Global Taxes Steuerpolitik
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Die deutsch-französische GloBE-Initiative gewinnt an Fahrt – wohin geht die Reise?

Vor Kurzem haben die Finanzminister der G20 Staaten signalisiert, dass sie die von Deutschland und Frankreich unter dem Akronym GloBE (Global anti-Base Erosion proposal) initiierte internationale Mindeststeuer-Initiative grundsätzlich befürworten. Das dahingehende Instrumentarium bildet die zweite Säule („Pillar 2“) der laufenden Beratungen zu den „Tax Challenges of the Digitalisation of the Economy“ im sog. Inclusive Framework von G20/OECD. Der Vorschlag hat inzwischen vor allem im Kreis der bei den Beratungen tonangebenden Staaten an Sympathien gewonnen.

Die Chancen einer Einigung auf ein international abgestimmtes Mindeststeuerkonzept bis Anfang 2020 stehen auch deshalb nicht schlecht, weil die Auswirkungen auf Steueraufkommen und Standortattraktivität unter den im Inclusive Framework vertretenen Staaten – ausgenommen dezidierte Niedrigsteuerstaaten – wohl wesentlich ausgewogener verteilt sind als bei den unter „Pillar 1“ erörterten Varianten einer Neuordnung der Zuweisung von Besteuerungsrechten, wo es ausgeprägte Gewinner und Verlierer gäbe (siehe C. Fuest / M. Parenti / F. Toubal, 2019, n.n.v.). Vor diesem Hintergrund lohnt es sich zu fragen, welche konkreten Regelungskonzepte mit der GloBE-Initiative verbunden sind und welche Weichenstellungen in diesem Zusammenhang in den nächsten Monaten auf Ebene des Inclusive Framework anstehen.

Hinweis | Erste Rückschlüsse dazu erlaubt das jüngst publizierte „Programme of Work“ des Inclusive Framework. Dem Vernehmen nach soll es in Kürze durch detaillierte Vorschläge des OECD-Sekretariats für die mögliche Ausgestaltung eines Mindeststeuerregimes ergänzt werden.

Sicherung eines Mindeststeuersatzes

Das von Deutschland und Frankreich in die Beratungen des Inclusive Framework eingebrachte GloBE-Konzept soll im Wesentlichen sicherstellen, dass Unternehmensgewinne nicht unterhalb eines bestimmten effektiven Mindestsatzes besteuert werden. Jeder Staat bleibt danach zwar souverän hinsichtlich der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage und der Festlegung des nominalen Steuersatzes für seine jeweilige Unternehmensbesteuerung. Sinkt die effektive Steuerbelastung dadurch aber unter den Mindeststeuersatz, wird – subsidiär und komplementär – eine Mindeststeuer entweder im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft bzw. Konzernspitze oder in der Absatzmarktjurisdiktion erhoben. In abgewandelter Form wird eine solche zweiseitige Mindeststeuer seit dem Inkrafttreten des TCJA im Jahr 2018 von den USA bereits in Gestalt der als „GILTI“ ( Global intangible low-taxed income included in gross income of United States shareholders, Section 951A IRC) und „BEAT“ (Tax on base erosion payments of taxpayers with substantial gross receipts, Section 59A IRC) bekannten Steuerregelungen angewandt (vgl. Schildgen in Hey/Härtwig, US‐Steuerreform Der Tax Cuts and Jobs Act 2017, 2019, S. 137 ff.; Kempelmann, a.a.O., S. 179 ff.).

Bei international abgestimmter Einführung würde die Mindeststeuer dem globalen Steuerwettbewerb eine Untergrenze setzen. Sie würde dadurch sowohl die Verschiebung von Buchgewinnen erschweren als auch den Wettbewerb um reale Ressourcen abmildern. Dies stünde also einerseits im Einklang mit dem BEPS-Maßnahmenpaket gegen eine nicht mit hinreichender wirtschaftlicher „Substanz“ unterlegte Verlagerung von Steuersubstrat oder IP in Niedrigsteuerländer. Insoweit ist sie breiter angelegt, wirkt aber auch in viel größerem Maße typisierend als die zu den BEPS Aktionspunkten 2 bis 10 vorgeschlagenen zielgerichteten Instrumente (wie Hinzurechnungsbesteuerung, Zinsschranke, Anti-Missbrauchsklauseln, usw.). Andererseits und vor allem würde die GloBE-Steuer aber auch dem globalen Steuerstandortwettbewerb um die Ansiedlung von Investitionen und Kapital Grenzen ziehen.

