Neue Hinzurechnungsbesteuerung in Österreich – Vorbild für die ATAD Umsetzung in Deutschland?
Während in Deutschland die Umsetzung der Anti Tax Avoidance Richtlinie (Richtlinie (EU) 2016/1164, ABl. L193/1 v. 19.07.2016) auf sich warten lässt (vgl. Klapdor, Global Taxes, TLE-20-2018), hat der österreichische Gesetzgeber diese Vorgaben im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2018 (öBGBl. I Nr. 62/2018, 14.08.2018) bereits weitgehend in nationales Recht umgesetzt. Zentral sind hierbei die Regelungen zur neuen österreichischen Hinzurechnungsbesteuerung, welche im Folgenden kurz vorgestellt und mit Blick auf einen möglichen Vorbildcharakter für Deutschland gewürdigt werden sollen.
Anwendung der österreichischen Hinzurechnungsbesteuerung
Die Regeln zur neuen österreichischen Hinzurechnungsbesteuerung finden sich in § 10a öKStG. Sie folgen in weiten Teilen unmittelbar dem Richtlinienwortlaut der ATAD. Die neuen Bestimmungen treten zum 01.01.2019 in Kraft und finden auf Wirtschaftsjahre Anwendung, die nach dem 31.12.2018 beginnen. § 10a öKStG findet Anwendung auf „beherrschende Körperschaften“ (§ 10a Abs. 4 Nr. 2 öKStG), d.h. in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften oder beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, bei denen die ausländische Beteiligung einer österreichischen Betriebsstätte zuzurechnen ist (vgl. Schlager, SWI 2018, 362).
Regelungen korrelieren mit Richtlinienwortlaut
Österreich hat sich entschieden, die Vorgaben des Art. 7 ATAD in der Variante des Art. 7 Abs. 2 a) ATAD umzusetzen („Passivkatalog“). Der österreichische Passivkatalog in § 10a Abs. 2 öKStG ist mit dem Richtlinienwortlaut dabei fast vollständig deckungsgleich. Demnach sind Zinsen, Lizenzgebühren, Dividenden und Einkünfte aus Beteiligungsveräußerungen (soweit diese bei der beteiligten Körperschaft in Österreich steuerpflichtig wären), Einkünfte aus Finanzierungsleasing, Einkünfte von Banken und Versicherungen und, unter den in Art. 7 Abs. 2 a) vi) ATAD festgelegten Voraussetzungen, Einkünfte von Abrechnungsunternehmen passiv.
Hinweis | Mit Blick auf das Kriterium der Niedrigbesteuerung folgt Österreich ebenfalls dem Mindeststandard der ATAD, indem die Niedrigsteuergrenze bei 12,5 % festgelegt wird (§ 10a Abs. 3 öKStG), also bei der Hälfte des regulären österreichischen Körperschaftsteuersatzes von 25%.
Die neue österreichische Hinzurechnungsbesteuerung findet auf ausländische Gesellschaften Anwendung, die von einer österreichischen Körperschaft beherrscht werden. Eine Beherrschung liegt vor, wenn diese selbst oder gemeinsam mit verbundenen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 % des Kapitals oder der Stimmrechte hält oder alternativ einen Anspruch auf mehr als 50% der Gewinne hat (§ 10a Abs. 4 Nr. 2 öKStG). Auch hier orientiert sich der österreichische Gesetzgeber an den Mindeststandards der Richtlinie in Art. 7 Abs. 1 ATAD. Insbesondere wurden keine mit den deutschen §§ 7 Abs. 6 und Abs. 6a AStG („Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter“) vergleichbaren, „verschärften“ Beteiligungserfordernisse implementiert.
Ausnahmen umfassend genutzt
§ 10a Abs. 4 Nr. 3 öKStG sieht vor, dass eine Hinzurechnung nur erfolgt, wenn kein Substanznachweis i.S. einer „wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ gelingt. Von der in Art. 7 Abs. 2 a) ATAD vorgesehenen Möglichkeit, diesen Substanznachweis auf EU/EWR-Gesellschaften zu begrenzen, hat Österreich keinen Gebrauch gemacht, sodass dieser auch in Drittstaatenfällen möglich ist.
Ebenso wurde in § 10a Abs. 4 Nr. 1 öKStG die in Art. 7 Abs. 3 ATAD vorgesehene Möglichkeit, Bagatellfälle von der Hinzurechnungsbesteuerung auszunehmen, umfassend genutzt. Entsprechend greift die österreichische Hinzurechnungsbesteuerung nur dann, wenn die passiven Einkünfte mehr als ein Drittel der gesamten Einkünfte der ausländischen Gesellschaft ausmachen.
Beachte | § 10 Abs. 9 öKStG enthält umfassende Regelungen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (vgl. Schlager, SWI 2018, 362) und grenzt sich auch insoweit positiv von der derzeitigen deutschen Hinzurechnungsbesteuerung mit dem in § 20 Abs. 1 AStG verankerten „treaty override“ ab.
Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
Ist der Tatbestand der österreichischen Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt, so sieht § 10a Abs. 5 öKStG eine Gewinnzurechnung vor, die grundsätzlich gemäß der mittel- und unmittelbaren Beteiligung am Nennkapital erfolgt, jedoch im Fall einer abweichenden Gewinnverteilung auf Basis des Gewinnanspruches. Damit sieht die neue österreichische Hinzurechnungsbesteuerung, analog zu den deutschen §§ 7 – 14 AStG, in ökonomisch sachgerechter Weise eine Unterscheidung zwischen der qualifizierenden Beteiligungsquote auf der Tatbestandsebene und der Hinzurechnungsquote auf der Rechtsfolgenebene vor.
Fazit | Die österreichische Umsetzung der Art. 7 und 8 ATAD könnte durchaus auch für Deutschland Vorbildcharakter haben. Eine Niedrigsteuerschwelle in angemessenem Abstand vom inländischen Körperschaftsteuersatz, ein am Richtlinienwortlaut orientierter Passivkatalog statt des völlig verunglückten derzeitigen deutschen Aktivkataloges gemäß § 8 Abs. 1 AStG, eine effektive Bagatellgrenze und ein Substanztest auch für Drittstaatensachverhalte weisen in die Richtung einer Hinzurechnungsbesteuerung, welche zwar tatsächliche Missbrauchsfälle effektiv erfassen will, aber dabei überschießende Belastungswirkungen nach Möglichkeit vermeidet.
Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Steuergesetzgeber bei der anstehenden Reform der §§ 7 – 14 AStG auf Basis der ATAD Vorgaben im Spannungsfeld zwischen den Zielen einer möglichst restriktiven Missbrauchsvermeidungsgesetzgebung mit maximaler „Abschreckungswirkung“ einerseits und der Wahrung der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland andererseits eine vorsichtige Neupositionierung hin zu letzterer wagen möchte. Sollte dem so sein, so wäre ein Blick „über die Grenze“ nach Österreich zweifellos hilfreich