European Insolvency & Restructuring Ausländisches Insolvenzrecht
Thomas Rihm

Entwicklungen im schweizerischen Insolvenzrecht

Die EU setzt ihre Bemühungen fort, den Umstrukturierungsprozess durch einen präventiven Umstrukturierungsrahmen voranzutreiben. Sie übernimmt viele Elemente der Umstrukturierungen des US Chapters 11 und sollte es lebensfähigen Unternehmen ermöglichen, sich zu erholen und auf dem Markt zu bleiben. Ebenso will die EU vermeiden, dass schlecht geführte Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen, indem sie alle fünf Jahre ihre erheblichen Gläubiger los werden. Die Luftfahrtindustrie in den Vereinigten Staaten gibt ein anschauliches Beispiel dafür, wie die Verfahren nach Chapter 11 auch missbraucht werden können.

Revidiertes Insolvenzrecht erleichterte die Sanierung

Das nationale Insolvenzrecht in der Schweiz ist nicht sehr alt. Es trat am 1. Januar 2014 in Kraft. Kerngehalt des revidierten Sanierungsrechts war eine Art Chapter 11 Verfahren, um die Sanierung von Unternehmen in finanzieller Schieflage zu erleichtern (Müller/Lind, Fünf Jahre neues Sanierungsrecht: Erfahrungen, Befunde und Entwicklungen, Expert Fokus 09/2019, S. 637).

Durch das revidierte Insolvenzrecht sind die Hürden für eine Sanierung sowie für eine provisorische Nachlassstundung jetzt niedriger. Die Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung kann nicht mehr angefochten werden (vgl. Art. 293d SchKG). Obwohl diverse Neuerungen zu einer Vereinfachung der Nachlassstundung führen sollten, birgt das neue Sanierungsrecht auch neue Herausforderungen: so können durch die Publikation der Nachlassstundung im Amtsblatt Kunden und Lieferanten abgeschreckt werden (Müller/Lind, Fünf Jahre neues Sanierungsrecht: Erfahrungen, Befunde und Entwicklungen, Expert Fokus 09/2019, S. 638).

Beachte | In begründeten Fällen kann deshalb auf die öffentliche Bekanntmachung bis zur Beendigung der provisorischen Stundung verzichtet werden, sofern der Schutz Dritter gewährleistet ist und ein entsprechender Antrag vorliegt (Art. 293c Abs. 2 SchKG).

Internationalisierung der Schweizer Wirtschaft

Im Hinblick auf die seit Dekaden bestehende und weiterwachsende Internationalisierung der Schweizer Wirtschaft ist das revidierte internationale Privatrecht der Schweiz (IPRG) im Bezug auf das Konkursrecht am 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Dieses enthält auch einen überarbeiteten Teil über das Insolvenzrecht.

Die Schweiz muss im Vergleich zum angrenzenden Ausland, auch insbesondere der EU, noch einiges an Modernisierungs- und Öffnungsarbeit leisten (Schellenberg/Hässig, Das neue internationale Insolvenzrecht der Schweiz – Welche Auswirkungen hat es für ausländische Insolvenzverwalter?, Froriep Newsletter, 02/2019, S. 1). Zwar führt das revidierte IPRG zu Vereinfachungen bei Anerkennungsvoraussetzungen, jedoch sind die ganzen großen Neuerungen ausgeblieben. Ein ausländischer Insolvenzentscheid kann noch immer nicht direkt in der Schweiz anerkannt werden. Hierfür ist nach wie vor ein Gerichtsverfahren erforderlich.

Auch im Hinblick auf das Hilfskonkursverfahren sind noch diverse Fragen ungeklärt. Häufig lässt sich erst nach Anerkennung des ausländischen Insolvenzentscheids nachweisen, ob ausreichend Vollstreckungssubstrat vorhanden ist und sich die Forderungen auch tatsächlich durchsetzen lassen. Weiterhin bleibt trotz der Neuerungen im Sanierungsrecht der Anteil an Konkurseröffnungen und Betriebsschließungen hoch.

Hinweis | Auch der Schweizerische Bundesrat ist der Ansicht, dass noch weitere Verbesserungen eingeführt werden müssen. Im März 2018 veröffentlichte er einen Bericht, wo vorgeschlagen wird, für natürliche Personen die Restschuldbefreiung nach ausländischem Vorbild einzuführen (Vgl. Botschaft des Bundesrats zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht, 11. Kapitel: Konkurs und Nachlassvertrag, vom 24.05.2017, in: BBl 2017, 4126.).

Zum Schluss | Das internationale Insolvenzrecht der Schweiz entspricht bei weitem noch nicht internationalen Standards und spiegelt auch nicht die internationale Bedeutung des Finanzplatzes Schweiz in der Welt wieder. Die Internationalisierung des Schweizer Konkursrechts ist also weiterhin nicht abgeschlossen.

Dominique Berther, Swiss Bachelor of Law, ist Mitarbeiterin bei Rihm Rechtsanwälte in Zürich.