Trumps Strafsteuer auf Importe
Auf der Basis langwieriger Vorarbeiten haben die US-Republikaner im Repräsentantenhaus Anfang November ihren Gesetzesentwurf für eine Steuerreform in den Kongress eingebracht. Nach Beratungen im Eilverfahren wurde die Vorlage schon am 16. November mit den Stimmen der Mehrheit der republikanischen Abgeordneten angenommen. Als Nächstes stehen jetzt die Beratungen des Senats über dessen eigene Reformpläne an, die dort bislang erst den Finanzausschuss passiert haben. Aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse (benötigt wird die Zustimmung von mindestens 50 der 52 republikanischen Senatoren, weil die Demokraten das Vorhaben geschlossen ablehnen) und angesichts der komplexen Interessengeflechte könnte das Vorhaben im Senat noch scheitern.
Sollten die republikanischen Senatoren aber die erforderliche Stimmenzahl dahinter versammeln können, würden die divergierenden Vorlagen absehbar an den gemeinsamen Vermittlungsausschuss überwiesen. Für einen etwaigen Kompromissvorschlag müsste sich dann in beiden Kammern erneut eine Mehrheit finden.
Hinweis | Es ist nach wie vor ungewiss, ob Trump wie geplant noch vor Weihnachten seine Unterschrift unter das Gesetzeswerk setzen kann. Immerhin sind die Chancen dafür in den letzten Wochen aber deutlich gestiegen. Es ist daher angezeigt, schon jetzt einen Blick auf die aus europäischer Sicht problematischen außensteuerrechtlichen Aspekte des Reformvorhabens zu werfen.
Sowohl im Repräsentantenhaus wie im Senat streben die Republikaner übereinstimmend eine Abkehr vom ohnehin löchrigen Welteinkommensprinzip ihrer Unternehmensbesteuerung an. Künftig soll nur noch der auf amerikanischem Staatsgebiet erwirtschaftete Teil der Unternehmensgewinne besteuert werden und auch die Repatriierung von Auslandsgewinnen keine Steuer mehr auslösen. Mit dem Übergang zum Territorialprinzip verbunden ist freilich die erhöhte Gefahr einer Erosion der amerikanischen Steuerbasis u.a. durch Verrechnungspreisgestaltungen multinationaler Konzerne. Erschweren wollen die Republikaner in beiden Kammern die drohende Gewinnabsaugung zunächst durch eine generelle Beschränkung des Zinsabzugs nach dem Vorbild der deutschen Zinsschrankenregelung. Im Übrigen enthalten die beiden Entwürfe aber unterschiedliche Mechanismen, um sich gegen diese Form der Steuergestaltung zu wappnen.
Die Importsteuervariante des Repräsentantenhauses
Der Entwurf des Repräsentantenhauses sieht bei großen multinationalen Konzernen eine Sondersteuer („excise tax“) auf nahezu jegliche Art von Importen vor, wenn dafür (bei Betriebsstätten ggf.: fiktive) Zahlungen an auslandsansässige Konzerneinheiten geleistet werden. Voraussetzung wäre lediglich, dass die Summe der steuerlich abzugsfähigen Zahlungen im dreijährigen Mittel jährlich mehr als 100 Mio. US-$ ausmacht. Der Steuersatz auf die entsprechenden Anschaffungskosten, Lizenzgebühren, Dienstleistungsvergütungen usw. soll dem künftigen Körperschaftsteuersatz von 20 % entsprechen und auf Bruttobasis erhoben werden. Des Weiteren kann die Excise Tax nicht ihrerseits von der Bemessungsgrundlage der Unternehmensteuer abgezogen werden. Zu entrichten wäre sie von der in den USA ansässigen Konzerngesellschaft oder -niederlassung. Im Ergebnis wirkt die geplante Steuer damit genauso, wie wenn die USA die Abzugsfähigkeit der Kosten für die Importe komplett verweigern würde.
