Global Taxes Außensteuerrecht
Till Moser

Plädoyer für eine Abschaffung des § 13 AStG

Mit dem ATAD Umsetzungsgesetz v. 25.06.2021 (ATADUmsG) ist die sog. „erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung“ gem. § 7 Abs. 6 und 6a AStG a.F. in den „wiederbelebten“ § 13 AStG überführt worden. Die materiellen Veränderungen waren dabei in Anbetracht der im Schrifttum geübten massiven Kritik an der bisherigen Regelung eher überschaubar. Dies ist wenig verständlich, denn wie im Folgenden gezeigt wird, ist die praktische Anwendung des § 13 AStG hochproblematisch und seine ersatzlose Streichung sollte daher ernsthaft erwogen werden.

Erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung nach § 13 AStG

§ 13 AStG sieht eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung bei Beteiligungen an Kapitalanlagegesellschaften vor. In diesen Fällen sollen die Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung auch dann greifen, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 AStG im Übrigen nicht erfüllt sind. Damit muss in diesen Fällen insbesondere keine Beherrschungsbeteiligung gegeben sein, es reicht stattdessen eine Beteiligung von 1% durch einen unbeschränkt Steuerpflichtigen (anders als der Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung greift § 13 AStG generell nicht für beschränkt Steuerpflichtige, vgl. Rn. 703 AEAStG), in bestimmten Fallkonstellationen sogar jede beliebige Beteiligungshöhe.

Vorausgesetzt wird jedoch wie im Rahmen des Grundtatbestands der Hinzurechnungsbesteuerung eine Niedrigbesteuerung nach § 8 Abs. 5 AStG, d.h. nach Absenkung des alten Niedrigsteuersatzes von 25% durch das MinBestRL-UmsG v. 21.12.2023 nunmehr eine Belastung mit Ertragsteuern von weniger als 15 %. Zuletzt müssen noch sog. „Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter“ vorliegen, die – anders als die für den Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung maßgeblichen „passiven Einkünfte“ (§ 8 Abs. 1 AStG) – in § 13 Abs. 2 AStG positiv definiert werden. Demnach sind Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter Einkünfte (einschließlich Veräußerungsgewinne), die aus dem Halten, der Verwaltung, der Werterhaltung oder der Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (außer Einkünften i.S.d. § 8 Absatz 1 Nr. 7 und Nr. 8 AStG) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen. Keine Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter liegen jedoch vor, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Einkünfte aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Absatz 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient.

Unionsrechtliche Notwendigkeiten anerkennend erlaubt § 13 Abs. 4 AStG einen Substanztest, in dem er auf § 8 Abs. 2 AStG verweist (vgl. hierzu umfassend Kraft, IStR 2023, S. 526). Dieser gilt auch für Drittstaatensachverhalte, da auf § 8 Abs. 3 AStG explizit nicht verwiesen wird. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass bei Fallkonstellationen des § 13 AStG regelmäßig die Kapitalverkehrsfreiheit berührt ist. Als weitere Rückausnahme ist in § 13 Abs. 1 S. 3 AStG eine – sehr niedrige und daher materiell unbedeutende – Bagatellgrenze enthalten.

Unüberbrückbare praktische Hindernisse

Anders als im Rahmen der „regulären“ Hinzurechnungsbesteuerung wird es dem Steuerpflichtigen in den Fällen des § 13 AStG bei den für sie typischen niedrigen Beteiligungsquoten oft nicht möglich sein, seinen steuerlichen Nachweis- und Mitwirkungspflichten nachzukommen. Noch stärker gilt dies in mehrstufigen Beteiligungsketten, welche von § 13 AStG regelmäßig erfasst werden, da die Beteiligung gem. § 13 Abs. 1 S. 1 AStG explizit „unmittelbar oder mittelbar“ sein kann.

Bereits zur Vorgängervorschrift des § 7 Abs. 6 und 6a AStG a.F. wurde früh auf praktische Probleme der Rechtsanwendung hingewiesen. Speziell zu mehrstufigen Beteiligungsketten führte Waldhoff (StuW 2013, S. 121, 141) zutreffend aus:

„Die einer Fabelwelt eignenden Größenordnungen, die sich auf einer dritten, vierten, fünften Stufe und ad finitum ergeben, spotten einer seriösen rechtlichen Behandlung schon im Ansatz“.

Waldhoff postulierte insoweit mit Blick auf die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung das Vorliegen eines verfassungsrechtlich bedenklichen „strukturellen Vollzugsdefizits“. Auch nach der Umstellung der Systematik von der sog. „übertragenden Hinzurechnung“ nach § 14 AStG a.F. hin zu einer direkten Zurechnung bei nachgeschalteten Gesellschaften durch das ATADUmsG bleibt dieses Problem bestehen. In jüngerer Zeit haben daher insbesondere Kortendick/Ekinci (DStR 2022, S.2526) an diese Kritik angeknüpft. Zutreffend bemängeln sie, Minderheitsgesellschafter könnten regelmäßig keinen Einfluss auf die Ausschüttungs- bzw. Finanzierungspolitik der Kapitalanlagegesellschaft nehmen. Mangelnde Kenntnisse über die Einkünfteerzielung der ausländischen Gesellschaft würden die Erfüllung der Mitwirkungspflichten erheblich erschweren, teilweise sogar unmöglich machen. Auch wird der Missbrauchsgedanke bei derart geringen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft schwerlich aufrechterhalten werden können (ebd. S. 2528).

