Umsetzung der effektiven Mindeststeuer durch die EU: Welche Alternativen gibt es?
Am 8. Oktober einigten sich 136 von 140 Mitgliedsländern des OECD/G20 Inclusive Framework auf ein globales Steuerabkommen, das auch die internationale effektive Mindeststeuer GloBE (die sog. Säule 2 bzw. „Pillar 2“ des Arbeitsprogramms) beinhaltet. Die G20-Finanzminister haben das Abkommen eine Woche später ebenfalls gutgeheißen.
Modifizierte Erklärung zur globalen Steuerreform
Die Vereinbarung ist weitgehend identisch mit der gemeinsamen Erklärung zur globalen Steuerreform vom 1. Juli, mit einigen wichtigen Änderungen: Die Vereinbarung enthält nun auch einen Umsetzungsplan, der Mindestsatz wurde politisch auf exakt 15 % festgelegt (statt bisher „mindestens 15 %“), und die formelhafte Ausnahmeregelung („carve-out“) für Routinegewinne aus substanzbasierten Tätigkeiten wird zumindest während eines zehnjährigen Übergangszeitraums umfangreicher sein als ursprünglich geplant. Im Gegenzug haben u.a. die drei EU-Mitgliedstaaten Irland, Estland und Ungarn ihren Widerstand gegen das Mindeststeuerkonzept aufgegeben und sich dem vereinbarten „gemeinsamen Ansatz“ angeschlossen.
Umsetzungsrichtlinie der EU-Kommission
Das bedeutet, dass sich nun alle 27 EU-Mitgliedstaaten politisch zum international verabschiedeten Konzept einer effektiven Mindeststeuer bekannt haben. Dies ist eine gute Ausgangsbasis für die EU-Kommission, die bereits im Dezember 2021 eine Richtlinie vorlegen will, um die GloBE-Mindeststeuer in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich umzusetzen. Der Gesetzgebungsvorschlag wird sich auf die Binnenmarktkompetenz der EU stützen, und da es sich um eine steuerliche Maßnahme handelt, ist für ihre Annahme Einstimmigkeit im Rat erforderlich.
Eine solche Einstimmigkeit ist allerdings durch die internationale politische Einigung keineswegs schon garantiert. Denn der international konsentierte „gemeinsame Ansatz“ beinhaltet lediglich die politische Absichtserklärung der Unterzeichnerstaaten, ein etwaiges Mindeststeuerregime nur nach Maßgabe der schon vereinbarten Eckpunkte und der noch ausstehenden, für Ende November 2021 zu erwartenden Modellregelungen einzuführen (lediglich die USA dürfen ihre bereits bestehenden, sog. GILTI-Regelungen grds. beibehalten).
Diese Absichtserklärung umfasst aber gerade nicht auch die Bereitschaft jedes Unterzeichnerstaates, überhaupt eine Mindeststeuerregelung zu erlassen. Einige EU-Mitgliedstaaten wie Irland oder Estland könnten versucht sein, sich auf diesen Standpunkt zurückzuziehen, falls die derzeit in den USA diskutierte Reform der GILTI-Vorschriften, die auf eine stärkere Angleichung an das internationale GloBE-Konzept abzielt, im Kongress nicht die erforderliche Mehrheit finden sollte. Gleichwohl hat die politische Rückendeckung des Mindeststeuerprojekts durch alle 27 Mitgliedstaaten die Aussichten auf die Verabschiedung einer dahingehenden europäischen Richtlinie deutlich verbessert.
Grundfreiheitliche Hürden für rechtsichere Vorgehensweise
Damit rücken jetzt verstärkt die rechtlichen Herausforderungen einer europäischen Harmonisierung ins Blickfeld, die ebenfalls bewältigt werden müssen, um eine rechtssichere einheitliche Vorgehensweise durch die EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Das Problem ist dabei weniger in der Gesetzgebungszuständigkeit der EU begründet: Meines Erachtens lässt sich gut vertreten, dass die vorgeschlagenen Mindeststeuervorschriften zur „Errichtung oder dem Funktionieren des Binnenmarktes“ beitragen würden; und auch die allgemeinen Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit wären erfüllt. Für eine umfassende Analyse siehe Becker/Englisch, Implementing an International Effective Minimum Tax in the EU, 2021, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3892160
Hinweis | Die entscheidende rechtliche Hürde liegt vielmehr in der Vereinbarkeit der Mindeststeuer mit der im EU- und EWR-Vertrag verankerten Niederlassungsfreiheit.