Beachte | Mit effektiven Steuersätzen unterhalb des Mindeststeuersatzes könnten Staaten keine zusätzlichen Anreize für Investoren mehr setzen.

Zentrale Elemente eines Mindeststeuerkonzeptes

Pro und Contra eines solchen Mindeststeuerkonzeptes sind vor allem anlässlich der öffentlichen Anhörung der OECD bereits sehr ausführlich ausgetauscht worden; wir haben sie an anderer Stelle schon eingehend erörtert (Englisch/Becker, International Effective Minimum Taxation – The GLOBE Proposal, 2019) . In den Beratungen des Inclusive Framework spielen sie absehbar schon keine große Rolle mehr. Die Debatte konzentriert sich vielmehr inzwischen auf die Einzelheiten der Ausgestaltung der beiden zentralen Instrumente, die im OECD-Jargon Income Inclusion Rule und Tax on Base Eroding Payments genannt werden.

Die Income Inclusion Rule zielt darauf ab, die Steuerlast von ausländischen Tochtergesellschaften und Betriebsstätten inlandsansässiger Unternehmen „aufzustocken“, bis deren Gesamtsteuerbelastung den effektiven Mindeststeuersatz erreicht. Besteuerungstechnisch ähnelt ein solcher Ansatz den klassischen Instrumentarien der Hinzurechnungsbesteuerung bzw. der Switch-over-Klausel. Neu daran wäre, dass sich eine solche ergänzende Besteuerung einerseits auf alle Arten von Einkünften beziehen würde, andererseits die (zu) niedrige ausländische Belastung aber auch nur bis zu einem Mindestsatz aufgestockt würde. Derzeit wird allerdings noch darum gerungen, ob es Ausnahmen für „aktives“ unternehmerisches Engagement im Ausland oder – nach dem Vorbild der US-GILTI-Regeln – für die Normalverzinsung der „Substanz“ der unternehmerischen Präsenz im Ausland geben sollte.

Das würde freilich erhebliche Komplexität erzeugen und ein Kernanliegen der Mindeststeuer unterlaufen, nämlich Steuerwettbewerb nicht nur um Buchgewinne, sondern auch um Realinvestitionen auf ein akzeptables Maß zurückzuführen. Erforderlich sind demgegenüber um der Administrierbarkeit willen angemessene Schwellenwerte für das Eingreifen der Mindeststeuer. Sie würden bei sachgerechter Ausgestaltung auch das Risiko vermindern, dass Unternehmen auf Drittmärkten Nachteile im Wettbewerb mit lokalen Konkurrenten erleiden.

Hinweis | Dem Vernehmen nach ist im Übrigen ein Kernanliegen der OECD, jegliche Art von Ausnahmeregelung nicht von einzelfallbezogen zu prüfenden Kriterien nach Art des § 8 Abs. 2 AStG abhängig zu machen, sondern ggf. mit groben Typisierungen zu arbeiten.

Weitere Ausgestaltungsoptionen

Daneben werden in den kommenden Monaten zahlreiche weitere Ausgestaltungsoptionen erörtert werden, die in der Summe die Administrierbarkeit und die Effektivität der Mindestbesteuerung bestimmen werden. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie die effektive ausländische Steuerlast berechnet wird. Die OECD strebt eine international vereinheitlichte Bemessungsgrundlage für Mindeststeuerzwecke an, basierend auf internationalen Rechnungslegungsstandards – ein schon mit Blick auf den zeitlichen Horizont bis zum geplanten Abschluss der Beratungen (Anfang 2020) ehrgeiziges Unterfangen.