Es handelt sich letztlich um ein Relikt der umstrittenen „Border Adjustment Tax“, die im Frühjahr dieses Jahres zu heftigen Diskussionen jenseits wie diesseits des Atlantiks Anlass gab; nunmehr freilich als Maßnahme der Missbrauchsbekämpfung ausgestaltet und nicht mehr als Teilelement eines grundlegenden Systemwechsels: Auf diese Weise ist aus Sicht des US-Fiskus sichergestellt, dass es im Ergebnis für das Steueraufkommen keine Rolle mehr spielt, in welcher Höhe die konzerninternen Verrechnungspreise festgelegt werden.
Beachte | Die Wirkung der Regelung ist allerdings insofern asymmetrisch, als dies nur für von auslandsansässigen Konzerneinheiten inbound erbrachte Leistungen gilt, nicht auch im outbound-Fall.
Alternative: Fiktive Betriebsstättenbesteuerung
Nach dem Gesetzesvorschlag des Repräsentantenhauses können die betroffenen Konzerne eine Belastung mit der Excise Tax abwenden, wenn sich die ausländische Konzerngesellschaft bereit erklärt, alle konzerninternen Exporte in die USA einer fiktiven US-Betriebsstätte zuzurechnen. In der Konsequenz würden die Aufwendungen dann nicht mehr als solche bei der inlandsansässigen Vergütungsschuldnerin steuerlich belastet. Allerdings sollen sie dann bei der exportierenden Konzerneinheit als Erträge der „regulären“ US-Unternehmensbesteuerung unterliegen. Die steuerpflichtige auslandsansässige Konzerngesellschaft hätte dabei die Möglichkeit, einen typisierend bemessenen Betrag ihres wirtschaftlich mit dem Export zusammenhängenden betrieblichen Aufwands von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.
Im Zuge der Beratungen im Finanzausschuss eingefügt wurde ferner eine Anrechnung von 80 % der im Ansässigkeitsstaat geschuldeten Steuern auf die betreffenden Erträge. Direkt aus Hochsteuerländern wie Deutschland und Frankreich in die USA exportierenden Konzerngesellschaften bliebe dann im Ergebnis meist eine amerikanische Steuerlast erspart. Für Niedrigsteuerländer wie Irland wäre das hingegen nur ein schwacher Trost.
Das konkurrierende Senatsmodell: Mindestbesteuerung
Der Entwurf der Republikaner im US-Senat verfolgt eine ähnliche Strategie, weicht aber in der besteuerungstechnischen Herangehensweise sowie auch in den Belastungswirkungen vom Vorschlag des Repräsentantenhauses ab. Er sieht im Rahmen der Unternehmensteuer eine „Mindeststeuer“ auf die Gewinne der in den USA ansässigen Gesellschaften bzw. Niederlassungen großer multinationaler Konzerne vor. Betroffen wären alle Konzerne mit mehr als 500 Mio. US-$ Jahresumsatz im dreijährigen Mittel, sofern die Aufwendungen der US-Unternehmenseinheit für den Bezug von Leistungen auslandsansässiger Konzerngesellschaften (oder sonstiger nahestehender Personen) eine Bagatellschwelle von 4 % sämtlicher betrieblicher Aufwendungen überschreiten. Die Höhe der Mindeststeuer beliefe sich auf 10 % (ab 2026: 12,5 %) der Verrechnungspreise für konzerninterne Importe in die USA, zusätzlich zur Regelsteuerlast. Erhoben würde sie jedoch nur, soweit die konzerninternen Zahlungen mehr als die Hälfte des ansonsten anfallenden US-Gewinns aufzehren.
Hinweis | Ausgenommen wären Zahlungen, die bereits beim Vergütungsgläubiger einer Besteuerung in den USA unterliegen, etwa in Form eines Quellensteuereinbehalts auf Lizenzgebühren.