In Bezug auf steuerliche Maßnahmen, die EU- und EWR-Unternehmen betreffen, wurde dieses Recht auf Freizügigkeit vom EuGH im Wesentlichen als Diskriminierungsverbot ausgelegt: Ein grenzüberschreitender Niederlassungsvorgang darf keine höhere steuerliche Belastung nach sich ziehen als ein vergleichbarer, aber im Inland gelegener Niederlassungsvorgang. Jeder Verstoß gegen diesen Grundsatz muss durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt werden und zudem verhältnismäßig sein. Dies ist problematisch, da nach dem Konzept der internationalen Einigung die beiden Erhebungsmechanismen für die Mindeststeuer nur grenzüberschreitend Anwendung finden sollen: In erster Linie wäre es der Staat der Konzernobergesellschaft, der die Zusatzsteuer („top-up tax“) auf die Gewinne zu niedrig besteuerter auslandsansässiger Tochtergesellschaften und ausländischer Betriebsstätten im Wege der sog. Income Inclusion Rule (IIR) erheben würde; diese ähnelt hinsichtlich der Besteuerungstechnik den international gängigen Varianten einer Hinzurechnungsbesteuerung. Als ultima ratio würde die Zusatzsteuer – aber erneut nur bzgl. ausländischer Konzerneinheiten – im Quellenland mittels Abzugsverbote für konzerninterne Zahlungen oder ähnlicher Maßnahmen (sog. Undertaxed Payment Rule bzw. UTPR) erhoben.
Beide Regelungen, d.h. IIR und UTPR, führen zu einer höheren nationalen Steuerbelastung auf der Ebene des Konzernunternehmens, das die Zusatzsteuer für ausländische verbundene Unternehmen(steile) entrichten muss, im Vergleich zu der Steuerbelastung bei Inlandsansässigkeit sonstiger und zu niedrig besteuerter Konzerneinheiten. In Bezug auf technisch ähnliche Vorschriften, die in der Vergangenheit von einigen EU-Mitgliedstaaten einseitig eingeführt wurden, hat der Europäische Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass sie eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen. Erwähnenswert sind insbes. die Cadbury-Schweppes-Entscheidung zur Hinzurechnungsbesteuerung (EuGH, 12.09.2006, Rs. C-196/04, Cadbury Schweppes, EU:C:2006:544) und das Eurowings-Urteil zu kompensatorischen Steuerbelastungen im Quellenstaat (EuGH, 26.10.1999, Rs. C-294/97, Eurowings, EU:C:1999:524). Darüber hinaus hat der Gerichtshof solche Vorschriften nur dann als gerechtfertigt und verhältnismäßig angesehen, wenn sie als gezielte Missbrauchsbekämpfungsvorschriften konzipiert sind, die nur auf „künstliche Konstruktionen“ ohne hinreichende wirtschaftlicher Substanz Anwendung finden. Insbesondere ist die Ausgestaltung einer Maßnahme als Anti-BEPS-Instrument an sich keine ausreichende Rechtfertigung für eine Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit; siehe EuGH, 20.01.2021, Rs. C-484/19, Lexel, EU:C:2021:34, Rn. 67.
Die Erhebung der GloBE-Mindeststeuer ist jedoch nicht auf Fälle eines solchen eng definierten Missbrauchs beschränkt und soll es auch nicht sein. Insbesondere die formelhafte Ausnahmeregelung für substanzbezogene Tätigkeiten ist nicht dazu gedacht, sämtliche Gewinne aus jeder mit hinreichender „Substanz“ unterlegen Tätigkeit von der Mindestbesteuerung auszunehmen.
Optionen für eine EU-Mindeststeuerrichtlinie
Vor diesem Hintergrund lautet die entscheidende Fragestellung: Wie sollte eine EU-Mindeststeuerrichtlinie gestaltet sein, um diese Problematik rechtssicher zu vermeiden? Diesbezüglich muss eine politische Entscheidung zwischen mehreren Alternativen getroffen werden, zunächst von der Kommission und dann letztlich im Rat:
(1) Eine erste Option ist rein theoretischer Natur. Sie würde darin bestehen, den Anwendungsbereich der international vereinbarten Ausnahmeregelung für substanzbasierte Gewinne (den „carve-out“) erheblich auszuweiten und sie in eine widerlegbare Vermutungsregelung für „künstliche Gestaltungen“ umzuwandeln, wie sie der EuGH für nationale Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung fordert. Dies würde jedoch die Zielsetzung der internationalen Mindeststeuer unterminieren, die auf eine pauschale Verringerung von BEPS-Anreize für BEPS abzielt und darüber hinaus dem internationalen Steuerwettbewerb zumindest in Bezug auf Wertschöpfungstreiber und insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter eine Untergrenze einziehen soll. Eine solche Vorgehensweise stünde außerdem auch im Widerspruch zur jetzt getroffenen internationalen Vereinbarung.
