Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung (Pillar Two) ante portas: Synergiepotenziale bei der Datenerhebung
Aus dem Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)-Projekt von OECD und G20 resultierte in 2021 die Einigung auf eine grundlegende Reform des internationalen Besteuerungssystems auf Basis eines Zwei-Säulen-Ansatzes (vgl. OECD/G20, Statement on a Two-Pillar Solution to Address the Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy, 2021): Pillar Two verfolgt hierbei das steuerpolitische Ziel, eine Untergrenze für die steuerliche Belastung von Unternehmen einzuführen. Dies soll durch eine effektive Mindestbesteuerung bei multinationalen Unternehmen (MNU) sichergestellt werden. Die Umsetzung in der Praxis stellt die betroffenen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen.
Globale Mindestbesteuerung ab dem Wirtschaftsjahr 2023
Das mögliche Regelungswerk wurde bereits in Vorschlägen der OECD (vgl. OECD, Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy – Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar Two): Inclusive Framework on BEPS, 2021) und EU (vgl. EU-Kommission, Proposal for a Council Directive on ensuring a global minimum level of taxation for multinational groups in the Union, 2021) konkretisiert. Das Inkrafttreten ist für das Wirtschaftsjahr 2023 vorgesehen. Das wichtigste Instrument der Global Anti-Base Erosion (GloBE) Rules ist die sog. Income Inclusion Rule, die eine Nachversteuerung (Top-up Tax) auf Ebene der obersten Konzerngesellschaft (Ultimate Parent Entity) vorsieht, soweit Einkommen von auslandsansässigen Konzerngesellschaften (Constituent Entities) unterhalb des Mindestbesteuerungsniveaus von 15% besteuert wurden. Weitere (nachrangige) Ansätze zur Sicherstellung der effektiven Mindestbesteuerung sind die Switch-Over Rule (Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode), die Undertaxed Payments Rule (Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs im Quellenstaat) sowie die Subject-to-tax Rule (Quellensteuerabzug).
Hinweis | Für detaillierte Informationen zu den geplanten Regelungen siehe u.a. Nolte et al. (Deutscher AnwaltSpiegel 2022, 3), Rieck/Fehling (IStR 2022, 51) und Schwarz (IStR 2022, 37).
Umsetzungsaufwand für betroffene MNU
Die geplante Reform führt zur einer vollständig neuen Besteuerungsebene parallel zu den bereits vorhandenen internationalen Steuerregeln und ist aufgrund der hohen Komplexität eine zentrale Herausforderung für die betroffenen Unternehmen. Zudem gehen hiermit ein immenser Dokumentationsaufwand und entsprechend hohe Compliance-Kosten einher. Dies betrifft etwa auch Gesellschaften in Steuerjurisdiktionen, die zwar oberhalb der Mindestbesteuerung liegen, dies aber dennoch prüfen und durch entsprechende Dokumentationen nachweisen müssen (GloBE Information Return). Der knappe Planungshorizont bis zur Einführung erfordert eine zeitnahe Vorbereitung der praktischen Umsetzung. Während der Zeitdruck beim Steuererklärungsprozess geringer ist, müssen im Rahmen des Financial Reporting u.U. bereits im ersten Quartal 2023 mögliche Auswirkungen in der Berichterstattung berücksichtigt werden. Zudem führt der politische Umsetzungsdruck zu erheblichen Risiken bei der Ausgestaltung des Regelungswerks und damit zu Rechtsunsicherheiten bei den MNU (z.B. hinsichtlich bislang ungeklärter Fragen zur Definition der betroffenen Ertragssteuern oder zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen).
