Die US-Unternehmenssteuerreform à la Trump
Ende April hat US-Finanzminister Mnuchin in gerade einmal vier Bullet Points die Eckpunkte einer Unternehmenssteuerreform vorgestellt, wie sie Präsident Trump in den USA gerne verwirklicht sähe. Die Pläne sind insoweit ehrgeizig, als der Steuersatz auf Unternehmensgewinne mehr als halbiert werden soll, von jetzt 35 auf 15 Prozent (zuzüglich Bundessteuern). Dieser niedrige Steuersatz soll auch für die sogenannten Pass-throughs gelten, d.h. für transparent besteuerte Unternehmen (Personengesellschaften, LLCs, S-corporations, sowie Einzelunternehmen).
Hinzu kommt, dass Trump die US-Unternehmensbesteuerung auf ein territoriales Steuersystem nach internationalem Standard umstellen möchte. Damit hätten US-Multinationals keinen Anreiz mehr, ihre Überseegewinne im Ausland zu parken, um der bei Repatriierung fälligen US-Steuer auszuweichen. Zur Gegenfinanzierung hat Mnuchin lediglich vage Andeutungen gemacht und ansonsten auf einen vermeintlichen Selbstfinanzierungseffekt der Reform verwiesen. Namentlich sollen bislang im Ausland geparkte Gewinne einmalig abgeltend besteuert sowie Steuerschlupflöcher für nicht näher spezifizierte special interests geschlossen werden.
Intensivierung des internationalen Steuerwettbewerbs absehbar
Mit einer Steuersatzsenkung von jetzt 35 auf dann 15 Prozent würden die USA ein neues Kapitel im internationalen Steuerwettbewerb aufschlagen. Anstelle des derzeit noch höchsten Steuersatzes unter den entwickelten Staaten weltweit würde sich die Unternehmenssteuerbelastung (unter der Annahme unveränderter bundesstaatlicher Steuern) im unteren Mittelfeld etablieren. Diejenigen Unternehmen, die zurzeit die Produktion in Europa aus Kostengründen oder steuerlichen Motiven vorziehen, könnten eine Verlagerung ihrer Aktivitäten über den Atlantik ins Auge fassen. Bundesstaaten, die keine oder kaum zusätzliche regionale Unternehmenssteuern erheben, würden zudem als IP-Holdingstandorte hoch attraktiv und könnten auch in erheblichem Maße zu Verrechnungspreisgestaltungen, der Gründung von Zwischengesellschaften usw. Anlass geben, um Gewinne dorthin zu verlagern.
Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts würde verfehlt
In einigen Punkten dürfte das Unternehmenssteuerrecht der USA allerdings im Gegenzug erheblich komplizierter werden. So sehen sowohl die Wahlkampfpläne Trumps als auch die Steuerreform-Blaupause der Republikaner im Repräsentantenhaus vor, den Abzug von Fremdkapitalzinsen massiv einzuschränken. Dem Vernehmen nach wird dies auch weiterhin als Gegenfinanzierungsmaßnahme beraten. Damit könnte sich das US-Steuersystem ähnliche Abgrenzungsprobleme einhandeln wie sie derzeit bei den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften in Deutschland auftreten.
Außerdem droht die geplante Niedrigsteuerschedule für unternehmerisch tätige Pass-throughs eine Sogwirkung auf jegliche Art von selbstständiger Erwerbstätigkeit zu entfalten. Um einer Welle missbräuchlicher Unternehmensneugründungen vorzubeugen, hat Mnuchin bereits Vorkehrungen zur Begrenzung des Niedrigsteuerregimes auf genuine Unternehmensgewinne (business income) unter Ausschluss von im Wesentlichen durch den persönlichen Arbeitseinsatz geprägten Einkünften (personal services income) angekündigt. Erfahrungen mit entsprechenden Regelungen wie beispielsweise in Australien zeigen, dass solche Anti-Missbrauchsnormen komplex und gestaltungsanfällig sind.