(2) Eine denkbare, aber wenig rechtssichere Alternative wäre es, die GloBE-Mindeststeuerregelungen einfach so in Richtlinienrecht zu gießen, wie sie international vereinbart wurden. Dazu müsste sich der Richtlinienvorschlag in jeder Hinsicht eng an die detaillierten Modellvorschriften anlehnen, die im November 2021 veröffentlicht werden sollen. Ein solcher Ansatz würde auf die richterliche Zurückhaltung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegenüber Maßnahmen des Unionsgesetzgebers bauen.
In der Vergangenheit hat der Gerichtshof nämlich gelegentlich Rechtfertigungsgründe für grundfreiheitsbeschränkende Unionsgesetzgebung akzeptiert, die er im Falle einseitiger nationaler Maßnahmen verworfen hätte, und darüber hinaus tendiert der EuGH dann auch eher zu einer bloßen Willkürprüfung anstelle einer Verhältnismäßigkeitskontrolle. Ein solcher Ansatz wäre gleichwohl nicht ohne Risiko. Der Gerichtshof hat wiederholt eine diskriminierende „kompensatorische“ Besteuerung (zwecks Ausgleichs einer niedrigeren Besteuerung im Ausland) scharf gerügt, da er der Ansicht ist, dass solche Besteuerungsregeln „den Binnenmarkt in seinen Grundlagen beeinträchtigen“ würden. Seiner bislang vertretenen Ansicht nach sind solche Maßnahmen daher von vornherein keiner Rechtfertigung zugänglich. Es ist nicht ausgemacht, dass der EuGH von dieser Position vollständig abrücken würde, um den Weg für eine harmonisierte Mindeststeuer freizumachen. Eine unmodifizierte Übernahme der diskriminierenden (s.o.) GloBE-Regelungen dürfte daher nur als Rückfalloption in Betracht kommen, wenn sich die Mitgliedstaaten lediglich auf eine solche strikte Umsetzung des internationalen Kompromisses verständigen könnten.
(3) Eine dritte Möglichkeit bestünde darin, das GloBE-Mindeststeuerkonzept in allen EU-Mitgliedstaaten auch auf inländische Konzerneinheiten der erfassten multinationalen Unternehmen auszudehnen. Dieser Ansatz wird offenbar von der Kommission favorisiert und dürfte damit Eingang in den o.g. Richtlinienvorschlag finden; unter anderem hat der Generaldirektor der GD TAXUD sich vor Kurzem dahingehend geäußert. (Siehe Rede des TAXUD-Generaldirektors Gerassimos Thomas auf der jährlichen Steuerkonferenz der finnischen Handelskammer, 22.09.2021).
Infolgedessen würde die Mindeststeuer nicht mehr nur grenzüberschreitend erhoben, und zumindest im Hinblick auf die Income Inclusion Rule als primäre Erhebungsform würden Muttergesellschaften mit ausländischen Tochtergesellschaften infolgedessen formal nicht anders behandelt als solche mit inländischen Töchtern. Allerdings würde die Erhebung der Mindeststeuer in Hochsteuerländern wie Deutschland dann de facto immer noch ganz überwiegend auslandsradizierte Konzerngewinne betreffen.
Aus der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere aus den Entscheidungen zu progressiven umsatzbezogenen Steuern in Ungarn (vgl. EuGH, 3.03.2020, Rs. C-75/18, Vodafone Magyarország, EU:C:2020:139, insbes. Rn. 49, 52 und 54; 3.03.2020, Rs. C-323/18, Tesco-Global Áruházak, EU:C:2020:140, Rn. 72-75) lässt sich jedoch ableiten, dass eine faktisch disparate Auswirkung von formal diskriminierungsfreien Besteuerungsregeln dann nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, wenn sie weder den relevanten Vorschriften immanent noch protektionistisch motiviert ist. Dahingehende Bedenken bestünden bei einem unionsrechtlichen Mindeststeuerregime nicht; insbesondere wäre der effektive Steuersatz der betroffenen multinationalen Unternehmen in einzelnen Mitgliedstaaten ein gleichsam „zufälliger“ Faktor, der eben gerade nicht schon dem Unionsrecht immanent ist.
