Aktuelle Praxisfragen der Besteuerung von Leistungen ausländischer Familienstiftungen an inländische Begünstigte
Die Besteuerung von Leistungen ausländischer Familienstiftungen und Trusts war in jüngerer Zeit vermehrt Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren, was nicht zuletzt die zunehmende Bedeutung der Materie unterstreicht. Wesentliche Zweifelsfragen betreffen dabei den Themenkomplex der Zurechnungsbesteuerung gemäß § 15 AStG sowie insbesondere die Behandlung tatsächlicher Stiftungsauskehrungen aus ertragsteuerlicher und schenkungsteuerlicher Sicht. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Praxisfragen gegeben, welche sich mit Blick auf die Besteuerung von Leistungen ausländischer Stiftungen an ihre inländischen Begünstigten stellen.
Konkurrenzverhältnis zwischen Schenkung- und Einkommensteuer bei Leistungen der Stiftung an inländische Begünstigte
Ertragsteuerlich können Leistungen ausländischer Stiftungen an ihre inländischen Begünstigten i.d.R. unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG subsumiert werden. Bzgl. einer möglichen und ggf. parallelen schenkungsteuerlichen Relevanz derartiger Bezüge gem. § 7 Absatz 1 Nr. 9 S. 2 Hs. 2 ErbStG oder § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gibt es jedoch noch erhebliche Zweifelsfragen. Etwas Licht ins Dunkel brachte unlängst eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil v. 03.07.2019, II R 6/16, BStBl. II 2020, 61). Zwar wurde hier die Frage, ob eine gleichzeitige Erfassung derselben Bezüge mit Schenkungsteuer und Einkommensteuer prinzipiell möglich sei, vom BFH offen gelassen. Zumindest wurde jedoch vom BFH konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen Leistungen ausländischer Stiftungen oder stiftungsähnlicher Vehikel als steuerbare Schenkung zu sehen sein können.
Der BFH hat insoweit festgestellt, dass Zuwendungen einer Auslandsstiftung nur dann gem. § 7 Absatz 1 Nr. ErbStG steuerbar sein können, wenn sie explizit dem Satzungszweck zuwiderlaufen. Eine schenkungsteuerliche Erfassung gem. § 7 Absatz 1 Nr. 9 S. 2 Hs. 2 ErbStG setze dagegen voraus, dass der Begünstigte als „Zwischenberechtigter“ einen rechtlich verfestigten Titel am Stiftungsvermögen innehabe. Auf dieser Basis dürfte es in vielen Fällen möglich sein, durch antizipative Maßnahmen sicherzustellen, dass durch eine geeignete Ausgestaltung der Stiftungs- bzw. Truststruktur eine Schenkungssteuerpflicht bereits dem Grunde nach vermieden wird (vgl. hierzu instruktiv Haag/Tischendorf, IStR 2020, 794).
Gilt § 15 Abs. 11 AStG auch für die Schenkungsteuer?
§ 15 AStG sieht bekanntlich eine ertragsteuerliche Zurechnung der Einkünfte einer ausländischen Familienstiftung (oder einer gleichgestellten Unternehmensstiftung) zum Stifter, wenn er unbeschränkt steuerpflichtig ist, sonst zu den unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- bzw. Anfallsberechtigten vor. Erfolgen dann im Nachgang der Zurechnung gem. § 15 Abs. 1 AStG tatsächliche Zuwendungen an den Stifter/Destinatär, so unterliegen diese gem. § 15 Abs. 11 AStG „nicht der Besteuerung“.Damit soll eine steuerliche Doppelbelastung vermieden werden.
Fraglich ist jedoch, ob § 15 Abs. 11 AStG auch für den Fall einer schenkungssteuerlichen Belastung dieser Bezüge gilt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass § 15 AStG eine originär ertragsteuerliche Vorschrift ist und eine Anwendung des § 15 AStG für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer gem. § 15 Abs. 1 S. 2 AStG explizit ausgeschlossen wird, erscheint dies eher zweifelhaft. Das FG München (4 K 2033/16, ErbStB 2019, 285) hat insoweit am 15.05.2019 entschieden, dass § 15 Abs. 11 AStG nicht für Zwecke der Schenkungsteuer greife. Der BFH wird die Gelegenheit haben, diese Frage abschließend zu klären (anh., II R 31/19; II R 32/19).
Erfordert § 15 Abs. 11 AStG Personenidentität?
