European Insolvency & Restructuring Insolvenzverordnung
Christoph Thole

Das „andere Recht“ bei Gesellschafterdarlehen in der Europäischen Insolvenzverordnung

Das Recht der Gesellschafterdarlehen ist schon für sich genommen eine schwierige Materie. Im grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren gilt das umso mehr. Betreibt ein Insolvenzverwalter die Insolvenzanfechtung gegen einen Gesellschafter wegen vorinsolvenzlicher Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens oder Besicherung eines solchen Darlehens, ist insbesondere die Vorschrift des Art. 16 der Europäischen Insolvenzverordnung in der seit 26.6.2017 geltenden Fassung der Reform von 2015 zu beachten. Leider hat der Verordnungsgeber sich nicht getraut, an dieser Vorschrift (Art. 13 EuInsVO a.F.) zu rütteln.

Art. 16 EuInsVO und das „andere Recht“

Grundsätzlich gilt zwar für die Insolvenzanfechtung das Recht der lex fori concursus und damit das Recht des Insolvenzeröffnungsstaates. Nach Art. 16 EuInsVO kann sich der Anfechtungsgegner aber darauf berufen, dass für die angefochtene Rechtshandlung ein „anderes Recht eines Mitgliedstaates maßgeblich“ ist und dass nach diesem Recht (lex causae) die Rechtshandlung in keiner Weise angreifbar ist. Dieses Vetorecht bedeutet keine echte Kumulativanknüpfung, sondern greift von vornherein nur ein, wenn eine Anfechtung nach der lex fori concursus begründet ist. Dann muss der Anfechtungsgegner mit eigener Darlegungs- und Beweislast den Nachweis führen, dass nach der lex causae die Rechtshandlung nicht angreifbar wäre. Die Notwendigkeit, lex fori concursus und lex causae gleichermaßen ins Spiel zu bringen, führt häufig zu Problemen und macht den grenzüberschreitenden Anfechtungsprozess nicht gerade einfacher.

Gesellschafterdarlehen und die Suche nach der lex causae

Ein nach wie vor ungeklärtes Problem ist unter anderem, was das „andere maßgebliche Recht“ im Fall von Gesellschafterdarlehen eigentlich ist und wie solche Darlehen zu qualifizieren sind. Hier herrscht erhebliche Unsicherheit. Das anwendbare Recht ist nach dem Internationalen Privatrecht des Gerichtsstaats zu ermitteln, womit in Europa aber weitgehend ein Rückgriff auf harmonisiertes Unionsrecht verbunden ist (insb. die Rom I-VO). Manche gehen allerdings davon aus, dass bei Gesellschafterdarlehen die lex causae zugleich ebenfalls das Insolvenzstatut sei, so dass es gar kein „anderes“ Recht i.S.d. Art. 16 EuInsVO gibt. Die Anfechtung von Gesellschafterdarlehen sei etwas spezifisch insolvenzrechtliches. Andere stellen den Bezugspunkt zum Gesellschaftsrecht her wie unter dem früheren Eigenkapitalersatzrecht und halten das Gesellschaftsstatut für maßgeblich, womit man wieder bei der alten Frage nach der Maßgeblichkeit von Gründungs- oder Sitztheorie landet. Auch vermittelnde Lösungen werden vertreten. Generell ist stets sauber abzugrenzen, ob es um den Rang im Insolvenzverfahren oder die Angreifbarkeit der nach lex fori concursus anfechtbaren Rechtshandlung unter Art. 16 EuInsVO geht. Zudem geht es bei Art. 16 EuInsVO gerade um das „eigentlich“ (also außerhalb des Insolvenzverfahrens) anwendbare Recht, was gegen die insolvenzrechtliche Qualifikation sprechen könnte.

Die wohl herrschende Meinung meint deshalb, dass das Gesellschafterdarlehen insoweit dem Vertragsstatut unterliegt. Das bedingt allerdings, dass das auf das Gesellschafterdarlehen anwendbare Recht auch durch Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO bestimmt werden kann.

EuGH geht bei Darlehensverträgen implizit vom Vertragsstatut aus

Die Möglichkeit einer Rechtswahl mag zwar prima facie überraschen und von manchen als missbrauchsanfällig angesehen werden. Eine Rechtswahl unter Art. 16 EuInsVO hat allerdings der EuGH in der Entscheidung vom 8.6.2017 (Rs. C-54/16) in Sachen Vinyls Italia durchaus anerkannt. Er hat hier implizit vertraglich qualifiziert, freilich gerade nicht zu Gesellschafterdarlehen und – wie häufig – ohne präzise Erörterungen. In der konkreten Entscheidung hatte der EuGH aber immerhin keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Rechtswahl und die damit verbundene Bestimmung der lex causae im Sinne des Art. 16 EuInsVO geltend gemacht, sondern lediglich auf einen allgemeinen, unionsrechtlichen Missbrauchsvorbehalt hingewiesen. Insofern kann der Maßgeblichkeit des Vertragsstatutes auch bei Gesellschafterdarlehen nicht von vornherein der Einwand entgegengehalten werden, dies sei mit unionsrechtlichen Prinzipien nicht vereinbar. Bei Besicherungen wäre demgegenüber wohl nach dem Sicherheitenstatut zu fragen, was für Fälle des § 135 Abs. 2 InsO bedeutsam ist. Noch komplizierter werden die Dinge, wenn Vorfragen in Rede stehen, etwa wenn Konzernverbindungen und gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnisse für die Frage nach der gesellschaftergleichen Stellung eines Dritten zu prüfen sind.

Fazit | So oder so: Art. 16 EuInsVO wird gerade bei Gesellschafterfinanzierungen noch für manche Unsicherheit sorgen. Es wird Zeit, dass die Rechtsprechung für klare Regeln sorgt.