Besteuerung der digitalen Wirtschaft
Eine der Aktionen des BEPS-Projekts war der digitalen Wirtschaft gewidmet (OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Final Report 2015). Eine der wesentlichen Feststellungen war, dass das herkömmliche Betriebsstättenprinzip kaum geeignet ist, um bestimmte Unternehmen der digitalen Wirtschaft angemessen besteuern zu können. Dazu gehören vor allem Unternehmen, die für ihren Geschäftsbetrieb keiner festen Geschäftseinrichtung im Zielland bedürfen. Und selbst wenn sie einen Geschäftsbetrieb unterhalten, werden ihm häufig nur geringe oder gar keine Einkünfte zugerechnet werden können. Deshalb hat die OECD letztlich davon.
Geschäftsmodelle und deren Besteuerung
Unternehmen der digitalen Wirtschaft verwenden hauptsächlich vier unterschiedliche Geschäftsmodelle:
- das Abonnementmodell: die Nutzer zahlen eine monatliche (Netflix) oder jährliche (Amazon) Gebühr, um die Angebote nutzen zu können.
- das Werbemodell: Interessierte Unternehmen schalten Anzeigen auf den jeweiligen digitalen Plattformen (Facebook, Google)
- das Zugangsmodell: Interessierte Personen zahlen eine Vergütung, um Zugang zu Daten und Appshops etc. zu bekommen.
- E-Commerce: Unternehmen verkaufen ihre Produkte ausschließlich oder weitgehend über digitale Plattformen.
Allen gemeinsam ist die Tatsache, dass es keiner Präsenz im Nutzerstaat bedarf. Die Verträge können zudem heutzutage unmittelbar zwischen dem Unternehmen und Nutzern/Konsumenten bzw. Werbetreibenden geschlossen werden, ohne dass es einer Vertretung im jeweiligen Staat bedarf. Die Nicht- oder Niedrigbesteuerung in den Ländern, in denen die Nutzer ansässig sind, wird allgemein als “unfair” erfahren. Aber sie entspricht den internationalen Besteuerungsprinzipien, die zumindest einen Geschäftsbetrieb oder einen ständigen Vertreter voraussetzen, die die hier in Frage stehenden Unternehmen nicht haben.
Dennoch hatten einige Länder (darunter vor allem auch Deutschland) die OECD/G20 und die EU aufgefordert, darüber nachzudenken, wie diese Unternehmen im Land der Nutzer besteuert werden könnten. Die OECD hat am 16.03.2018 dazu einen Zwischenbericht vorgelegt (OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Interim Report 2018) und einige Tage später veröffentlichte die EU zwei Richtlinienvorschläge, die eine Besteuerung in den Nutzerländern sicherstellen soll (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Regelung der Unternehmensbesteuerung bei signifikanter digitaler Präsenz, 21.03.2018, COM(2018) 147 final; Vorschlag für eine Richtlinie des Rates für das gemeinsame Besteuerungssystem für digitale Dienstleistungen betreffend Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen, 21.03.2018 COM(2018) 148 final).
Divergierende Besteuerungsansätze
Die nun vorgelegten Vorschläge unterscheiden sich im Grundansatz. Während die OECD die Rechtslage analysiert, das Problem beschreibt und keine konkreten Maßnahmen empfiehlt, setzt die EU auf eine Ausgleichssteuer (“equalization tax”), die vorübergehender Natur sein soll, und eine Änderung der Besteuerungsprinzipien, die dann eine langfristige Lösung bieten soll. Auch sieht der Richtlinienvorschlag neue Regelungen vor für die Zurechnung der Gewinne zu einer “virtuellen Betriebsstätte”; insofern sollen die Anzahl der lokalen Nutzer sowie der Wert der gesammelten Daten neben den herkömmlichen Kriterien der Funktion, Risiko und Nutzung von Vermögensgütern zusätzlich berücksichtigt werden. Dieser langfristige Vorschlag soll zwar in den Entwurf einer europäischen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer eingearbeitet werden, aber er würde auch eine Änderung aller Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittländern erfordern. Da hat eine Ausgleichssteuer mehr Charme, da es sich um eine indirekte Steuer handelt, auf die die Doppelbesteuerungsabkommen nicht anwendbar sind. Aber auch eine solche Steuer führt natürlich zu höheren Belastungen der betroffenen Unternehmen.
