Tax Compliance Management Systeme
Thomas Egner

Der Steuerberater im Tax Compliance Management System

Steuerberater sind nach § 3 StBerG „zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen“ befugt. Zusammen mit dem Unternehmen (Mandant bzw. Steuerzahler) und der Finanzverwaltung bilden sie ein Dreiecksverhältnis, in dem der Steuerberater als Gestaltungsberater für den Mandanten oder als Organ der Steuerrechtspflege zum Schutz des Steueraufkommens aus Sicht der Finanzverwaltung gesehen werden kann.

Der Steuerberater als Compliance-Faktor

Bereits mit Beginn der Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens wurde die Diskussion eröffnet, inwieweit der Steuerberater ein positiver oder negativer Compliance-Faktor im Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung sein kann. Während auf der einen Seite argumentiert wird, dass die Inanspruchnahme eines Steuerberaters zur Führung der Bücher und der Erstellung der Steuerdeklaration einen positiven Einfluss auf den Erfüllungsgrad der steuerlichen Vorschriften nimmt (positiver Compliance-Faktor), wird auf der anderen Seite die auf das Steuersparen abzielende Beratungsfunktion des Steuerberaters gesehen, die zumindest auch moralisch fragliche (aber legale) Gestaltungen, im Einzelfall aber auch illegale Steuerumgehung umfassen kann (negativer Compliance-Faktor).

Hinweis | Die Frage nach dem Steuerberater als Compliance-Faktor wurde auch bereits bei den „Klimagesprächen“ zwischen Finanzverwaltung und Steuerberatern diskutiert.

Die Doppelrolle des Steuerberaters

Durch seine Stellung als Teil der Dreiecksbeziehung ist der Steuerberater auch Teil des Tax Compliance Management Systems (TCMS). Dies bringt der IDW-Praxishinweis 1/2016 deutlich zum Ausdruck, indem in Rz. 21 darauf hingewiesen wird, dass auch Organisationseinheiten „außerhalb des Unternehmens“ – hier wird ausdrücklich der Steuerberater genannt – einzubeziehen sind.

Ein im Unternehmen aufzubauendes TCMS muss somit auch die beauftragten Steuerberater umfassen. Hier wird das Dilemma offensichtlich. Der Steuerberater wurde schon immer als Teil des wertneutralen Tax Risk Managements angesehen, das aber die Einhaltung von Gesetzen nicht zwingend voraussetzt. Gleichzeitig bieten die Steuerberatungsgesellschaften an, das TCMS im Wege des Outsourcings zu übernehmen oder zumindest bei dessen Einrichtung unterstützend tätig zu werden. Dies könnte zu einer Art Selbstkontrolle im Sinne einer Selbstbeschränkung führen. Aus Sicht der Finanzverwaltung ist die Überlegung auch gar nicht abwegig, sollte die umstrittene Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle nicht realisierbar sein. Im Rahmen des TCMS wären derartige Modelle zu erfassen, da die „systematische Risikoerfassung und -beurteilung“ ein zwingendes Element des TCMS darstellt (IDW- Praxishinweis 1/2016, Rz. 41).

Organisationsverantwortung für das TCMS

Ein weiterer Aspekt sollte nicht vergessen werden: Die Verantwortung für das TCMS liegt nach der Rechtsprechung (LG München I, Urteil v. 10.12.2013, 5 HK O 1387/10) bei der Unternehmensleitung. Dies ist insofern nicht neu, da bereits die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) auf die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Ordnungsmäßigkeit der elektronischen Aufzeichnungen hinweisen, auch wenn diese auf einen Dritten delegiert werden (Rz. 21). Deshalb sehen die GoBD auch die Notwendigkeit eines internen Kontrollsystems vor („hat der Steuerpflichtige“, Rz. 100). In diesem Moment ist der Steuerberater somit nicht mehr nur die Lösung, sondern ein Teil des Problems!

