Zur Automatisierung von Tax Compliance
Die aktuellen Diskussionen wie die über die Einführung eines Tax Compliance Management Systems (IDW Prüfungsstandard 980 vom 31.05.2017) oder die sogenannte „begleitende Kontrolle“(Begleitende Kontrolle §§ 153a bis 153g BAO, Sopp, K. SWI 2018, S. 604-616) in Österreich beziehen sich auf die Steuerprozesse an sich sowie auf den technischen Entwicklungsschub, beschrieben als Digitalisierung. Dabei wachsen die Gestaltung von Prozessen und Fragen nach Corporate Governance als Innenrecht der Unternehmung sowie das Risiko-Management und Compliance (GRC) zusammen.
Ursächliche Treiber und Problemfelder
Als wesentliche Treiber der Digitalisierung haben sich dabei die folgenden Parameter herauskristallisiert:
- Komplexität: Steigende Komplexität der Prozesse, mehr Dokumentationsaufwand etc.;
- Dynamik: Höhere Geschwindigkeit bei Prozessveränderungen;
- Steigende Anforderungen an rechtliche Rahmenbedingungen: Mehr Gesetze und Vorschriften insbesondere nach den Umsetzungsbemühungen der Staaten zu den BEPS Maßnahmen.
In Anbetracht dieser Automatisierungsgeschwindigkeit stellt sich aus der Sicht des Unternehmens zunehmend die Frage, wie der allgemein im Steuerbereich verursachte Mehraufwand an Administrationskosten künftig bewältig werden kann.
Einen Ansatz zur Lösung des aufkommenden Problems bilden neue technische Entwicklungen. So wird man künftig, um die fachlichen Herausforderungen im Bereich der Tax Compliance zu meistern, nicht umhinkommen, neue technische Lösungen bedarfsgerecht zu entwickeln. Zwar bestehen mit Big Data, Advanced Analytics, Künstlicher/Artifizieller Intelligenz, Robotics etc., schon eine Vielzahl an technischen Möglichkeiten, jedoch müssen die vorhandenen technischen Anwendungen erst einmal in die entsprechenden Anwendungsgebiete passgenau transformiert werden. Denn bei der Digitalisierung kommt es nicht darauf an, eine Vielzahl von Einzeltechniken zu erproben, sondern ein integriertes Gesamtkonzept zu schaffen.
Beachte | Künftig stehen nicht mehr die einzelnen Applikationen im Vordergrund, sondern a priori die Unterstützungsfunktion der technischen Anwendung für die steuerlichen Prozesse.
Business Process Management für Steuern
Die bisherigen Prozessansätze sollten ein durch ein erweitertes Business Process Management (BPM) in ein integriertes Prozessmanagement überführt werden. Dies verdeutlicht verschiedene Aspekte, die bei der Analyse vorhandener Systeme eine Rolle spielen. Für all diese Bereiche existiert eine Fülle verschiedener Konzepte, Techniken und Methoden, die weit ausgereift, aber im Kontext der Steuerfunktion im Unternehmen wenig bis gar nicht angewendet worden sind. Die Dimension „Reifegradstufen“ der Prozesse gibt Auskunft, wie die Prozesse behandelt werden und welches Verbesserungspotenzial für die Prozesse möglich ist. Die Gestaltungsfelder ermöglichen, die Prozesse zu verstehen. Im Tax Compliance Management System (CMS) nach der Maßgabe des IDW Prüfungsstandards 980 werden die verschiedenen steuerlichen Prozesse erhoben und beurteilt. Diese Prozessdokumentationsarbeit bildet eine Basis, vorhandene und neue Gestaltungsfelder zur Automation von Tax Compliance erkennen zu können. Letztlich beschreibt die dritte Dimension die Vorgehensweise für die verschiedenen Steuerarten.
Für verschiedene Abläufe zur Realisierung der Steuerfunktion existieren Entwürfe, Prozessbeschreibungen sowie Soll-Modelle. Solche Entwicklungen werden mit dem steuerlichen Compliance Management System nach dem IDW Prüfungsstandard 980 beschrieben. Technisch stellen sich hier folgende Fragen:
- Aufdeckung: Die tatsächlichen Ist-Modelle sind aufzudecken und zu dokumentieren.
- Konformität: Zwischen den Ist-Modellen und den Soll-Modellen ist eine Konformitätsprüfung notwendig. Wo gibt es Abweichungen? Systematisch, Einzelfälle, ausschließlich einzelne Schritte etc.
- Anomalien: Gibt es Auffälligkeiten in den Abläufen?
- Verbesserungen: Gibt es Ansatzpunkte, um die Abläufe zu verbessern?
- Vorhersagen: Wie werden sich Abläufe voraussichtlich entwickeln?
- Empfehlungen: Können Anwendern Empfehlungen ausgesprochen werden?
Techniken der Künstlichen Intelligenz
Techniken der Künstlichen Intelligenz müssen sich nicht auf die Analyse und Steuerung von Geschäftsprozessen beschränken. Auch die eigentliche steuerfachliche Arbeit kann automatisiert werden. In diesem Zusammenhang wird von einer Robotic Process Automation (RPA) gesprochen. Die verschiedenen Techniken führen die Digitalisierung zu einer integrierten Nutzung im Bereich der steuerlichen Prozesse. Die Automatisation kann prinzipiell auch zu einem neuen Risiko führen. Stimmen die automatisch erzielten Ergebnisse? Wie werden die automatisierten Arbeitsergebnisse kontrolliert? Diese Fragen werden ebenfalls durch die Digitalisierung beantwortet. Prozesse können mit einem sogenannten Process Mining überprüft werden. Zudem erlaubt eine Algorithmus gestützte Anomalieerkennung der Rohdaten das Aufdecken von systematischen Fehlern und damit die Kontrolle der autonomen Prozesse. Tax Compliance kann damit automatisiert durchgeführt als auch kontrolliert werden.