Auch hier wird also im Ergebnis die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für den konzerninternen Einkauf von ausländischen Waren, Dienstleistungen oder Know-How negiert, wenn auch nur teilweise und erst jenseits einer Toleranzschwelle. Außerdem sieht der im Senat beratene Gesetzesentwurf keine Möglichkeit vor, die bei den auslandsansässigen Konzerneinheiten nach dem Quellenstaatsprinzip auf die Erträge aus diesen konzerninternen Transaktionen anfallenden ausländischen (insbesondere europäischen) Unternehmenssteuern in den USA zur Anrechnung zu bringen. Letztlich erkauft sich der Senatsvorschlag eine im Vergleich zum konkurrierenden Konzept des Repräsentantenhauses verminderte Komplexität der Anti-Missbrauchsregelung mit geringerer Effektivität und Zielgenauigkeit.
Es drohen Doppelbesteuerung und Erosion der europäischen Steuerbasen
So oder so drohen europäischen Unternehmen erhebliche Kollateralschäden, sollte eine dieser Brachialmethoden zur Abwehr aggressiver Steuergestaltungen in den USA Gesetz werden. Denn die Amerikaner kündigen damit einseitig das weltweit akzeptierte Prinzip der Quellenbesteuerung auf Basis fremdüblicher Verrechnungspreise auf. In der Konsequenz würde die Wertschöpfung aus der Abwicklung konzerninterner Transaktionen vielfach doppelt, nämlich sowohl in den USA als auch in Europa besteuert werden: Aus europäischer Sicht als reguläre Exporterträge aus inländischer Produktion, in den USA als (unmittelbar oder mittelbar) sonderbesteuerte Importkosten.
Das sind schlechte Nachrichten für deutsche und europäische Unternehmen mit Standorten in den USA, die unter diesen Umständen erhebliche Kostensteigerungen zu befürchten hätten. Sorgen machen sollte sich vor allem bei der Senatsvariante einer Mindestbesteuerung auch der deutsche Fiskus. Denn die damit verbundene, ungemilderte wirtschaftliche Doppelbesteuerung im Konzern ließe sich aus Sicht der betroffenen Unternehmen reduzieren, indem Gewinne in die USA verschoben werden – wo sie ja künftig ohnehin schon niedriger als in Deutschland versteuert würden. Dies könnte durch die Gestaltung von Verrechnungspreisen geschehen oder – mit weitaus gravierenderen Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft – durch Verlagerung ganzer Unternehmensteile bzw. betrieblicher Funktionen in die USA.
Beachte | Eine besonders starke Sogwirkung droht bei Forschungsabteilungen sowie Forschungsergebnissen (Patenten u.ä.). Hier kann durch eine Verlagerung nicht nur eine internationale Doppelbelastung von Lizenzgebühren und sonstigen Verwertungserlösen vermieden werden. Der Entwurf der Republikaner im US-Senat lockt hier zusätzlich mit einem Niedrigsteuerregime für Gewinne aus der ausländischen Verwertung des einer US-Betriebsstätte zuzurechnenden geistigen Eigentums. Diese fiskalverträgliche „Patentbox light“ soll wohl entgegen den OECD-Empfehlungen (des sog. Nexus-Approach der BEPS Action 5) auch für im Ausland geschaffene und in die USA überführte Immaterialgüter angeboten werden.
Deutschland könnte allerdings auch Profiteur bestimmter Reformpläne sein
Allerdings soll nicht unterschlagen werden, dass die im Vorschlag des Repräsentantenhauses vorgesehene partielle Anrechenbarkeit ausländischer Steuern aus Sicht der europäischen Hochsteuerländer wie Deutschland sogar Vorteile haben kann. Während es nämlich keine bzw. nur überschaubare Zusatzbelastungen für direkte Transaktionen zwischen diesen EU-Staaten und den USA gibt, steigen die Belastungen für Transaktionen, die den Umweg über Niedrigsteuerstandorte wie Irland gehen. Dies kann zum einen dazu führen, dass die nun kostspieligeren irischen Standorte zugunsten deutscher Niederlassungen abgebaut bzw. aufgegeben werden. Zum anderen könnte dies der irischen Regierung Steuererhöhungen schmackhaft machen, die nun aufgrund der Anrechenbarkeit in den USA zu nur relativ kleinen Belastungszuwächsen bei den Unternehmen führen würden.
