Wie kann ein TCMS bei multinationalen Unternehmen sinnvoll organisiert werden?
Die Implementierung eines gesetzeskonformen Tax Compliance Management System (Tax CMS) steht für die Steuerfunktionen mittlerer und großer Unternehmen weltweit auf der Tagesordnung. Steuerliche Compliance-Vorschriften und die damit verbundenen Anforderungen an ein Tax CMS variieren jedoch zwischen den Ländern: In den einzelnen Staaten wird entweder ein auf Freiwilligkeit und Zusammenarbeit basierender kooperativer Ansatz verfolgt oder es existieren verpflichtende Regelungen.
Teilweise fordern gesetzliche Bestimmungen eindeutig die Einrichtung eines Tax CMS (z. B. wird in Österreich gem. § 153b Bundesabgabenordnung für die Teilnahme am Horizontal Monitoring die Einrichtung eines internen Steuerkontrollsystems vorausgesetzt) teilweise wird – durch die Aussicht auf positive Indizwirkung gegen vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln – dies nur indirekt empfohlen (z. B. in Deutschland, vgl. BMF v. 23.05.2016 – IV A 3 – S 0324/15/10001IV A 4 – S 0324/14/10001 oder in Großbritannien, vgl. Part 3, Criminal Finances Act 2017). Für die tatsächliche Organisation und Ausgestaltung allerdings, bestehen in der Regel keine rechtlichen Vorgaben. Die Praxis orientiert sich an diversen Standards und Rahmenwerken – wie etwa in Deutschland am Prüfungsstandard 980 des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW).
Beachte | Die Funktionsfähigkeit und der Nutzen eines Tax CMS ist allerdings entscheidend von dessen Aufbau und Implementierung abhängig.
Steuerrecht entwickelt sich künftig verstärkt überstaatlich
Aufgrund der Internationalisierung auf dem Gebiet der Tax Compliance stellt sich insbesondere für multinationale Unternehmen (MNU) die Frage nach dem richtigen Organisationsgrad eines Tax CMS: Angetrieben von Organisationen wie der Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) wird das Steuerrecht in Zukunft verstärkt überstaatlich entwickelt. Jüngste Beispiele sind das International Compli-ance Assurance Programme (ICAP) der OECD oder die DAC 6-Meldepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen als deutsche Umsetzung des Aktionspunkt 12 des Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)-Projekts. International agierende Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung es diesen Entwicklungen gleichzutun. Für die Organisationsstruktur eines Tax CMS bedeutet dies vor allem eine Entscheidung zwischen einem (i) Tax CMS mit multilateraler Dimension oder (ii) mehreren regionalen Tax CMS mit Fokus auf den nationalen Besonderheiten. Die Abwägung ist in erster Linie getrieben durch die jeweiligen Vor- und Nachteile von Zentralisierung gegenüber Dezentralisierung.
Vorteile eines multilateralen Tax CMS
Da sich die steuerlichen Risiken für MNUs zunehmend von Ländergrenzen lösen, erscheint ein internationales Tax CMS durchaus zweckmäßig. Idee der multilateralen Organisation ist es, die klassischen Vorteile eines nationalen Tax CMS, wie beispielsweise erhöhte Rechtssicherheit oder geringere Haftungsrisiken, auf die internationale Ebene zu übertragen. Dieser Ansatz ist mit einer Integration und Zentralisierung der unternehmensinternen steuerlichen Compliance-Aktivitäten verbunden. MNUs könnten hierdurch insbesondere von Größenvorteilen und grenzüberschreitenden Spillover-Effekten profitieren.
Durch einheitliche Vorgaben und Umsetzung können synergetische Effekte zur Verringerung der konzernweiten Compliance-Kosten beitragen. Zusätzlich kann ein globales Tax CMS die Transparenz erhöhen und positiv zum Informationsaustausch zwischen den Konzerngesellschaften beitragen. Dies könnte die Abstimmung der steuerlichen Aktivitäten verbessern und letztlich eine effizientere Steuerplanung ermöglichen. Zudem muss im steuerlichen Risikomanagement länderübergreifenden Sachverhalten ohnehin erhöhte Aufmerksamkeit beigemessen werden. Ein internationales Tax CMS würde diesem Bedarf eher gerecht werden. Zuletzt könnten durch die Implementierung eines globalen Tax CMS weitere nützliche Nebeneffekte entstehen, wie beispielsweise die positive Wirkung eines hohen Risikobewusstseins in einem Land auf Tochtergesellschaften in Staaten mit geringerer Compliance-Moral.
Nachteile eines multilateralen Tax CMS
Mit einem hohen Zentralisierungsgrad sind – trotz möglicher Vorteile – auch Probleme verbunden. Zum einen entsteht durch ein multilaterales Tax CMS ein erhöhter Implementierungsaufwand, da umfassende Abstimmungsmaßnahmen zwischen den einzelnen Ländern erforderlich sind. Zum anderen ist die konzernweite Einheitlichkeit beim Tax CMS nur auf Kosten der Flexibilität umsetzbar. Die landesspezifischen Anforderungen an Compliance und Risikomanagement erfordern dezentrale Maßnahmen und Entscheidungen. Fehlende Flexibilität stellt bei hoher Heterogenität der gesetzlichen Vorgaben zwischen den Konzernunternehmen eine große Beeinträchtigung für die nationalen Steuerfunktionen dar.
Da bei den steuerlichen Compliance-Vorschriften inzwischen jedoch relativ viele Parallelen zwischen den Ländern bestehen, bezieht sich die Heterogenität noch viel mehr auf die Unterschiede in der Risikokultur und im Risikobewusstsein für steuerliche Problemfelder. Die eigentlich gleichen Aktivitäten werden in den einzelnen Ländern hinsichtlich ihrer Risiken unterschiedlich eingeschätzt und die Steuerprozesse sind daher in den ausländischen Tochtergesellschaften mit anderen Risiken behaftet. Die Intensität der Maßnahmen zur Etablierung einer angemessenen Risikokultur muss folglich zwischen den Ländern variieren.
Konzernweites Rahmenwerk als Mittelweg | Ein globales Tax CMS hat Vor- und Nachteile. Der perfekte Ausgleich zwischen zentralen Vorgaben und dezentraler Flexibilität könnte ein konzernweites Rahmenwerk sein. Koordiniert durch die Muttergesellschaft bildet dieses einen konzernweiten Standard und spiegelt die Mindestanforderungen an ein Tax CMS wider. Es kann an die länderspezifischen Besonderheiten angepasst werden und bietet gleichzeitig die Vorteile von einheitlichem Compliance-Management und Reporting innerhalb des MNU.
Als Leitlinie für ein solches internationales Rahmenwerk könnte beispielsweise der Standard für interne Kontrollsysteme des Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (COSO) dienen. Dieser ist zwar nicht speziell für Tax CMS ausgelegt, jedoch ein international anerkannter Standard für interne Kontrollsysteme. Sowohl der IDW PS 980 als auch die Empfehlungen des OECD für die Ausgestaltung eines Tax CMS orientieren sich am COSO-Rahmenwerk.
Johannes Gebhardt (B.Sc.) und Christopher Seifert (B.Sc.) sind Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre von Prof. Dr. Bachmann an der Universität Leipzig.