Für die Unternehmensverantwortlichen erwächst die zwingende Pflicht zur Überprüfung der Abläufe auf Ebene der beauftragten Steuerberater. Auch die Schnittstellen zur Datenübertragung vom Unternehmen zum Steuerberater (und umgekehrt) unterliegen der Organisationskontrolle. Diese Kontrollpflicht wird von Seiten der Unternehmen – gerade im Mittelstand – weitgehend unterschätzt. Denn es herrscht die Auffassung vor, dass diese Abläufe ausschließlich in den Aufgabenbereich des Steuerberaters fallen, insbesondere, wenn dieser die notwendige Software stellt. Vor allem fehlt es häufig an den notwendigen Verfahrensdokumentationen, deren Erstellung durch den Steuerberater als zu teuer angesehen wird, auch wenn die GoBD diese schon heute fordern. Diese Einschätzung vertretend, man könne die Verfahrensdokumentation immer noch anfertigen, wenn die Steuerverwaltung diese einfordert, wird den Grundsätzen eines TCMS sicherlich nicht gerecht.

Beachte | Im Zweifel hätte dies negativ zur Folge, dass die Beauftragung eines Steuerberaters nicht als positiver Compliance-Faktor angesehen und das TCMS auch nicht als Exkulpationsinstrument im Sinne des § 153 AO tauglich wäre.

Umfang der Kontrollpflichten

Die Kontrollpflicht umfasst aber nicht nur formale Dokumentationspflichten, sondern auch eine materiell-rechtliche Plausibilitätsprüfung der durch den Steuerberater vorgeschlagenen Gestaltungsmodelle (Tz. 56 des IDW Prüfhinweises 1/2016). Inwieweit hier zum Beispiel im Bankensektor bei den Cum-Ex-Modellen im Einzelfall Defizite vorlagen, wird noch zu hinterfragen sein, da eine Mehrfacherstattung einer einmal abgeführten Steuer auf den ersten Blick zumindest zu Nachfragen animieren sollte.

Der Umfang der Kontrollpflichten hängt im Einzelfall von der Organisation des Steuerwesens eines Unternehmens ab. Das Kontinuum reicht von der Beauftragung eines Steuerberaters in Einzelfragen über eine dauerhafte Beratung durch Dritte bei gleichzeitiger interner Fachabteilung bis zu verbundenen Gesellschaften, die konzernweit sämtliche steuerliche Pflichten übernehmen. Im letzteren Fall liegt keine externe, sondern eine interne Steuerberatung vor, sodass die verbundene Gesellschaft unmittelbarer Bestandteil des TCMS ist.

Die Verantwortung der Unternehmensleitung zeigt sich auch im Zusammenhang mit der Berichtigungspflicht des § 153 AO. Diese trifft nur den Steuerpflichtigen. Den involvierten Steuerberater trifft keine Berichtigungspflicht, er hat vielmehr den Steuerpflichtigen „nur“ von seinen Erkenntnissen zu informieren und auf eine Berichtigung hinzuwirken (AEAO zu § 153, Nr. 4).

Fazit | Die Rolle des Steuerberaters im TCMS ist janusköpfig. Der Steuerberater als Organ der Rechtspflege dient der rechtskonformen Steuerdeklaration und ist somit mittelbar auch ein Gehilfe der Finanzverwaltung. Gleichzeitig vertritt er allerdings auch die Interessen des Steuerpflichtigen. Dies beinhaltet die Beratung bei legalen Steuersparmöglichkeiten, auch solchen, die es in den Augen der Finanzverwaltung zu bekämpfen gilt. In dieser Position ist der Steuerberater auch Teil des TCMS, sodass sich dieser zukünftig vermehrt gegenüber dem Mandanten öffnen und interne Prozessabläufe offenlegen muss. Die Unternehmen sind im Gegenzug aufgefordert bzw. verpflichtet, die Arbeitsweise der Steuerberater zu hinterfragen.