Global Taxes Europäisches Steuerrecht
Georg Kofler

Eine kurze „EU Schwarze Liste“ … und weitere Kürzungen

Der von der EU fokussierte „Kampf“ gegen Steuerumgehung, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung hat auch eine weltweite Komponente: So betreffen die materiell-rechtlichen Unionsmaßnahmen im Bereich der Unternehmensbesteuerung zur Bekämpfung missbräuchlicher Steuerpraktiken, etwa im Rahmen der Anti-Tax Avoidance Richtlinie (ATAD; Richtlinie (EU) 2016/1164, ABl. L193/1 vom 19.7.2016, i.d.F. der Richtlinie (EU) 2017/952, ABl. L 144/1 vom 7.6.2017), vielfach auch das Verhältnis zu Drittstaaten. Die EU geht aber mit ihrer „externen Strategie“ weit über diese Legislativmaßnahmen hinaus.

Kommission geht einen Schritt weiter

Die Kommission vertritt nämlich darüber hinaus aber die Ansicht, dass sich die Mitgliedstaaten „auch mit ihren unterschiedlichen Ansätzen zur Bekämpfung der Aushöhlung der Steuerbasis von außen befassen“ müssen; eine koordinierte externe Strategie für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich sei daher unverzichtbar, „um gemeinsame Erfolge der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der Steuervermeidung zu fördern, eine wirksame Besteuerung zu gewährleisten und ein transparentes und stabiles Umfeld für Unternehmen im Binnenmarkt zu schaffen“ (COM(2016)24 vom 28.1.2016, 2).

Basierend auf umfangreichen Vorarbeiten (z.B. COM(2016)24) wurde daher auf EU-Ebene in einem objektiven und transparenten Prozess eine EU-weite Liste nicht kooperativer Drittstaaten erarbeitet. Der Rat hat diesem Ansatz bereits Mitte 2016 zugestimmt (Pressemitteilung 281/16 vom 25.5.2016) und im November 2016 den Ablauf des Prozesses und die Kriterien für eine Listung nicht kooperativer Drittstaaten näher definiert (ABl. C 461/2 vom 10.12.2016). Diese Kriterien nehmen Bezug auf die – unter anderem an OECD-Evaluierungen festgemachte – Transparenz im Steuerbereich, eine „gerechte Besteuerung“ und die Umsetzung der Anti-BEPS Maßnahmen (dazu bereits Kofler, Global Taxes, TLE-24-2017). Die „schwarze Liste“ wurde schließlich im Dezember 2017 veröffentlicht (ABl. C 438/5 vom 19.12.2017) und schon im Jänner 2018 modifiziert (ABl. C 29/2 vom 26.1.2018).

Eine kurze Liste … und weitere Kürzungen

Im Dezember 2017 wurden schließlich in den entsprechenden Schlussfolgerungen des Rates (ABl. C 438/5 vom 19.12.2017) für die „schwarze Liste“ (lediglich) 17 Drittstaaten identifiziert, die diesen Kriterien nicht entsprachen und überdies keine den Anforderungen der EU entgegenkommenden Verpflichtungen auf hoher politischer Ebene eingegangen sind. Darüber hinaus wurden 47 Jurisdiktionen für eine „graue Liste“ genannt, da diese die Standards zwar gegenwärtig nicht erfüllen, aber politische Verpflichtungen zur raschen Umsetzung der Grundsätze des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich eingegangenen sind, darunter z.B. auch Bermuda, Kaimaninseln, Guernsey, Insel Man, Liechtenstein, Jersey und die Schweiz. Vorerst nicht beurteilt wurden jene Karibikstaaten, die im September 2017 von verheerenden Stürmen schwer getroffen wurden (Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Britische Jungferninseln, Dominica, St. Kitts und Nevis, Turks- und Caicosinseln sowie Amerikanische Jungferninseln). Umgekehrt entsprechen 20 Drittstaaten völlig dem EU-Standard, darunter z.B. auch Monaco, Singapur und die Vereinigten Staaten.

In kurzer Folge führten Gespräche mit einigen Drittstaaten zu politischen Zusagen und zu einer entsprechenden Kürzung der „schwarzen Liste“ (ABl. C 29/2 vom 26.1.2018): Barbados, Grenada, Korea (Republik), Macau, Mongolei, Panama, Tunesien und die Vereinigten Arabische Emirate wurden von der „schwarzen Liste“ gestrichen und an verschiedenen Stellen der „grauen“ Liste aufgenommen (für den aktuellen Stand siehe auch den Bericht in Dok. 6236/18 FISC 68 ECOFIN 121 vom 16.2.2018). Nach dieser Änderung verbleiben somit lediglich 9 Jurisdiktionen auf der „schwarzen“ Liste: Amerikanisch-Samoa, Bahrain, Guam, Marshallinseln, Namibia, Palau, St. Lucia, Samoa und Trinidad und Tobago.

