Tax Compliance Management Systeme
Carmen Bachmann

Tax Compliance im Nachhaltigkeitsbericht – Welche DAX30-Unternehmen nehmen eine Vorreiterrolle ein

Seit den 90er Jahren richtet sich der Trend in der Rechnungslegung hin zu einer ganzheitlichen Unternehmenspublizität im Sinne einer ausgewogenen und integrativen Berichterstattung, die ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Belange unternehmerischen Handelns in sich vereint. Da der Finanzbericht aufgrund seiner quantitativen und vergangenheitsorientierten Ausrichtung diesem Ziel nur bedingt nachkommen kann, steigt seither die Bedeutung des Nachhaltigkeitsberichts als ergänzendes Kommunikationsmedium zwischen dem Unternehmen und den Abschlussadressaten. Die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten erfolgt in Deutschland auf freiwilliger Basis, sodass keine verbindlichen Vorgaben zu Inhalt und Aufbau existieren. Die Orientierung an einem der zahlreichen (nationalen und internationalen) Rahmenwerken wird jedoch empfohlen. Einige dieser Leitlinien beinhalten mitunter Anforderungen zu steuerlichen Themen (z.B. GRI, OECD Leitlinien für multinationale Unternehmen, SASB).

Zusammenhang zwischen Tax Compliance und Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die inhaltliche Vielseitigkeit hinsichtlich der Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsberichte kann von den Firmen als Gestaltungsspielraum genutzt werden, um solche Informationen zu veröffentlichen, die für die jeweiligen Stakeholder besonders bedeutsam sind. Nicht nur für den Fiskus spielt die Achtung der Steuergesetze und die Erfüllung der daraus resultierenden Pflichten eine große Rolle, sondern auch für Fremdkapitalgeber, Manager und Anteilseigner. Als eines der zentralen Elemente der Steuerstrategie eines Unternehmens sollte Tax Compliance daher zusehends in Nachhaltigkeitsberichten thematisiert werden.

Das Vorhandensein eines Tax Compliance Management Systems (TCMS) kann als Hinweis für ein effektives Steuerkonzept und eine wirkungsvolle Überwachung der Compliance-Verpflichtungen dienen, sodass die Stakeholder durch die Offenlegung der Informationen ein höheres Maß an Sicherheit über die Rechtmäßigkeit der Erklärungen, Praktiken und Konzepte des Unternehmens erlangen. Neben der Erläuterung der Ausgestaltung und der Umsetzung des Tax Governance und Control Frameworks sollten die berichtenden Unternehmen zu diesem Zweck ebenfalls auf den Umgang mit steuerlichen Risiken samt der internen Kommunikationsmechanismen und Prüfungsverfahren eingehen.

TCMS in Nachhaltigkeitsberichten von DAX-Unternehmen

Zusätzlich zu den Nachhaltigkeitsberichten veröffentlichen einige Unternehmen auf ihrer Internetseite unter der Rubrik Nachhaltigkeit teilweise Informationen, die sich auf die Steuerstrategie des gesamten Konzerns beziehen. Eine Blick in die genannten Medien der am DAX30 gelisteten Unternehmen aus dem Jahr 2018 zeigt jedoch, dass lediglich drei Firmen ausführliche Erläuterungen zum Thema TCMS publizieren (Allianz SE, Henkel AG & Co. KGaA, Munich Re AG). Zwölf weitere Unternehmen (Continental AG, Covestro AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG, E.ON SE, Infineon Technologies AG, Linde PLC, RWE AG, Siemens AG, Volkswagen AG, Wirecard AG) veröffentlichen zumindest ein Statement, dass die Einhaltung sämtlicher geltender rechtlichen und regulatorischen Vorgaben bei Ausübung ihrer Geschäfte im Mittelpunkt steht. Nachfolgend werden für die drei DAX-Unternehmen, denen in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle zukommt, die publizierten Informationen zu TCMS hinsichtlich ihres Inhalts genauer betrachtet.

Allianz, Henkel und Munich Re als Vorreiter

Bei allen drei Unternehmen findet sich eine Definition eines TCMS: Es umfasst alle Maßnahmen, Strukturen und Prozesse, die sämtliche Risiken in Verbindung mit Tax Compliance identifizieren, bewerten und überwachen.

Allianz und Munich Re veröffentlichen in Ihren Nachhaltigkeitsberichten nur wenige Informationen zu Steuern. Stattdessen verweisen sie auf zusätzliche Dokumente zum Steuerkonzept auf der Website, in denen ausführliche Informationen zum TCMS vorhanden sind. Auch bei Henkel fehlen ausführliche Informationen zu Tax Compliance im Nachhaltigkeitsbericht. Allerdings verzichtet Henkel auf einen Verweis im Nachhaltigkeitsbericht. Die entsprechenden Informationen befinden sich hier online unter der Rubrik Nachhaltigkeit.