In den Anwendungsbereich der globalen Mindestbesteuerung sollen MNU mit einem konsolidierten Konzernumsatz von mind. 750 Mio. Euro in mind. zwei der letzten vier vorangegangenen Wirtschaftsjahre fallen. Das Compliance Management muss folglich (auch bei fraglichen MNU) um ein angemessenes Schwellenwert Monitoring erweitert werden. Die konkrete Ausgestaltung von sog. Safe Harbour Rules als Vereinfachungstatbestände ist bislang noch ungeklärt. Diese müssten bei einer Betroffenheitsanalyse ebenfalls berücksichtigt werden (vgl. hierzu Englisch et al., Intertax 2022, 231). Ferner ist auf notwendige Anpassungen im Rahmen des Tax Accounting hinzuweisen. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage sowie eines möglichen Nachversteuerungsbetrags erfolgt separat von bisherigen Steuerberechnungen auf Basis international anerkannter Rechnungslegungsstandards. Insbesondere bei MNU mit mehreren Sparten und weltweit verteilten Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten führt dies zu einem erheblichen Informationsbedarf, um eine regelkonforme Berechnung zu gewährleisten. Für eine einheitliche Umsetzung ist somit ein konzernweites ERP-System sowie ein einheitlicher Konzernrechnungslegungsstandard sinnvoll. Die Daten müssten letztlich auf Ebene der inländischen Muttergesellschaft, losgelöst von Konzernsparten, für eine landesbezogene Prüfung (Jurisdictional Approach) des effektiven Steuersatzes sowie die Ermittlung einer Nachversteuerung zusammengeführt werden.
Verknüpfung mit dem Country-by-Country Reporting
Für eine möglichst effiziente Datenerhebung empfiehlt es sich, auf standardisierte Prozessabläufe sowie bereits vorhandene Datenquellen zurückzugreifen. Aus mehreren Gründen ist der Prozess der Datenbeschaffung für das Country-by-Country Reporting (CbCR) gem. § 138a AO besonders naheliegend (in Planung ist eine verpflichtende Veröffentlichung des CbCR ab dem Jahr 2025, sog. Public CbCR; vgl. hierzu Koch, Tax Compliance, TLE-020-2021 und ausführlich Lanfermann/Götze, BB 2022, 235). Die Umsatzschwelle für den Anwendungsbereich beim CbCR entspricht ebenfalls 750 Mio. Euro p.a.. Von den GloBE Rules erfasste MNU, mussten also bisher schon die Pflichten des CbCR erfüllen. Regelmäßig sind deshalb standardisierte Prozesse zur Informationsabfrage bei den auslandsansässigen Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten vorhanden und die verantwortlichen Ansprechpartner in den jeweiligen Steuerjurisdiktionen bekannt. Auch beim CbCR erfolgt die Koordination des Prozesses i.d.R. auf Ebene der obersten Konzerngesellschaft, um die Daten im letzten Schritt für länderbezogene Berichte zusammenzuführen. Überschneidungen hinsichtlich der notwendigen Daten für das CbCR sowie die Berechnungen zur GloBE Mindestbesteuerung sind zwar vorhanden, aber begrenzt. Die Finanzinformationen gem. § 138a Abs. 2 AO bieten eine geeignete Ausgangsbasis für eine indikative Analyse, müssen für die endgültigen Berechnungen jedoch um wesentlich detailliertere Angaben ergänzt werden. Im Vorfeld sollte überprüft werden, welche Daten des unternehmenseigenen CbCR-Prozesses für die Berechnungen der GloBE-Mindeststeuer verwendet werden können, um doppelte Datenabfragen zu vermeiden.
Fazit | Aufgrund der Komplexität und des immensen Informationsbedarfs sollten Synergiepotenziale in Verbindung mit bestehenden Tax Compliance Prozessen zur Erfüllung der GloBE Rules bestmöglich genutzt werden. Koordiniert durch die Konzernobergesellschaft kann entschieden werden, welche Prozessschritte auf die Auslandseinheiten vorgelagert werden und an welchen Stellen eine Zentralisierung sinnvoller ist. Hierdurch könnten sich schließlich Vorteile ergeben, wenn etwa die verbesserte Datenverfügbarkeit neue Einblicke in die Konzernsteuern gewährt und somit die Steuerplanung optimiert werden kann.
Dr. Ulf Freytag ist Lehrbeauftragter und Christopher Seifert (M.Sc.) wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre von Prof. Dr. Carmen Bachmann an der Universität Leipzig.