Vor allem die Anwendung der Code-of-Conduct-Kriterien als Maßstab einer „gerechten Besteuerung“ im Hinblick auf Staaten, die generell keine oder eine niedrige Körperschaftsteuer haben, unterlag offenbar einer intensiven Diskussion: Das vom Rat im Dezember 2016 aufgestellte Kriterium 2.1. für die Beurteilung der Steuergerechtigkeit stellt nämlich auf „Sonderbehandlungen“ ab, die bei einem generellen Fehlen einer Körperschaftsteuer oder eines allgemein niedrigen Satzes nicht gegeben wären. Allerdings ist dieser Umstand für das Kriterium 2.2. relevant, das darauf abstellt, dass das „Land oder Gebiet […] keine Offshore-Strukturen oder Regelungen begünstigen [sollte], die zum Ziel haben, Gewinne anzuziehen, die keine reale Wirtschaftstätigkeit in dem Land oder Gebiet abbilden“. Zur Beurteilung dieses Umstandes sollen hier die fünf Kriterien unter Buchstabe B des Verhaltenskodex (ABl. C 2/2 vom 6.1.1998) analog angewendet werden, etwa das Vorhandensein einer tatsächlichen Wirtschaftstätigkeit und substantielle wirtschaftliche Präsenz (ausführlich Anhang VII zu den Ratsschlussfolgerungen in ABl. C 438/5 vom 19.12.2017).

Abwehrmaßnahmen auf Basis der „schwarzen Liste“

Diese „schwarze Liste“ soll – vorbehaltlich einzelstaatlicher Defensivmaßnahmen – auch Grundlage für verschiedene (koordinierte) Abwehrmaßnahmen sein. In den Ratsschlussfolgerungen (ABl. C 438/5 vom 19.12.2017) wird zunächst die abschreckende Wirkung der bloßen Aufnahme auf die „schwarze Liste“ betont, zugleich aber auch auf die Notwendigkeit von Abwehrmaßnahmen auf EU- und nationaler Ebene hingewiesen, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb des Steuerrechts (z.B. im Hinblick auf die europäischen Entwicklungs- und Garantiefonds). Im Steuerbereich werden drei Kategorien von Maßnahmen empfohlen:

  • So sollten die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines koordinierten Handelns mindestens eine der folgenden Verwaltungsmaßnahmen im Steuerbereich anwenden: Verstärkte Überwachung bestimmter Transaktionen; erhöhte Prüfungsrisiken für Steuerzahler, die die in Rede stehenden Regelungen nutzen; bzw. erhöhte Prüfungsrisiken für Steuerzahler, die Strukturen oder Regelungen nutzen, an denen diese Länder oder Gebiete beteiligt sind.
  • Unbeschadet der jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, zusätzliche Maßnahmen anzuwenden, nennen die Ratsschlussfolgerungen auch eine Reihe von Abwehrmaßnahmen mit Gesetzgebungscharakter im Steuerbereich, die die Mitgliedstaaten anwenden könnten. Dies sind die Nichtabzugsfähigkeit von Kosten, Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen, Quellensteuermaßnahmen, die Einschränkung der Steuerbefreiung von Beteiligungen, Switch-over-Klauseln, die Umkehr der Beweislast, besondere Dokumentationspflichten und die Verpflichtung für Steuerintermediäre zur Offenlegung besonderer Steuerregelungen mit Blick auf grenzüberschreitende Regelungen.
  • Schließlich könnten die Mitgliedstaaten in Erwägung ziehen, die „schwarze Liste“ als Instrument zur Erleichterung des Funktionierens einschlägiger Bestimmungen zur Bekämpfung von Missbrauch zu nutzen, wenn sie die ATAD umsetzen. Wenn beispielsweise die Mitgliedstaaten im Einklang mit der genannten Richtlinie bei der Umsetzung der Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen in ihr jeweiliges einzelstaatliches Recht „schwarze“ Drittländerlisten führen, könnten solche Listen mindestens die Länder und Gebiete umfassen, die in der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke aufgeführt sind.

Beachte | Einige dieser Maßnahmen werden schon in ähnlicher Form auf Uni-onsebene diskutiert: Dazu gehört etwa die vorgeschlagene Ausdehnung einer Offenlegungspflicht für bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen (COM(2017)335 vom 21.6.2017) und die Arbeit der Code-of-Conduct-Gruppe an sogenannten „outbound pay-ments“ (siehe Rz 27 f der “Tax Policy Roadmap of the Bulgarian Presidency of the Council”, Dok. 5668/18 FISC 37 vom 30.1.2018).

Ausblick und Kritik | Mit der raschen Erstellung einer einheitlichen, auf objektiven Kriterien beruhenden „EU Schwarzen Liste“ werden die Anforderungen an eine globale Tax Good Governance zumindest transparent gemacht, wenngleich nicht öffentlich bekannt ist, welche politischen Verpflichtungen die Drittstaaten auf der „grauen“ Liste exakt eingegangen sind. Überhaupt wird am Prozess politische und rechtliche Kritik geübt. Dies betrifft vor allem die Auswahl der Kriterien, die einen Fokus auf „weniger mächtige“ Kleinstaaten zu Lasten der vollständigen Objektivität nahezulegen scheinen, und den Umstand, dass das Fehlen der Körperschaftssteuer oder ein besonders niedriger Steuersatz für sich alleine nicht zur „Listung“ hinreicht (zusammenfassend Herzfeld, The New Imperialists: Tax Bureaucrats, 89 TNI 2018, 785 f.).