European Insolvency & Restructuring Insolvenzordnung
Gehrlein

Zur Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens bei Gläubigerbenachteiligung

In einer vom BGH (Urt. v. 2.5.2019 – IX ZR 67/18) entschiedenen Sache war der Beklagte alleiniger Kommanditist der Muttergesellschaft der Schuldnerin und Alleingesellschafter der einzigen Komplementärin der Muttergesellschaft. Der Beklagte gewährte der Schuldnerin ein Darlehen über 100.000 €. Die Schuldnerin zahlte den Darlehensbetrag am 7.3.2013 an den Beklagten zurück. Nach Erhalt der Mittel entrichtete der Beklagte ebenfalls noch am 7.3.2013 als Kommanditeinlage 100.000 € an die Muttergesellschaft, die ihrerseits unmittelbar nachfolgend an diesem Tag eine Verlustausgleichszahlung über 100.000 € an die Schuldnerin erbrachte.

Der BGH gab der gegen den Gesellschafter auf der Grundlage von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erhobenen, von dem Vordergericht noch abgewiesenen Klage auf Zahlung von 100.000 € statt.

Kreditgewährung stellt Gesellschafterdarlehn dar

Die Kreditgewährung durch den Beklagten war als Gesellschafterdarlehen zu behandeln. Insoweit bewegt sich die Entscheidung innerhalb der bereits durch die Rechtsprechung entwickelten Bahnen.

Zwar war der Beklagte selbst im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht Gesellschafter der Schuldnerin. Von der Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 InsO werden jedoch Rechtshandlungen Dritter erfasst, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen. Der mittelbar an einer Gesellschaft Beteiligte ist hinsichtlich seiner Kredithilfen für die Gesellschaft wie ein unmittelbarer Gesellschafter zu behandeln. Dies gilt jedenfalls für den Gesellschafter-Gesellschafter, also denjenigen, der an dem Gesellschafter der Gesellschaft beteiligt ist und aufgrund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf diesen ausüben kann.

In dieser Weise verhielt es sich im Streitfall. Alleingesellschafterin der Schuldnerin ist ihre Muttergesellschaft. Der Beklagte ist einziger Kommanditist der Muttergesellschaft und zugleich Alleingesellschafter ihrer Komplementär-GmbH. Damit ist der Beklagte wirtschaftlich betrachtet Alleingesellschafter der Schuldnerin.

Gläubigerbenachteiligung blieb bestehen

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO waren gegeben. Die mit der Darlehensrückzahlung verbundene Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) wurde nicht vor der Verfahrenseröffnung beseitigt. Hier liegt der Schwerpunkt der Entscheidung, die der rechtlichen Würdigung der Vorinstanz deutlich entgegentritt.

Heilung einer Gläubigerbenachteiligung

Zunächst befasst sich der BGH mit den Voraussetzungen, unter denen eine Gläubigerbenachteiligung geheilt werden kann. Eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nachträglich dadurch wieder behoben werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt. Die Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung setzt voraus, dass die entsprechende Rückgewähr des Anfechtungsgegners eindeutig zu dem Zweck erfolgt, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wiederzugeben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her muss es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln. Eine solche Rückführung kann etwa anzunehmen sein, wenn ein abgetretenes Recht an den Schuldner rückabgetreten oder eine erhaltene Zahlung an ihn zurückgewährt wird.

Beachte | Dem Anfechtungsgegner muss die Anfechtbarkeit der an ihn bewirkten Zahlung nicht bewusst gewesen sein. Vielmehr genügt es, wenn der Anfechtungsgegner dem Schuldner Vermögenswerte zukommen lässt, welche bestimmungsgemäß die angefochtene Leistung vollständig ausgleichen und dem Gläubigerzugriff offenstehen.

Zahlungsströme sind maßgeblich

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Bei seiner Prüfung verfolgt der BGH akribisch die einzelnen Zahlungsströme.