Nicht nur das Verhältnis der ertragsteuerlichen zu den schenkungsteuerlichen Aspekten der Besteuerung der Leistungen von Auslandsstiftungen ist strittig, sondern bereits die originär ertragsteuerliche Behandlung von Stiftungsauskehrungen ist nicht frei von Zweifelsfragen. So ist etwa fraglich, ob für Zwecke des § 15 Abs. 11 AStG Personenidentität zwischen dem Zurechnungsadressat gem. § 15 Abs. 1 AStG und dem Empfänger der Leistung bestehen muss. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen:
Beispiel: Stifter einer ausländischen Familienstiftung ist der unbeschränkt steuerpflichtige A. Ihm werden im Jahr 01 1.000.000 € aus der Stiftung gem. § 15 Abs. 1 AStG zugerechnet. Am 01.01.02 zieht der Stifter ins Ausland, womit er nicht mehr Zurechnungsadressat des § 15 Abs. 1 AStG ist, sondern ab diesem Zeitpunkt stattdessen seine unbeschränkt steuerpflichtige Tochter B als einzige Bezugs- und Anfallsberechtigte. Der B werden in 02 Stiftungseinkünfte i.H.v. 150.000 € gem. § 15 Abs. 1 AStG zugerechnet, in 03 erzielt die Stiftung keine positiven Einkünfte, so dass auch der Höhe nach keine Zurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG erfolgt. Am 01.01.04 erhält B eine Leistung aus den bisherigen Stiftungseinkünften i.H.v. 1.000.000 €, welche dem Grunde nach als Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG qualifiziert.
Problemstellung: Unstrittig ist, dass § 15 Abs. 11 AStG eine Besteuerung der tatsächlichen Leistungen der Auslandsstiftung nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG beim Destinatär verhindert, wenn die entsprechenden Bezüge bei derselben Person vorher bereits nach § 15 Abs. 1 AStG zugerechnet wurden, d.h. vorliegend bzgl. B i.H.v. 150.000 €. Fraglich ist jedoch, ob auch mit Blick auf die verbleibenden zugerechneten Einkünfte i.H.v. 850.000 € § 15 Abs. 11 AStG greift. In dieser Höhe wurden zwar durchaus Einkünfte nach § 15 Abs. 1 AStG zugerechnet und unterlagen in Deutschland der Einkommensteuer, aber nicht bei B, sondern bei A.
Lösung: Der Wortlaut des § 15 Abs. 11 AStG enthält keine explizite personenbezogene Einschränkung, sondern verlangt nur, dass die Bezüge überhaupt „zugerechnet wurden“. Damit sollte vorliegend die gesamte Leistung i.H.v. 1.000.000 € nach § 15 Abs. 11 AStG begünstigt sein. Die hier vertretene Auffassung, dass § 15 Abs. 11 AStG keine Personenidentität voraussetzt, wird auch vom Schrifttum ganz überwiegend geteilt (vgl. z.B. Kraft in Kraft (2. Aufl.), § 15 AStG, Rn. 496 m.w.N.), ist jedoch nicht durch Rechtsprechung oder Stellungnahmen der Finanzverwaltung „abgesichert“. Soweit möglich sollte daher gleichwohl nach Möglichkeit die o.g. Konstellation vermieden werden bzw. eine Personenidentität zwischen Zurechnungsempfänger gem. § 15 Abs. 1 AStG und Empfänger der tatsächlichen Leistung gem. § 15 Abs 11 AStG hergestellt werden.
Hinweis | Da die entsprechende Problematik jedoch auch in Konstellation auftreten wird, die sich jenseits des planungssicher Antizipierbaren bewegen (z.B. Todesfall des Stifters, Änderung des Kreises der Bezugs-/Anfallsberechtigten aus persönlichen Gründen), dürfte auch diese Frage vermutlich mittelfristig die Finanzrechtsprechung beschäftigen.
Fazit | Mit Blick auf die Besteuerung ausländischer Stiftungen verbleiben noch viele Zweifelsfragen. Speziell die Besteuerung tatsächlicher Leistungen derartiger Vehikel an ihre inländischen Destinatäre bereitet erhebliche Probleme. Auch wenn das BFH Urteil 03.07.2019 (R616 II R 6/16, BStBl. II 2020) sowie einige jüngere Finanzgerichtsurteile in der letzten Zeit in Teilbereichen Klarheit schafften, bleiben trotzdem wesentliche Fragen von erheblicher Praxisrelevanz nach wie vor ungeklärt. Strukturen unter Einbeziehung ausländischen Familienstiftungen oder Trusts bedürfen daher auch in Zukunft hochspezialisierter Beratung und sind nicht frei von Risiken. Bedauernswert ist vor diesem Hintergrund insbesondere, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der Anti Tax Avoidance (ATAD) Richtlinie offensichtlich keine Notwendigkeit sieht, auch die Materie des § 15 AStG einer grundlegenden Überarbeitung zu unterziehen. Es bleibt dringend zu hoffen, dass dieses Versäumnis mittelfristig noch in angemessener Weise nachgeholt wird.