Auffällig ist, dass Allianz und Munich Re ihr TCMS als solches benennen, während weder im Nachhaltigkeitsbericht noch in der Steuerstrategie von Henkel dieses unter dieser Bezeichnung auftritt. Dadurch eröffnet sich dem Adressaten ein Interpretationsspielraum bei der Auslegung der Informationen. Die von Henkel publizierte Umschreibung entspricht jedoch der Definition eines TCMS. Im Vergleich zu den anderen beiden Unternehmen fallen die Äußerungen von Henkel knapp aus, wohingegen Munich Re die umfangreichsten Ausführungen aufweist.

Munich Re geht dabei zunächst auf den Aufbau des TCMS ein, bevor dessen Rolle innerhalb des internen Kontrollsystems des Konzerns eingeordnet wird. Dabei bezieht sich Munich Re explizit auf die sieben fundamentalen Komponenten des TCMS, die von Seiten des IDW im Prüfungsstandard 980 festgelegt wurden. Als Zeithorizont für regelmäßige Überprüfungen der Anforderungen wird ein Jahr genannt. Es wird hervorgehoben, dass das Unternehmen sein Steuerstrategie auf diesen Elementen aufbaut, woraus eindeutige Regeln und Verantwortlichkeiten für das Tax Management resultieren. Im Anschluss daran wird die Wirkungsweise zwischen TCMS und internem Kontrollsystem erläutert, wobei betont wird, dass das TCMS als Bestandteil des allgemeinen internen Kontrollsystems fungiert. Zur Identifikation und Überwachung der steuerlichen Risiken nutzt Munich Re eine Risiko-Kontroll-Matrix, mittels derer Interdependenzen mit finanziellen und Reputationsrisiken sowie Maßnahmen zu deren Eindämmung beschrieben werden. Für die Prüfung der Risiko-Kontroll-Matrix wird ebenfalls ein Zeithorizont von einem Jahr angesetzt.

Allianz stellt den Zweck des TCMS – nämlich Transparenz in der Kommunikation und eine gute Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden – in den Vordergrund und nicht dessen Aufbau und Wirkungsweise. Zudem wird darauf hingewiesen, dass das TCMS für die deutschen Tochterunternehmen seit 2016 von einem externen Auditor geprüft wird. Auch hier wird das Ziel von Transparenz und Vertrauenswürdigkeit unterstrichen.

Henkel legt den Fokus auf eine Konkretisierung der Risiken, die durch die entsprechenden Prozesse identifiziert und quantifiziert sind. Die Definition bezieht sich auf sämtliche Einflüsse auf die Steuerpositionen, die sich aus Aktivitäten der Finanzbehörden oder des Gesetzgebers ergeben und steuerliche Kennzahlen des Konzerns verändern.

Fazit | Auch wenn sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung in den letzten drei Jahrzehnten als essentielles Kommunikationsmedium zwischen Unternehmen und Stakeholdern etabliert und weiterentwickelt hat, ist in Deutschland noch Nachholbedarf in puncto steuerliche Nachhaltigkeitsberichterstattung festzustellen – auf das zentrale Thema der Tax Compliance gehen lediglich drei DAX-Konzerne ausführlich ein.

Durch die inhaltliche Vielseitigkeit, welche sich aus mangelnden gesetzlichen Vorschriften ergibt, sowie die freie Wählbarkeit des Veröffentlichungsmediums sind die publizierten Informationen sehr heterogen. Alle drei Vorreiter-Unternehmen definieren jedoch in ihren Ausführungen das von ihnen implementierte TCMS. Damit wird eine erhöhte Transparenz für den Berichtsadressaten geschaffen, die Relevanz der Risikomanagementprozesse verdeutlicht und dem Sicherheitsbedürfnis der Stakeholder nachgekommen.

Aus diesem Grund sollten die anderen DAX-Unternehmen dem Beispiel von Allianz, Munich Re und Henkel folgen, indem sie ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung um steuerliche Themen – insbesondere Tax Compliance – erweitern. Dies wäre ein wichtiger Beitrag, um bei den Stakeholdern für Akzeptanz des von den Konzernen geschaffenen nachhaltigen Werts als angemessenes und gängiges Geschäftsverhalten zu sorgen.

Julia Ertl (M.Sc.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre von Prof. Dr. Bachmann an der Universität Leipzig.