Brauchen wir ein öffentliches Country-by-Country Reporting?
Mehr Transparenz in Steuerangelegenheiten ist eine der wesentlichen Zielsetzungen der Steuerpolitik der letzten zehn Jahre. Unmittelbar nach der Finanzkrise stellte die OECD schwarze Listen von Steueroasen auf, die sich in der Folge gezwungen sahen, zahlreiche Tax Information Exchange Agreements (TIEA) abzuschließen. Grundlage hierfür waren Musterabkommen, welche die OECD bereits 2002 veröffentlicht hatte. Mit dem US Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) und den anschließenden Vereinbarungen mit vielen Staaten, u.a. Deutschland, erhielt der automatische Informationsaustausch, der nicht mehr auch ein Informationsersuchen voraussetzt, Einzug in die internationale Steuerpolitik.
Automatisierter Informationsaustausch
Heute arbeiten mehr als 100 Staaten im OECD-Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes mit. Die von der OECD entwickelten Common Reporting Standards für den automatischen Informationsaustausch finden über Art. 26 OECD-MA, Art. 6 des Multilateralen Übereinkommens, Art. 5a des OECD TIEA-MA oder die Amtshilferichtlinie der EU Anwendung und sind innerstaatlich in § 117 AO geregelt. Flankierend hat Deutschland im Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz 2017 bestehende Anzeigepflichten, Mitwirkungspflichten und Ermittlungsmöglichkeiten bei internationalen Sachverhalten verschärft und das Bankgeheimnis (§ 30a AO) abgeschafft. Über Tax Rulings gibt es innerhalb der EU nach § 7 Abs. 4 EU-Amtshilfegesetz einen Austausch.
In Bezug auf Verrechnungspreise hat Maßnahme 13 der OECD BEPS-Agenda die Einführung eines Country-by-Country Reportings (CbCR) vorgesehen. Eine stärkere Berichtspflicht über die globale Geschäftstätigkeit und Verrechnungspreispolitik gepaart mit mehr landesspezifischen Informationen soll den Finanzverwaltungen eine bessere Überprüfung von Verrechnungspreisen ermöglichen. Dabei ist vorgesehen, dass die Informationen des CbCR, welches in Deutschland im § 90 Abs. 3 Satz 2, 3 AO geregelt ist, nur zwischen den Finanzverwaltungen ausgetauscht werden. Genau hier setzt ein Vorschlag der EU-Kommission ein. Sie will alle Unternehmen mit weltweiten Umsätzen über 750 Mio. Euro verpflichten, ihr CbCR zu veröffentlichen.
Steuerpolitik von Unternehmen wird öffentlich
Mit einem öffentlichen CbCR wird eine ganz neue Richtung eingeschlagen. Es geht nicht mehr um Tax Enforcement und die Sicherstellung von Tax Compliance, sondern um eine Information der Öffentlichkeit, insbesondere von Non Government Organizations (NGOs), über die Steuerpolitik von Unternehmen. In den USA wird dies als „name and shame“-Politik bezeichnet, d.h. Steuervermeider sollen bloßgestellt werden. Hiervon kann man sich versprechen, dass Reputationseffekte aggressive Steuergestaltungen einschränken. Eine Studie von Dyreng et al. (Journal of Accounting Research 2016, S. 147), welche zeigt, dass UK-Unternehmen Tätigkeiten in Steueroasen einschränken, wenn sie diese offenlegen müssen, scheint solche Reputationseffekte zu bestätigen. Andere umfangreiche Studien von Gallemore et al. (Contemporary Accounting Review 2014, S. 1103) und Hanlon/Slemrod (Journal of Public Economics 2009, S. 126) können aber keine oder allenfalls eine sehr kurzfristige negative Reaktion auf Nachrichten zu Steuervermeidungsaktivitäten von Unternehmen finden. Ob ein öffentliches CbCR Steuerplanungsaktivitäten einschränkt, ist also ungewiss.
Beachte | In welchem Umfang eine Offenlegung von vertraulichen Steuerinformationen eine nachhaltig abschreckende Wirkung hat, ist ungeklärt.
Informationsgehalt eines CbCR bleibt unklar
Fraglich ist auch, wie viel NGOs und andere Interessierte mit den Informationen eines öffentlichen CbCR anfangen können. Bereits jetzt gibt es im Konzernabschluss Informationen zu Steueraufwand, Steuerzahlungen, zu aktiven und passiven latenten Steuern sowie einen Anhang mit Steuerinformationen und Überleitungsrechnung. Aus dem Jahresabschluss lässt sich neben dem handelsrechtlichen Einkommen auch das steuerliche Einkommen herleiten und bisherige Untersuchungen zeigen, dass beide Informationen für Kapitalanleger wichtig sind (Hanlon et al., Journal of Law and Economics 2005, S. 407). Allerdings erscheint es auch so, dass Investoren Unterschiede zwischen handelsrechtlichem Gewinn und steuerlichen Einkommen nur teilweise richtig interpretieren (Hanlon, The Accounting Review 2005, S. 137). Vielfach werden Steuerpositionen im Jahresabschluss auch zur Bilanzpolitik genutzt, welches den Einblick in die tatsächliche Steuersituation erschwert (Dhaliwal et al., Contemporary Accounting Review 2004, S. 431). Investoren haben auch Schwierigkeiten, Änderungen des Steueraufwandes in Quartalsberichten oder Wertberichtigungen auf aktive latente Steuern richtig zu werten (Thomas/Zhang, Journal of Accounting Research 2011, S. 791).
Zur Bewertung von Unternehmen nutzen Investoren allerdings richtigerweise nicht den gesetzlichen Steuersatz des Mutterunternehmens, wenn beispielsweise umfangreiche Auslandsaktivitäten einen anderen Steuersatz nahelegen (Powers et al., Working Paper 2017). Insgesamt zeigt die bisherige Forschung also, dass Investoren Schwierigkeiten haben, die vorhandenen Steuerinformationen vollständig richtig einzuordnen. Entsprechendes dürfte für ein öffentliches CbCR gelten. Wenn man nur bedenkt, wie schwierig die Interpretation einer Steuerquote ist, die z.B. durch nicht abzugsfähige Betriebsausgaben oder steuerfreie Erträge erheblich verzerrt werden kann, so sind falsche Rückschlüsse aus einem öffentlichen CbCR zu erwarten.
Beachte | Nach allen bisherigen Erkenntnissen sind Steuerinformationen für Externe schwer interpretierbar.
Mit der Forderung nach einem öffentlichen CbCR schwingt auch die Prämisse mit, dass ein hohes Körperschaftsteueraufkommen erstrebenswert sei. Dem muss entgegengehalten werden, dass eine Gewinnbesteuerung möglicherweise negative Einflüsse auf Investitionen und damit das Wirtschaftswachstum hat. Zudem darf nicht übersehen werden, dass aus der unternehmerischen Tätigkeit auch Steueraufkommen in Form von Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer resultiert. Es kann also durchaus vorteilhaft sein, Unternehmen nur einer moderaten direkten Ertragsbesteuerung zu unterwerfen. Das wird bei der allgemeinen Unternehmensschelte im Zuge der BEPS-Agenda gerne übersehen.
Fazit | Im Ergebnis spricht viel dafür, erst einmal abzuwarten, wie sich die neuen Regeln zum automatischen Informationsaustausch und zu den Verrechnungspreisdokumentationen auswirken bevor eine neue Runde der Offenlegung von vertraulichen Steuerinformationen gestartet wird.