§ 13 AStG steht unionsrechtlich auf „tönernen Füßen“

Die Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) enthält in Art. 7 und 8 umfangreiche Vorgaben für die Ausgestaltung von Controlled Foreign Company (CFC) Regelungen. Wesentlich ist dabei das Vorliegen einer Kontrollbeteiligung. Eine Regelung wie § 13 AStG, welche von dem Aspekt der Beherrschung vollständig abstrahiert, ist dagegen in Art. 7 und 8 ATAD konzeptionell nicht angelegt. Aus den ATAD Vorgaben ergibt sich demnach keinerlei unionsrechtliche Notwendigkeit für die Schaffung einer derartigen Regelung. Jedoch definiert die ATAD lediglich ein Mindestschutzniveau (Art. 3 ATAD) und überlässt es den EU Mitgliedstaten damit explizit, strengere Regelungen zu erlassen.

Auch Regelungen wie § 13 AStG, welche die sekundärrechtlichen Vorgaben der ATAD „übererfüllen“, haben sich jedoch selbstverständlich an den primärrechtlichen Grundfreiheiten zu messen. In der Literatur wird dabei bzgl. der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung nach § 13 AStG ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit postuliert (vgl. Vogt in Brandis/Heuermann, § 13 AStG [173. EL. September 2024], Rn. 29 m.w.N.). Die Kritik konzentriert sich dabei darauf, dass es bei Personen, welche keinen beherrschenden Einfluss ausüben, nahezu ausgeschlossen sei, dass sie eine Einkünfteverlagerung ins Ausland missbräuchlich gestalten oder auch nur beeinflussen können (vgl. ebd., Rn. 29). Auch sei der Substanztest des § 8 Abs. 2 AStG angesichts der einschlägigen EuGH Rechtsprechung zu restriktiv ausgestaltet (vgl. Böhmer/Gebhardt/Krüger, IWB 2021, S. 479, 491). So wird etwa in der Rechtssache Cadbury Schweppes (EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04) eine „wirkliche“ wirtschaftliche Tätigkeit gefordert, wohingegen § 8 Abs. 2 AStG nunmehr fordert, dass die ausländische Gesellschaft „einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ nachgehen muss (kritisch Schneider, IStR 2023, S. 501, 503 m.w.N.).

Hinzu kommt insbesondere im Kontext des EuGH Urteils X GmbH v. 26.02.2019 (C-135/17) die ganz generelle Frage, ob der Substanztest des § 8 Abs. 2 AStG im Rahmen des § 13 AStG und damit im Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit überhaupt der richtige Maßstab für den Gegenbeweis sei, da der EuGH hier wesentlich auf wirtschaftliche Gründe für die Beteiligung und nicht nur auf das Vorhandensein von „Substanz“ abgestellt hat (vgl. Gebhardt/Krüger in Haase (4. Aufl.), § 13 AStG Rn. 29). In der Gesamtschau ist das unionsrechtliche Fundament des § 13 AStG somit keinesfalls für alle Fallkonstellationen als „gesichert“ einzustufen.

Zum Schluss  | Unabhängig von verfassungs- und unionsrechtlichen Erwägungen ergibt die Regelung des § 13 AStG auch ökonomisch wenig Sinn. Bereits Adam Smith hat in seinem grundlegenden Werk „The Wealth of Nations“ die Prinzipien „Certainty of Taxation“ und „Economy of Collection” als zentrale Prinzipien ökonomisch effizienter Besteuerung identifiziert. Eine in Tatbestand und Rechtsfolgen – gerade bei mehrstufigen Strukturen – exzessive Vorschrift wie § 13 AStG, deren Anwendung mangels Beschaffbarkeit der notwendigen Informationen in vielen Fällen praktisch unmöglich ist, widerspricht diesen grundlegenden ökonomischen Prinzipien evident.

Selbst wenn man die Vorschrift des §13 AStG – anders als der Autor dieses Beitrags – mit Blick auf das Ziel der Missbrauchsvermeidung für dem Grunde nach sachgerecht halten sollte, wird man ihr jedenfalls aus einer Transaktionskostenperspektive unter Gegenüberstellung der hohen Kosten der Rechtsdurchsetzung (Bürokratie, erhebliche Rechtsunsicherheit, hoher Verwaltungsaufwand) mit ihrem zweifelhaftem Nutzen (Sanktionierung von spezifischen außensteuerlichen Fallkonstellationen, welche jedenfalls aus Sicht des ATAD Mindeststandards durchaus tolerabel wären) ein vernichtendes Urteil aussprechen müssen.

Die beste Lösung wäre daher eine ersatzlose Streichung der Vorschrift des § 13 AStG und damit eine weitere Angleichung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung an die Standards der ATAD.