Die Vorteile liegen allerdings auf der Hand: Die internationale Abstimmung der Mindestbesteuerung würde erleichtert, und die Befolgungskosten der betroffenen Unternehmen in erheblichem Maße reduziert. Zu entscheiden ist außerdem, ob eine Mindestbesteuerung separat für jede Tochtergesellschaft sicherzustellen ist, nur „per jurisdiction“, oder gar nur für die Gesamtheit der Auslandsgewinne. Vor allem um der politischen Akzeptanz des Vorschlags willen sollen sich die Beratungen wohl zunächst auf die beiden zuletzt genannten Varianten konzentrieren. Sie lassen noch in gewissem Maße Raum für Steuerarbitrage, vereinfachen die Behandlung transparent besteuerter Unternehmenseinheiten und bieten zudem eine „eingebaute“ Glättung von Niedrigsteuereffekten, die allein aus unterschiedlichen Regelungen zur zeitlichen Erfassung von Gewinnen resultieren. Kritikpunkte sind aber der Bedarf für Sonderregelungen vor allem beim „per jurisdiction“-Ansatz und die insbesondere bei einer globalen Berechnung zu erwartende Verwässerung des eigentlichen Mindeststeueranliegens.

Zu klären sind darüber hinaus eine Vielzahl weiterer technischer Fragen, wie etwa die Vermeidung von überschießenden Belastungswirkungen, weil Gewinne bei geschachtelten Konzernstrukturen mehrfach erfasst werden, der Umgang mit Verlusten, die Anrechnung der ausländischen Steuerbelastung sowie der persönliche Anwendungsbereich und insbesondere die Mindestbeteiligungsschwelle. Während dafür bereits erste Lösungsmodelle entworfen wurden, gilt es darüber hinaus eine weitere Herausforderung zu bewältigen, die auch den Befürwortern der Reform Sorgen bereitet: Wie lässt sich verhindern, dass Konzerne ihren Hauptsitz in ein Land verlegen, das keine oder nur eine schwache Income Inclusion Regel einführt?

Tax on Base Eroding Payments

Vor allem auch aus diesem Grund soll die Income Inclusion Rule flankiert werden durch eine Tax on Base Eroding Payments (TBEP), die abfließende Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland belastet. Sie soll nachrangig immer dann zum Einsatz gelangen, wenn die vom Zahlungsempfänger erwirtschafteten Gewinne zu niedrig besteuert werden und keiner Income Inclusion Rule unterliegen. Als Umsetzungsmaßnahme primär angestrebt wird dabei die (teilweise) Versagung des Betriebsausgabenabzugs beim zahlenden Unternehmen.

Dieses Instrument ähnelt besteuerungstechnisch der „Lizenzschranke“ des § 4j EStG, wäre aber nach den Vorstellungen der Initiatoren gerade nicht an Substanzerfordernisse gekoppelt. Daneben könnten auch bedingte oder vorläufige Quellensteuern zum Einsatz gelangen. Dem Vernehmen nach werden die Mitglieder des Inclusive Framework zunächst über eine sehr weitreichende Variante der TBEP beraten, deren sachlicher Anwendungsbereich und Berechnungsweise mit der Income Inclusion Rule synchronisiert wären. Der „Durchschlagskraft“ wie auch der internationalen Koordination dieses subsidiären Instruments wäre dies zwar zuträglich. Indes drohen den betroffenen Unternehmen damit in nicht unerheblichem Maße Steuermehrbelastungen über das eigentlich angestrebte Mindeststeuerniveau hinaus, zumal wenn die Regelung wie offenbar angedacht um stark pauschalierende Anti-Umgehungsregeln ergänzt würde. Hier dürften daher noch intensive Verhandlungen bevorstehen, um eine verhältnismäßige Ausgestaltung sicherzustellen.

Zum Schluss | Zumindest bei einem Teil der erwogenen Maßnahmen dürfte es außerdem unumgänglich sein, bereits abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen anzupassen. Hierfür käme evtl. auch das Multilaterale Instrument in Betracht. Für die EU-Mitgliedstaaten schließlich stellen sich besondere Herausforderungen vor allem mit Blick auf die Grundfreiheitskompatibilität bestimmter Mindeststeuerinstrumente. Dies ist nicht zuletzt auch der EU-Kommission bewusst, die bereits seit geraumer Zeit in die Bemühungen um die Durchsetzung eines internationalen Standards eingebunden ist und bei erfolgreichem Abschluss der Beratungen im Inclusive Framework womöglich mit einem eigenen Richtlinienvorschlag aufwarten könnte.