Anwendungsprobleme im Zusammenhang mit der Lizenzschranke gemäß § 4j EStG
Die Einführung einer „Lizenzschranke“ gemäß § 4j EStG durch das „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ vom 27.06.2017, welche die steuerliche Abzugsfähigkeit von Lizenzgebühren unter bestimmten Voraussetzungen einschränkt oder gänzlich versagt, wird im Schrifttum und von führenden Wirtschaftsverbänden (vgl. die Stellungnahme der Spitzenverbände zum Referentenentwurf für eine Lizenzschranke vom 11.01.2017) überwiegend kritisch bewertet. Dabei wird primär im Sinne einer mangelnden Verfassungs- und Unionsrechtskonformität des § 4j EStG argumentiert. Für die Steuerpraxis treten jedoch unabhängig von dieser Frage kurz- und mittelfristig eher Probleme der konkreten praktischen Anwendung der neuen Vorschrift in den Vordergrund, wobei auch erhebliche „handwerkliche“ Mängel des neuen § 4j EStG zu Tage treten. Fragwürdig ist insbesondere die Ausgestaltung der Tatbestandsvoraussetzung der „Niedrigbesteuerung“ in Form eines von der Regelbesteuerung abweichenden sogenannten „Präferenzregimes“.
Unscharfe Begrifflichkeiten der „Regelbesteuerung“ und des „Präferenzregimes“
Die Rechtsfolgen des § 4j EStG greifen nur, wenn „die Einnahmen des Gläubigers einer von der Regelbesteuerung abweichenden, niedrigen Besteuerung nach Absatz 2 unterliegen (Präferenzregelung)“ (§ 4j Abs. 1 S. 1 EStG). Hierbei fällt zunächst auf, dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgeht, dass sich eine „Regelbesteuerung“ in der jeweiligen ausländischen Jurisdiktion als Referenzgröße für jede Fallkonstellation sicher bestimmen lässt. Dies ist jedoch durchaus zweifelhaft. So kann der Gläubiger z.B. einem progressiven Steuertarif oder gegebenenfalls einer nach Einkunftsarten differenzierten Schuldenbesteuerung unterliegen, sodass mit Blick auf die Bestimmung einer „Regelbesteuerung“ erhebliche Rechtsunsicherheiten verbleiben.
Weiterhin ist zu fragen, was unter einem „Präferenzregime“ im Sinne des § 4j Abs. 1 S. 1 EStG zu verstehen ist. Man könnte diesen Terminus so interpretieren, dass eine begünstigende steuerliche Sonderregelung speziell für Lizenzeinnahmen vorliegen muss – eine Sichtweise, die jedenfalls mit der Zielsetzung der Vorschrift harmonieren würde. Der Wortlaut des § 4j EStG stützt diese Sichtweise bei genauerer Betrachtung jedoch nicht. § 4j Abs. 1 S. 1 EStG verlangt originär lediglich eine von der Regelbesteuerung abweichende, niedrige Besteuerung. Der erst im Klammerzusatz hinzutretende Terminus des „Präferenzregimes“ ist insoweit nicht als weitere Einschränkung dieser Voraussetzungen zu verstehen, sondern als Klarstellung dahingehend, dass diese gesonderte Besteuerung gegenüber dem Regelsteuersatz begünstigend sein muss, also nicht nur von ihm abweichend, sondern niedriger. Diese Klarstellung ist deswegen notwendig, weil auch der Fall denkbar ist, dass sowohl die Regelbesteuerung als auch das die Lizenzeinnahmen (mit-) erfassende Spezialregime eine Besteuerung von weniger als 25 % vorsehen, das Spezialregime insoweit aber eine höhere Besteuerung als den Regelsteuersatz anordnet. Diesen Fall will § 4j EStG richtigerweise nicht erfassen, eine Einschränkung des § 4j EStG auf rein IP-bezogene Begünstigungsregeln kann hieraus jedoch nicht geschlossen werden.
Hinweis | Dieses Ergebnis ist mit Blick auf die Zielsetzung der Vorschrift allerdings durchaus kritisch zu sehen, da der Anwendungsbereich des § 4j EStG insoweit dem Wortlaut nach deutlich über typische IP-Box Konstellationen hinausgeht. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf explizit IP-bezogene Präferenzregeln wäre daher wünschenswert.
