• Wer ausreisen will, muss zahlen – Gedanken zur reformierten Wegzugsbesteuerung

    Der Steuergesetzgeber hat kurz vor Ende der 19. Legislaturperiode eine Reihe international relevanter Steuergesetze „durchgepeitscht“. Auch die im Wesentlichen in § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) verortete Wegzugsbesteuerung wurde einer Fundamentalreform unterzogen. Geschehen ist dies mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz (Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie – ATAD-UmsG, BGBl. I 2021 S. 2035). Allerdings ergab sich aufgrund der ATAD überhaupt kein Reformbedarf, da in diesem sekundärrechtlichen Instrument der Europäischen Union lediglich Kapitalgesellschaften angesprochen sind. Ein Blick auf die sprachliche Entwicklung der Begründung im Zeitablauf der Gesetzgebungsmaterialien löst daher mindestens Verwunderung, wenn nicht aus der Perspektive rechtsstaatlich seriöser und transparenter Gesetzgebung blankes Entsetzen aus.

  • Niemand hatte die Absicht, die ATAD umzusetzen – bis die CDU so schwach wurde, dass die SPD sich stark fühlte

    Die Paraphrasierung des berühmten Satzes von Walter Ulbricht im Zusammenhang mit dem Mauerbau 1961 mochte im Kontext der Umsetzung einer EU-Richtlinie in deutsches Recht überzogen anmuten. Gleichwohl befiehl den unvoreingenommenen Beobachter das ungute Gefühl, der aktuelle deutsche Gesetzgeber sei ähnlich hilflos wie die DDR-Machthaber vor 60 Jahren. Die Wahrnehmung legislatorischer Hilflosigkeit betreffend die Umsetzung der EU-Steuervermeidungsrichtlinie vom 12.7.2016 (ATAD) erschien deshalb nicht unbegründet, als diese als zwingend umzusetzendes Sekundärrecht bis zum 31.12.2018 in deutsches Recht zu transformieren war! Sämtliche EU-Mitgliedstaaten – mit Ausnahme Deutschlands – hatten diese Umsetzungsfrist eingehalten, häufig minimalinvasiv. Bemerkenswert war dies insbesondere für eine Regierungskoalition, deren Koalitionsvertrag den pathetischen Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa“ trägt. 

  • Steuerliches Einlagekonto für Drittstaatstochtergesellschaften

    Die nähere Betrachtung der jüngeren Judikatur des EuGH zur Auslegung der Kapitalverkehrsfreiheit im unternehmenssteuerlichen Drittstaatenkontext nährt die Vermutung, dass sich das Unionsrecht partiell zum Weltsteuerrecht weiterentwickelt. Denn sowohl der räumliche als auch der inhaltliche Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV – mit ihrem Drittstaatenbezug – haben mittlerweile die Konzernbesteuerung erreicht. Der Drittstaatenbezug dieser jüngsten europäischen Grundfreiheit beschränkt sich – insoweit im Gegensatz zu den anderen Grundfreiheiten – nicht nur auf das Verbot von Diskriminierungen zwischen den Mitgliedstaaten. Sie umfasst vielmehr auch die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten.

  • Realisierung und „Schachtelstrafe“ bei Abwärtsverschmelzungen von Muttergesellschaften mit im Ausland ansässigen Anteilseignern

    Die Finanzverwaltung vertritt im UmwSt-Erlass 2011 die Auffassung, im Rahmen einer sogen. Abwärtsverschmelzung einer Mutterkapitalgesellschaft auf eine Tochterkapitalgesellschaft sei ein Buchwertansatz dann nicht möglich, wenn an der abwärts verschmolzenen im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft ein im Ausland ansässiger Anteilsinhaber beteiligt sei. Diese Meinung zählt zu dessen umstrittensten Aussagen des UmwSt-Erlasses 2011, zumal die diesbezüglich relevante Ausgangsrechtsnorm, § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG, auch andere Interpretationen zulässt.

  • EuGH kippt § 9 Nr. 7 GewStG

    Am 20.09.2018 hat die Fünfte Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) für Recht erkannt, dass die Art. 63 bis 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsführung und Sitz in einem Drittstaat an strengere Bedingungen knüpft als die Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft.

  • Konzernsteuerrecht und Kapitalverkehrsfreiheit

    Ausweislich des öffentlich einsehbaren Kalendariums des EuGH ist für den 30.11.2017 eine mündliche Verhandlung zur Unionsrechtskompatibilität einer der Zentralnormen des deutschen internationalen Konzernsteuerrechts, § 9 Nr. 7 GewStG, angesetzt. Das als Rs. C-685/16 beim EuGH geführte Verfahren geht auf den Vorlagebeschluss des FG Münster vom 20.9.2016 (9 K 3911/13 F, EFG 2017, 323) zurück. Auf den ersten Blick scheint es sich bei dem die Gewerbesteuer betreffenden Verfahren um eine deutsche Spezialität zu handeln. Tatsächlich geht es indessen um Problembereiche, deren Ausgang weitreichenden Einfluss auf die Konzernbesteuerungssysteme der Mitgliedstaaten erwarten lassen, da mit seiner steuerrechtlichen Beurteilung sowohl Grundfragen des steuerlichen Konzernorganisationsrechts als auch grundlegende ertragsteuersystematische Fragestellungen verknüpft sind.

  • Gedanken zur Zukunft der Hinzurechnungsbesteuerung

    | Die in den §§ 7-14 AStG verortete Hinzurechnungsbesteuerung wird – das ist ein weitgehend unstrittiger Befund – als dringend reformbedürftig qualifiziert. Sie gilt als zu kompliziert und damit vielfach unpraktikabel. Ferner wird ihr zur Last gelegt, sie sei im Hinblick auf Regelungsziel und Regelungskonzeption nicht mehr zeitgemäß, in sich widersprüchlich und damit nicht mehr beherrschbar. Trotz der Einführung eines Motivtests in § 8 Absatz 2 AStG sei sie weiterhin in Teilbereichen nicht mit den Grundfreiheiten des AEUV kompatibel.. Schließlich verstummt verfassungsrechtliche Kritik im Allgemeinen ebenso wenig wie der Vorwurf, im Speziellen vermöge die Hinzurechnungsbesteuerung zu exorbitanten verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigenden Belastungswirkungen zu führen.|