EU-Staaten entsprechende Maßnahmen ergriffen. Deutschland hat sich mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz für eine weitreichende Umsetzung entschieden, indem alle vier Maßnahmen umgesetzt wurden und nicht – wie in anderen EU-Staaten – nur ein oder zwei (vgl. zur Umsetzung innerhalb der EU Ditz/Seibert, FR 2021, 819).

Konkrete Umsetzung des Gesetzes in der Kritik

Die Umsetzung durch das Steueroasen-Abwehrgesetz wurde in der Literatur stark kritisiert. Zwar wird das allgemeine Ziel dieses Gesetzes, eine Bekämpfung von ungerechtfertigter Steuervermeidung oder Steuerhinterziehung, allgemein geteilt (vgl. so z.B. stellvertretend für die Bundessteuerberaterkammer Kaiser, BStBKR 2021, 3). Die konkrete Umsetzung wird allerdings kritisch gesehen. So kann das Nebeneinander der nicht vollständig aufeinander abgestimmten vier Maßnahmen zu Doppelerfassungen führen (vgl. beispielsweise Euler/Maier/Schanz, DStR 2021, 1262). Ferner wird bemängelt, dass die Vorschrift von der Wirkung her überschießt, da ihre Anwendung nicht auf passive Einkünfte aus Steueroasengesellschaften beschränkt bleibt, sondern auch realwirtschaftliche Aktivitäten in diesen Ländern unabhängig von einem Substanz- oder Motivtest unter die Regelungen fallen. Dieses kann negative Auswirkungen beispielsweise für die Tourismusbranche mit sich bringen (vgl. Ditz/Seibert, FR 2021, 820; IDW, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze, 2021, 1-2). Schließlich werden auch verfassungsrechtliche und EU-rechtliche Bedenken gegen das Gesetz vorgebracht (vgl. Ditz/Seibert, FR 2021, 821; IDW, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze, 2021, 2).  

Auch wenn diese Einwendungen gerechtfertigt sind, möchte ich den Blick vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus den Pandora Papers auf eine andere Frage richten: Wie wirkungsvoll kann ein Steueroasen-Abwehrgesetz tatsächlich zur Austrocknung dieser Steueroasen beitragen? Hierzu einige Gedanken.

Nicht-kooperative Länder

In der Literatur wurde angemerkt, dass die Abgrenzung der Liste nicht-kooperativer Länder sehr eng ist und das Gesetz ohne Überarbeitung dieser Liste aus diesem Grund nur eine geringe praktische Bedeutung haben kann (vgl. Ditz/Seibert, FR 2021, 821). Diese Vermutung lässt sich durch zahlreiche Statistiken stützen. Nach der letzten Aktualisierung dieser Liste vom 5. Oktober 2021 umfasst diese nun noch die folgenden neun Länder: Amerikanisch-Samoa, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, Amerikanische Jungferninseln und Vanuatu. Ein Blick in die Direktinvestitionsstatistik der deutschen Bundesbank zeigt tatsächlich nur einen geringen Bestand an deutschen Direktinvestitionen in diesen Ländern. So betragen die direkten Nettoinvestitionsbestände in Zentralamerika im Jahr 2019 insgesamt 20,3 Milliarden €, ein Großteil davon entfällt auf Mexiko; für die Region Australien/Ozeanien entfallen die gemeldeten deutschen Outbound-Investitionen fast ausschließlich auf Australien und Neuseeland. Von der Liste der nicht-kooperativen Länder wird nur Panama explizit in der Direktinvestitionsstatistik aufgeführt mit einem Nettoinvestitionsbestand von etwa 1 Milliarde € und Beschäftigten in Höhe von etwa 2.000. Dieses Verhältnis legt nahe, dass es sich bei den gemeldeten Direktinvestitionen (zumindest in Teilen) um operativ tätige Einheiten handelt.

Hinweis | Auch andere Statistiken stellen die Relevanz dieser Länder in Frage. So zeigt die Studie „Der Dax in Steueroasen“ im Auftrag der Linkspartei, dass lediglich drei Prozent der Steueroasen-Investitionen von Dax-Konzernen auf Länder entfällt, die sich auf der EU-Liste befinden. Auch gehört keines dieser Länder laut Auskunft des Bundesfinanzministeriums zu den zehn meistgenutzten Steueroasen der Deutschen (vgl. Jerzy, Die beliebtesten Steueroasen der Deutschen, 2021).

Aber kann man hieraus wirklich schließen, dass diese Länder irrelevant sind? Die Pandora Papers legen vielmehr nahe, dass Offshore-Firmen gerade auch in diesen Ländern unterhalten werden, diese aber möglicherweise den Finanzbehörden nicht bekannt sind und daher auch in offiziellen Statistiken nicht auftauchen.

Es stellt sich ferner die Frage, inwiefern die zusätzlichen Abwehrmaßnahmen geeignet sind, nicht-kooperative Steueroasen auszutrocknen. Dass diese Maßnahmen geeignet sind, Steuerpflichtige von Investitionen in diesen Ländern abzuhalten, wird in der Literatur bejaht (vgl. so Ditz/Seibert, FR 2021, 821; Euler/Maier/Schanz, DStR 2021, 1265). Hierzu passt auch, dass der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Panama sich seit 2016 annähernd halbiert hat, auch wenn dieser Effekt natürlich nicht notwendigerweise kausal auf die Aufnahme in der EU-Liste zurückgeführt werden kann. Dass diese Maßnahmen zu einem Umdenken bei den Steueroasenländern selbst führen, ist mit Blick auf die Relevanz von EU-Steuerpflichtigen an derartigen Gestaltungen aber zumindest fraglich. Diese Vermutung legt auch bereits ein Blick auf die Forbes-Liste der weltweit reichsten Privatpersonen nahe: hier finden sich unter den ersten 100 lediglich 15 EU-Bürger. Auch erste Berichte aus den Pandora Papers suggerieren, dass entsprechende Firmen zu großen Teilen aus dem Nicht-EU-Ausland stammen.  

Zum Schluss | Eine weitere Schlussfolgerung lässt sich aus den Pandora Papers aber auch ziehen: Die Bekämpfung von Steuerbetrug und ungerechtfertigter Steuervermeidung sollte sich nicht auf den Unternehmenssektor beschränken. Insofern ist auch der in der Literatur vorgebrachte Hinweis auf die inhaltliche Überschneidung mit dem OECD Zwei-Säulen-Projekt, zu relativieren. Während diese Anmerkung für den Unternehmenssektor sicherlich zutreffend ist, so brauchen die Staaten daneben auch ein wirkungsvolles Instrumentarium zur Bekämpfung von Steuerbetrug bzw. Steuervermeidung im Privaten.