Zunächst untersucht er, ob durch die Zahlung des Beklagten an die Muttergesellschaft die bei der Schuldnerin eingetretene Gläubigerbenachteiligung beseitigt wurde. Durch die Zahlung des Beklagten an die Muttergesellschaft zwecks Erfüllung seiner Kommanditeinlageverpflichtung wurde die bei der Schuldnerin eingetretene Gläubigerbenachteiligung nicht behoben. Adressat und Zweck der Zahlung standen einer Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung bei der Schuldnerin entgegen. Der Beklagte hat den an ihn zurückgeführten Darlehensbetrag über 100.000 € nicht erneut der Schuldnerin zur Verfügung gestellt. Vielmehr hat er eine Zahlung von 100.000 € zum Zweck der Tilgung seiner Kommanditeinlageschuld deren Muttergesellschaft zugewendet. Mittels Zahlung an einen Dritten, und sei es die Muttergesellschaft, konnte die im Vermögen der Schuldnerin bestehende Gläubigerbenachteiligung nicht beseitigt werden. Hierzu hätte es einer Zahlung an die Schuldnerin bedurft.

Mittelbare Zuwendung scheidet aus

In einem zweiten Schritt wendet sich der BGH der Frage zu, ob die Zahlung der Muttergesellschaft an die Schuldnerin die Gläubigerbenachteiligung beseitigt hat. Dies wird überzeugend anhand der Rechtsprechung zu mittelbaren Zuwendungen abgelehnt. Die Voraussetzungen einer mittelbaren Zuwendung durch den Beklagten fehlen, weil die Muttergesellschaft nicht auf Weisung des Beklagten tätig wurde und zudem mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit aus Verlustdeckungshaftung getilgt hat.

Der Beklagte hatte die Muttergesellschaft nicht als Leistungsmittlerin eingeschaltet, um durch eine von ihr in seinem Interesse bewirkte Zahlung von 100.000 € die bei der Schuldnerin eingetretene Gläubigerbenachteiligung zu beseitigen. Tatsächlich hat der Beklagte mit seiner Zahlung an die Muttergesellschaft nach den Feststellungen der Vordergerichte ausschließlich den Zweck verfolgt, seine Kommanditeinlage zu begleichen.

Die Einlageschuld wäre nicht getilgt worden, wenn der Schuldner mit der Zahlung an die Muttergesellschaft die Weisung verknüpft hätte, die Mittel in seinem Interesse zwecks Wiederherstellung des Darlehensvertrages an die Schuldnerin weiterzuleiten. Hätte der Beklagte gegenüber der Muttergesellschaft eine solche, von ihr beachtete Weisung getroffen, wäre möglicherweise das Darlehensverhältnis zu der Schuldnerin erneut begründet worden und die Gläubigerbenachteiligung entfallen, der Beklagte aber wegen der bloßen Durchleitung der Mittel im Vermögen der Muttergesellschaft nicht von seiner ihr gegenüber bestehenden Einlageschuld befreit worden.

Eine mittelbare Zuwendung scheidet aus, wenn die Zwischenperson mit ihrer Leistung an den Gläubiger eine eigene Verbindlichkeit zu tilgen sucht. Die Muttergesellschaft verfolgte mit der Zahlung einen sie selbst betreffenden Erfüllungszweck. Es ging ihr darum, eine eigene Verpflichtung, die von ihr übernommene Verlustdeckungshaftung, zu bereinigen. Hingegen hat sie die Mittel nicht zugunsten des Beklagten im Wege einer mittelbaren Zuwendung zu dem Zweck an die Schuldnerin weitergeleitet, den Darlehensvertrag wiederherzustellen. Wurde auf eine eigene Verbindlichkeit der Muttergesellschaft gezahlt, scheidet ein Tätigwerden im Interesse des Beklagten aus. Bei dieser Sachlage wurden die Darlehensmittel von dem Beklagten nicht erneut der Schuldnerin zur Verfügung gestellt.

Resümee | Um rechtlich einwandfrei die Kommanditeinlage zu begleichen und den Darlehensvertrag erneut zu begründen, hätte der Beklagte – wie der BGH zutreffend betont – durch Zahlung von jeweils 100.000 € an die Muttergesellschaft und die Schuldnerin insgesamt 200.000 € aufwenden müssen. Da er sich mit einer Zahlung von 100.000 € zwecks Tilgung der Kommanditeinlage begnügte, konnte allein diese Verbindlichkeit betroffen sein.