Internationaler Konsens steht in den Sternen
Dies deutet bereits auf eines der zentralen Probleme bei der Einführung einer wie auch immer gearteten Nutzerstaatbesteuerung hin. So bedarf es eines internationalen Konsenses, der nur schwer zu erreichen sein wird. Deutlich sichtbar wurde das bei den Diskussionen innerhalb der OECD. Die USA haben sich einer Änderung der Steuerprinzipien vehement widersetzt. Das ist verständlich, es handelt sich nahezu ausschließlich um amerikanische Unternehmen, die steuerlich belastet werden sollen. Damit droht neben der Konfrontation im Bereich der Handelspolitik nun auch ein Konflikt im Bereich der Steuerpolitik. So hat Steven Mnuchin, der US-amerikanischer Finanzminister, auch sofort reagiert und in einer Presseerklärung deutlich gemacht, dass die USA strikt gegen jede Sonderbehandlung der digitalen Wirtschaft vorgehen würden. Eine höhere Belastung dieser Unternehmen würde wirtschaftliches Wachstum abschwächen und sei sowohl für Arbeitnehmer wie auch Konsumenten nachteilig.
Die Frage soll nun beim Treffen der G20-Finanzminister im April diskutiert werden. Ob die USA überzeugt werden können mitzuspielen, scheint mir sehr zweifelhaft. Möglicherweise werden die Steuerfragen nun auch bei der Frage der Erhebung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium eine Rolle spielen.
Hinweis | Gegen die Vorschläge der EU-Kommission regt sich auch innerhalb der EU Widerstand. So hat Irland erklärt, dass das Land die Vorschläge auf keinen Fall mittragen werde.
Alternative Lösungsvorschläge sind vonnöten
Angesichts dieser politischen Probleme, die ein Inkrafttreten der Richtlinien unwahrscheinlich machen, hätte eine alternative Lösung nahegelegen. Vorbild könnten die freiwilligen Schritte von Facebook und Amazon sein, die sich bereit erklärt haben, in den jeweiligen Nutzerländern Niederlassungen oder Tochterunternehmen zu etablieren, die dann auch die Verträge mit lokalen Kunden abschließen. Wollte man aber eine Niederlassungspflicht begründen, so würde dies wohl gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Denn der EuGH hat 2011 entschieden (Rs. C-267/09 Kommission/Portugal), dass schon die Verpflichtung zur Benennung eines steuerlichen Vertreters gemeinschaftswidrig sei.
Zwar hat ein solcher steuerlicher Vertreter eine andere Funktion, da er gefordert wird, um die Informationsgewinnung sicherzustellen. Die Pflicht zur Benennung eines steuerlichen Vertreters wäre jedoch unverhältnismäßig, da die nötigen Informationen innerhalb der EU auch anderweitig gewonnen werden können. Mitunter ließe sich eine Niederlassungsverpflichtung allerdings mit der Sicherung des Steueranspruchs der Nutzerländer rechtfertigen. Sollte eine Änderung des AEUV notwendig sein, ließe sich diese möglicherweise im vereinfachten Verfahren des Art. 48 Abs. 6 EUV bewerkstelligen, dieses erfordert aber Einstimmigkeit im Rat.
Ausblick | Eine solche Lösung hätte den Vorteil, dass Doppelbesteuerungsabkommen keiner Änderung bedürften und dass es keine Probleme mit einer etwaigen Doppelbesteuerung gäbe. Dennoch sollten die Folgeprobleme nicht unterschätzt werden. Die Unternehmen sähen sich erhöhten Kosten gegenüber und sie würden versuchen, die Bemessungsgrundlage in den Nutzerländern durch Inrechnungstellung von Lizenz- und Servicegebühren zu mindern. Die Verrechnungspreisproblematik würde dadurch noch mehr in den Vordergrund treten.