Rasche Positionierung Europas tut Not
Die vorstehend skizzierten Vorschläge der Republikaner stoßen zwar auch in den USA in Teilen der Wirtschaft auf Widerstand. Es ist aber nicht zu erwarten, dass sich eine ähnlich schlagkräftige Lobby dagegen bilden wird wie seinerzeit gegen die Importsteuerkomponente der ursprünglich geplanten Border Adjustment Tax. Denn der importabhängige US-Einzelhandel, dessen Interessenverbände damals in besonderem Maße Druck ausgeübt hatten, ist von den neuen Plänen kaum betroffen: Er bezieht ausländische Waren großteils nicht konzernintern, sondern von unverbundenen Dritten und sähe sich damit keinen Sondersteuerbelastungen ausgesetzt.
Europäische Regierungen und Verbände müssen daher jetzt in stärkerem Maße als zuvor eigene Kräfte mobilisieren, um den drohenden Entwicklungen noch entgegenzuwirken oder zumindest ihre Folgen abzumildern. Es ist offensichtlich, dass die Excise Tax des Repräsentantenhauses ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach einem Einfuhrzoll entspricht, der vielfach und vor allem im Warenhandel im Widerspruch zu den welthandelsrechtlichen Verpflichtungen der USA steht. Zugleich verstößt sie wegen des Effekts, die einkommensteuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für (konzerninterne) Importe vollständig zu revidieren, gegen die abkommensrechtlichen Verpflichtungen der USA aus den Art. 24.4 OECD-MA entsprechenden Diskriminierungsverboten ihrer Doppelbesteuerungsabkommen. Die Alternative einer virtuellen Betriebsstättenbesteuerung wiederum missachtet die abkommensrechtlichen Beschränkungen der Unternehmensgewinnbesteuerung entsprechend Art. 7 OECD-MA. Ein solcher Treaty Override ist schließlich ebenfalls zu konstatieren mit Blick auf die Mindestbesteuerung nach dem Senatsvorschlag, der je nach Fallgestaltung im Widerspruch zu den Art. 7 oder Art. 9 OECD-MA nachgebildeten Abkommensvorschriften steht.
Diese Völkerrechtsverstöße könnten die europäischen Vertragsstaaten zum Anlass für Sanktionen nehmen, sei es im WTO-Kontext in Gestalt der Verhängung von Strafzöllen, sei es durch die reziproke Verweigerung von Abkommensvorteilen an amerikanische Unternehmen bis hin zur DBA-Kündigung. Es gilt den Verantwortlichen in den USA in der Kürze der verbleibenden Zeit zu verdeutlichen, dass die Gefahr einer solchen Eskalation real ist und dass letztlich keine Seite hieran ein Interesse haben kann. Es bleibt zu hoffen, dass die geschäftsführende Bundesregierung zumindest in den internationalen und europäischen Gremien noch hinreichend handlungsfähig ist, um in diesem Sinne vereint mit den europäischen Partnern aktiv zu werden. Dabei muss es Deutschland aus den geschilderten Gründen vor allem darum gehen, die Mindestbesteuerung der Senatsvariante der Reform zu verhindern.
Ausblick | Die OECD muss sich der Debatte stellen, inwieweit es in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft mehr als nur punktueller Modifikationen des Fremdvergleichsgrundsatzes bedarf, um einer Aushöhlung von Besteuerungsrechten insbesondere der Absatzmarktjurisdiktion entgegenzuwirken. Denn letztlich spricht aus den Vorschlägen der US-Republikaner vor allem ein tiefes Misstrauen gegenüber dem „Arm’s Length Principle“, dem sie – nicht zu Unrecht – auch noch nach der Aktualisierung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien im Zuge des BEPS-Projekts ein gehöriges Maß an Gestaltungsanfälligkeit bescheinigen.