Problembereiche im Zusammenhang mit dem Kriterium der „Niedrigbesteuerung“
Auf den ersten Blick mag man verleitet sein, in dem Niedrigbesteuerungskriterium des § 4j Abs. 2 EStG eine gewisse systematische Nähe zur korrespondierenden Vorschrift des § 8 Abs. 3 AStG im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 bis 14 AStG zu erkennen. Tatsächlich wird auch in beiden Vorschriften auf eine Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 25 Prozent abgestellt, was fragwürdiger Weise selbst Fallkonstellationen mit erheblicher ertragsteuerlicher Vorbelastung in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften rückt.
Allerdings verweist § 4j EStG nicht vollständig auf § 8 Abs. 3 AStG, sondern ordnet lediglich eine entsprechende Anwendung von § 8 Abs. 3 S. 2 und 3 AStG an. Diese Bestimmungen betreffen allerdings Spezialfälle wie die klassischen „Malta-Gestaltungen“. Die in § 8 Abs. 1 S. 1 AStG verortete Grundsystematik des § 8 Abs. 3 AStG macht sich der Gesetzgeber für Zwecke des § 4j EStG damit also gerade nicht zu eigen. Besonders deutlich wird dies dadurch, dass § 4j Abs. 2 EStG, anders als § 8 Abs. 3 AStG, auf die Besteuerung der „Einnahmen“ abstellt und mit den Lizenzgebühren zusammenhängende tatsächliche Betriebsausgaben des Gläubigers keine Berücksichtigung finden. Diese reine „Brutto-Betrachtung“ mag zwar der Vereinfachung dienen, kann jedoch weder steuersystematisch noch ökonomisch überzeugen.
Ebenfalls überraschend ist, dass der Gesetzgeber nicht explizit geregelt hat, wie die Bemessungsgrundlage für die potenziell niedrig besteuerten Lizenzeinnahmen zu ermitteln ist. Hier wäre es sinnvoll, diese nach deutschem Steuerrecht korrespondierend zu den im Inland anfallenden Ausgaben zu ermitteln, um damit der Sache und der Höhe nach vergleichbare Größen heranzuziehen. Auch insoweit ist der Wortlaut des § 4j EStG jedoch nicht eindeutig, eine explizite gesetzliche Klarstellung wäre daher wünschenswert.
Weitere Implikationen für die Praxis
Einige weitere Praxisprobleme im Zusammenhang mit § 4j EStG sollen im Folgenden nur kursorisch dargestellt werden. So erhöhen die Regelung für mehrstufige Strukturen, Zwischenschaltungsfälle und transparente Vehikel als Gläubiger in § 4j Abs. 1 S. 2 EStG und § 4j Abs. 2 S. 3 EStG die Komplexität der Vorschrift erheblich. Auch ist die auf den Nexus-Ansatzes Bezug nehmende Rückausnahme in § 4j Abs. 1 S. 4 EStG recht allgemein und knapp gehalten und wird daher zweifellos für einige Anwendungsschwierigkeiten sorgen, insbesondere da die Anwendung des § 4j EStG nur suspendiert wird, „soweit“ die Niedrigbesteuerung daraus resultiert, dass die Einnahmen einem dem Nexus-Ansatz folgenden Besteuerungsregime unterliegen.
Beachte | Positiv ist hingegen anzumerken, dass immerhin das Verhältnis der Lizenzschranke zur Hinzurechnungsbesteuerung in § 4j Abs. 1 S. 5 EStG und § 10 Abs. 3 S. 4 AStG explizit geregelt wurde.
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf | Auch wenn an der Verfassungsmäßigkeit und Unionsrechtskonformität des § 4j EStG berechtigte Zweifel geäußert werden, so ist die Vorschrift nun einmal „in der Welt“ und bringt damit für die Steuerpraxis eine ganze Reihe von Anwendungsproblemen mit sich, welche eher der handwerklichen Umsetzung des § 4j EStG geschuldet sind als seiner grundsätzlichen, im Kern durchaus nachvollziehbaren Zielsetzung. Der Gesetzgeber sollte daher durch eine sachgerechte Überarbeitung des § 4j EStG für den Steuerpflichtigen zeitnah ein akzeptables Maß an Rechtssicherheit herstellen. Speziell eine Absenkung der Niedrigsteuergrenze auf die Höhe des deutschen Körperschaftsteuersatzes von 15 % wäre in diesem Zusammenhang sehr leicht umsetzbar und würde die skizzierten Problembereiche bereits erheblich entschärfen. Die Vorschrift des § 4j EStG würde dann nur noch solche Fälle betreffen, bei denen ihre erheblichen Rechtsbefolgungs- und Rechtsdurchsetzungskosten in einem angemessenen Verhältnis zum berechtigten Ziel der Vermeidung missbräuchlicher steuerlicher Gestaltungen stehen.