Radikalreform in Richtung DBCFT für Trump keine Priorität
Kein Bestandteil des Eckpunktepapiers von Mnuchin ist die bislang von den Republikanern im Repräsentantenhaus favorisierte Umstellung des amerikanischen Unternehmenssteuersystems auf ein sogenanntes Destination-Based Corporate Cash-Flow Tax System (DBCFT) mit Grenzsteuerausgleich („border tax adjustment“). Es lässt sich zeigen (s. Becker/Englisch), dass eine solche Reform das klassische System der Unternehmensbesteuerung in den USA abschaffen würde. An seiner Stelle träte im wirtschaftlichen Ergebnis durch eine spezielle, international unübliche Variante einer Mehrwertsteuer unter zusätzlicher Entlastung des Faktors Arbeit. Der Grenzausgleich würde Exporterlöse von der Steuer ausnehmen und Importe steuerlich auf Bruttobasis belasten. Die daraus zunächst resultierenden protektionistischen Effekte würden nach einer mehr oder minder langen Übergangsphase durch gegenläufige Preis- oder Wechselkurseffekte tendenziell neutralisiert (eingehend Becker/Englisch, a.a.O.).
Beachte | Die in der Zwischenzeit zu erwartenden Wettbewerbsverzerrungen hätten allerdings absehbar gravierende Auswirkungen für europäische Multinationals und Exporteure, insbesondere am exportorientierten Standort Deutschland. Sie würden in der Übergangsphase entweder Marktanteile verlieren oder müssten ihre Produktion bzw. Intellectual Proberty (IP) in die USA verlegen.
Tendenzen eines Reformkompromisses mit dem Kongress zeichnen sich ab
Es ist derzeit noch offen, ob und inwieweit das initiativberechtigte Repräsentantenhaus den Plänen Trumps oder aber seinem eigenen „Blueprint“ folgen wird, wenn es absehbar im Spätsommer einen Gesetzesentwurf zur US-Steuerreform vorlegen wird. Da die DBCFT für Trump offenbar keine Priorität hat und importabhängige Branchen in den USA sowie Mnuchin und zahlreiche republikanische Senatoren ihr skeptisch gegenüberstehen, ist aber jedenfalls mit ihrer Verwirklichung in Reinform nicht zu rechnen. Zwar könnte der steuerliche Grenzausgleich angesichts des riesigen US-Handelsbilanzdefizits zumindest kurz- bis mittelfristig erheblich zur Gegenfinanzierung der Steuerreform beitragen, aber auch dies scheint nicht mehr für alle Republikaner von elementarer Bedeutung zu sein. Zu rechnen ist daher allenfalls mit einer „kleinen Lösung“; eine denkbare Variante wäre etwa die nur sukzessive und partielle Umstellung vom klassischen Quellensteuerprinzip auf ein Bestimmungslandprinzip mit Grenzausgleich, wenn beispielsweise zunächst nur 10 % der Kosten für den Import nicht abziehbar wären und 10 % der Exporterlöse steuerfrei blieben.
Davon abgesehen ist auch nicht ausgemacht, ob die Steuersatzsenkungen so radikal ausfallen werden wie von Trump favorisiert. Die Pläne des Repräsentantenhauses sehen bislang einen Körperschaftsteuersatz von 20 % und eine Besteuerung von Pass-throughs mit 25 % vor. Trumps ambitioniertere Vorgabe eines einheitlichen Niedrigsteuersatzes dürften vor allem auch deshalb auf Widerstand stoßen, weil bei Pass-throughs anders als bei körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen keine Nachbelastung ausgeschütteter bzw. entnommener Gewinne stattfindet. Da der ganz überwiegende Teil des von Pass-throughs erwirtschafteten Einkommens den Angehörigen der obersten Einkommens- und Vermögensschichten der USA zuzurechnen ist, hätte eine massive steuerliche Privilegierung im Verhältnis zu anderen Einkunftsarten enorme verteilungspolitische Auswirkungen, weshalb das Vorhaben nicht nur steuersystematisch auf Bedenken stößt. Nicht zuletzt würden davon auch Trump und seine Familie persönlich erheblich profitieren.
Dessen ungeachtet zeichnet sich in den andauernden Beratungen zwischen den Republikanern in Repräsentantenhaus und Senat sowie der Trump-Administration die klare Tendenz ab, den Unternehmenssteuersatz drastisch senken und dabei auch Pass-throughs entlasten zu wollen. Auch werden die USA sich absehbar vom Anspruch einer Besteuerung von Unternehmensgewinnen nach dem Welteinkommensprinzip verabschieden und damit komplexe Konstrukte zur Vermeidung einer Repatriierung von Auslandsgewinnen künftig überflüssig machen. Ausgemachte Sache scheint auch eine niedrige abgeltende Einmalbesteuerung der bislang im Ausland geparkten Gewinne zu sein.
