Global Taxes Betriebsstätte
Holger Kahle

Zur Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten

Am 22.12.2016 hat das BMF die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa, BStBl. I 2017, S. 182) veröffentlicht. Damit ist der Dreiklang aus Gesetz (§ 1 Abs. 5 und 6 AStG), Rechtsverordnung und erläuterndem BMF-Schreiben im Hinblick auf die Umsetzung des von der OECD vorgegebenen Authorised OECD Approach für die Erfolgs- und Vermögensabgrenzung bei in- und ausländischen Betriebsstätten vollständig. Nach dem Authorised OECD Approach gilt die vollständige Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. § 1 Abs. 5 AStG erklärt den Fremdvergleichsgrundsatz auch für Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte für anwendbar. Ausgewählte Aspekte werden im Folgenden aufgegriffen.

VWG Betriebsstätten gelten fort

Nach Implementierung des Authorised OECD Approach (AOA) stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) sowie der VWG BsGa zum Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999 (BStBl. I 1999, S. 1076). Denn Letzterer ist nicht aufgehoben worden und steht partiell im diametralen Gegensatz zu den neuen Grundsätzen der Erfolgs- und Vermögensabgrenzung. § 1 Abs. 5 AStG, die BsGaV sowie die VWG BsGa überlagern in weiten Teilen den Betriebsstättenerlass, sodass dieser insoweit nicht mehr anwendbar sein sollte (s. VWG BsGa, Tz. 460). Diese Regelung lässt den Rechtsanwender leider weitgehend im Unklaren darüber, welche Teile der VWG Betriebsstätten künftig noch heranzuziehen sind und welche nicht.

In Fällen, in denen § 1 Abs. 5 AStG nicht anwendbar ist (z. B. wenn die Anwendung zu keiner höheren Bemessungsgrundlage führt und somit der Anwendungsbereich der Einkünftekorrekturvorschrift nicht eröffnet ist), bleiben die VWG Betriebsstätten weiterhin anwendbar (s. VWG BsGa, Tz. 461). Da die BsGaV und die VWG BsGa keine Ausführungen zu Fragen der Betriebsstättendefinition enthalten, gilt der Betriebsstättenerlass für die Frage der Betriebsstättenbegründung diesbezüglich uneingeschränkt fort (s. VWG BsGa, Tz. 463). Darüber hinaus soll der Betriebsstättenerlass auch weiterhin anwendbar bleiben, soweit er nicht im Widerspruch zu § 1 Abs. 5 AStG steht (s. VWG BsGa, Tz. 462).

Gefahr von Doppelbesteuerungen

Der Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG offenbart, dass der Anwendungsbereich der Regelung nur dann eröffnet ist, wenn die in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte im Vergleich zum Fremdvergleichsgrundsatz niedriger ausfallen. Es handelt sich somit um eine rein profiskalische Vorschrift, um die in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte zu erhöhen. Die Auslegung dieser Norm in der BsGaV und in den VWG BsGa kann zu Doppelbesteuerungen führen. Dies zeigt sich z.B. beim Dotationskapital; die Höhe des Dotationskapitals hat einen bedeutenden Einfluss auf das zu ermittelnde Ergebnis der Betriebsstätte. Dies hat den Verordnungsgeber dazu veranlasst, aus profiskalischen Gründen unterschiedliche Regelungen für inländische Betriebsstätten eines ausländischen Unternehmens (§ 12 BsGaV) und ausländische Betriebsstätten eines inländischen Unternehmens (§ 13 BsGaV) zu erlassen.

Erschwerend kommt für die praktische Handhabung hinzu, dass die Umsetzung in diesem Punkt keinesfalls dem AOA als international anerkanntem Standard gerecht wird. Doppelbesteuerungen sind unausweichlich, wenn alle Länder den gleichen profiskalischen Ansatz wie Deutschland verfolgen würden.

Beachte | Ein weiteres Beispiel sind die Regelungen zu den Bau- und Montagebetriebsstätten, bei denen es sich um einen „deutschen Alleingang“ handelt. Die einzelnen Regelungen sind jeweils profiskalisch zugunsten des Stammhauses gestaltet bzw. auf Minderung der Kostenbasis der Betriebsstätte ausgerichtet.

Keine Abkehr vom Veranlassungsprinzip

In Folge der Einführung des an Personalfunktionen orientierten AOA wird eine Abkehr vom Veranlassungsprinzip (§ 4 Abs. 4 EStG) diskutiert. Es ist aber zu beachten, dass das Veranlassungsprinzip eine Konkretisierung auf Ebene der Gewinnermittlung ist. So hat die Finanzverwaltung das Veranlassungsprinzip explizit nicht aufgegeben. Dies zeigt sich u.a. bei der Behandlung von Vorlaufkosten, d.h. „Aufwendungen, die vor der Begründung einer Betriebsstätte, aber in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit ihrem Entstehen und im Hinblick auf ihre Tätigkeit anfallen“ (VWG BsGa, Tz. 66). Sie sind dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, weil einer Betriebsstätte vor ihrem Entstehen keine Personalfunktionen zugeordnet werden können.

Vorlaufkosten, die der Erzielung von im Inland nach DBA-Regelungen freigestellten Betriebsstätteneinkünften dienen, sind nach dem Veranlassungsprinzip im Inland nicht abziehbar (s. VWG BsGa, Tz. 67). Dies gilt mit Verweis auf das Urteil des BFH vom 26.02.2014 (BStBl II 2014, S. 703 ff.) regelmäßig auch für vergebliche Vorlaufkosten, also wenn es gar nicht zum Entstehen der geplanten ausländischen Betriebsstätte kommt (s. VWG BsGa, Tz. 67). § 1 Abs. 5 AStG ist gerade keine allgemeine Gewinnermittlungsregelung für Betriebsstätten.

Hinweis | Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Betriebsstättengewinnermittlung bleiben unangetastet und werden nicht durch die Neufassung des § 1 AStG berührt.

Ausblick | Es ist zu erwarten, dass durch die von der OECD im Rahmen des BEPS-Projekts (Aktionspunkt 7) vorgeschlagenen Änderungen des Art. 5 OECD-MA zukünftig vermehrt Betriebsstätten entstehen werden. Mangels Personalfunktionen dürfte personallosen Betriebsstätten eigentlich kein Gewinn zugeordnet werden; die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten. Für Vertreterbetriebsstätten sind erhebliche Verschärfungen zu erwarten, die Deutschland beispielsweise bereits im neuen DBA mit Australien umgesetzt hat.