Hinweis | Im Anschluss könnten die mehr als anderthalb Billionen US$ schweren Auslandsvermögen US-amerikanischer Multinationals steuerfrei in die USA zurücküberwiesen werden, mit potenziell erheblichen Auswirkungen auf das Kapitalangebot in Europa und für die Wechselkurse.
Sonstige Gegenfinanzierungsmaßnahmen werden wohl nur halbherzig ergriffen werden; dazu dürften Einschränkungen beim Zinsabzug zählen.
Womöglich nur geringe Halbwertszeit der Reform
Da außerdem vorgesehen ist, die Einkommensteuerbelastung für alle Einkommensklassen zu senken und die Erbschaftsteuer sowie Zuschlagsteuern für Spitzenverdiener abzuschaffen, heißt dies auch, dass sich die Steuerreform kaum aufkommensneutral wird ausgestalten lassen. Dies gilt umso mehr, als eine wesentliche Voraussetzung hierfür die Abschaffung der u.a. durch Zuschlagsteuern finanzierten Obamacare wäre. Dieses Gesetzgebungsprojekt droht aber derzeit in den Beratungen zwischen Senat und Repräsentantenhaus zu versanden. Eine mit der Steuerreform infolgedessen absehbar einhergehende Erhöhung des Defizits bedeutet aber, dass sie ohne (illusorischen) überparteilichen Konsens aufgrund des besonderen Gesetzgebungsverfahrens der sogenannten „budgetary reconciliation“ an sich auf zehn Jahre befristet wäre. Damit würden selbst signifikant reduzierte Unternehmenssteuersätze national wie international nur begrenzte Investitionsanreize setzen können, sofern die Republikaner mit ihrer Mehrheit im Kongress nicht auch die Restriktionen der budgetary reconciliation aufweichen.
Gleichwohl Handlungsbedarf für die EU und ihre Mitgliedstaaten
Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten sich dessen ungeachtet schon jetzt auf die Verwandlung der USA in einen Niedrigsteuerstandort und die Möglichkeit eines „kleinen“ steuerlichen Grenzausgleichs einstellen, zumal mit Großbritannien ein weiterer, in unmittelbarer Nachbarschaft gelegener Staat den internationalen Steuerwettbewerb ebenfalls noch deutlich anheizen könnte. Denn die damit verbundenen Anreize für Gewinnverlagerungen durch IP-Transfer, Verrechnungspreisgestaltungen u.ä. träten unmittelbar und auch unabhängig von der Lebensdauer der Reform ein. Auch eine „kleine“ DBCFT könnte außerdem zusätzlichen Druck zur Standortverlagerung in die USA erzeugen.
Quintessenz | Der deutsche bzw. europäische Gesetzgeber sollte daher ggf. zunächst mit punktuellen Maßnahmen dort ansetzen, wo die Sogwirkung der US-Reform auf Gewinne, IP und Investitionen am gravierendsten und die temporären Verzerrungen aufgrund eines etwaigen steuerlichen Grenzausgleichs am problematischsten wären. Dazu könnte die Einführung einer Patentbox zählen, um der Abwanderung von IP entgegenzuwirken, sowie einer steuerlichen Forschungsförderung und Cashflow-Besteuerung, um Investitionsanreize zu setzen. Daneben wird auch über die Verschärfung der bisherigen Abwehrgesetzgebung nachzudenken sein, wie beispielsweise eine Ausweitung der Lizenzschranke auf jegliche Niedrigsteuerbelastung in Drittstaaten. Hier bedarf es aber stets sorgfältiger Abwägung der damit einhergehenden Standortnachteile für nicht steuergetriebene Investitionen.
Jedenfalls mittelfristig dürfte darüber hinaus eine weitere generelle Absenkung des deutschen Unternehmenssteuerniveaus erforderlich werden, die vorzugsweise durch eine daran angepasste Nachbelastung der heimischen Anteilseigner und eine neutralere Ausgestaltung des Mehrwertsteuersystems gegenzufinanzieren wäre.