Die Ausdehnung der GloBE-Mindeststeuererhebung auf inländische Konzerneinheiten ist also im Prinzip eine rechtlich tragfähige Option, die auch ein hinlängliches Maß an Rechtssicherheit bietet. Ein solcher Ansatz könnte noch weiter verbessert werden, wenn die international vereinbarten Erhebungsmechanismen durch ein System der einheitlichen Konzern(mindest)besteuerung („unitary taxation“) für die je länderbezogen ermittelten Konzerngewinne ersetzt würde, wobei betroffen Unternehmensgruppen im jeweiligen Mitgliedstaat dann eine dem Fiskus für die GloBE-Compliance verantwortliche Unternehmenseinheit zu benennen hätten. Dies würde das Konzept einer einheitlichen – inlands- wie auslandsbezogenen – Mindeststeuer noch robuster gegenüber einer Prüfung durch den EuGH machen und könnte darüber hinaus die künftige Integration der Mindeststeuerregelung in eine etwaige BEFIT-Gesetzgebung der Union erleichtern.
Der von der Kommission favorisierte Ansatz impliziert allerdings auch die Umwandlung des internationalen GloBE-Konzepts in eine rein inländische Mindeststeuer innerhalb der EU. Denn wenn alle EU-Mitgliedstaaten qua Richtlinie diesen Ansatz übernehmen müssen, stellt schon der jeweilige „Heimatstaat“ jeder Konzerneinheit ein Mindeststeuerniveau sicher, und es wird deshalb keine zu niedrig besteuerten EU-ausländischen Gewinne mehr geben.
Dies hat nicht unerhebliche steuerpolitische Auswirkungen: So fließt einerseits das Steueraufkommen den (an sich) niedrig besteuernden Mitgliedstaaten, in denen die jeweilige Konzerneinheit niedergelassen ist, und nicht mehr denjenigen Mitgliedstaaten, in denen der Konzern seinen Hauptsitz hat. Das kann man begrüßen, wenn man der Auffassung ist, dass auch die internationale Verteilung des Mindeststeueraufkommens möglichst am Ort der Wertschöpfung ausgerichtet sein sollte. Andererseits macht es eine solche Richtlinienvorgabe den Mitgliedstaaten einfach, ein asymmetrisches nationales System der Unternehmensbesteuerung zu schaffen, mit einer nationalen Mindeststeuer von 15 % nur für die Unternehmensteile großer multinationaler Konzerne. Andere Konzerne und Unternehmen, die nicht in den Geltungsbereich von GloBE fallen, würden dann automatisch weiterhin von niedrigeren nationalen Steuersätzen profitieren. Dies hat beispielsweise der irische Finanzminister bereits so in Aussicht gestellt.
Das Ziel von GloBE, den internationalen Steuerwettbewerb generell einzudämmen, indem Niedrigsteuerländer einen Anreiz erhalten, ihre Körperschaftssteuer insgesamt auf den effektiven Mindestsatz anzuheben, würde durch einen solchen Ansatz also abgeschwächt.
(4) Mein Kollege Johannes Becker und ich haben daher noch eine vierte Gestaltungsalternative entwickelt, die ebenfalls im Einklang mit dem Unionsrecht steht, die solche Auswirkungen vermeiden würde und dennoch Flexibilität bei der Aufteilung der Einnahmen bieten würde. Sie folgt dem sog. „Avoider Pays“-Prinzip, das die Erhebungsmechanismen von IIR und UTPR ersetzen würde. (Für eine detaillierte Beschreibung und Analyse siehe Becker/Englisch, Implementing an International Effective Minimum Tax in the EU, 2021.)
Diesem Grundsatz zufolge müsste innerhalb der EU die ausländische, zu niedrig besteuerte Konzerneinheit selbst eine zusätzliche Steuer im Mitgliedstaat der Konzernobergesellschaft (oder ausnahmsweise im Quellenstaat) entrichten. Die Muttergesellschaften würden anders als bei einer Quasi-Hinzurechnungsbesteuerung nach Art. der IIR keine zusätzlichen Steuerlasten treffen. Die ausländische Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte wiederum würde normalerweise ebenfalls keiner höheren inländischen Steuerbelastung unterliegen als gebietsansässige Konzerneinheiten. Die in den EU-Grundfreiheiten verankerten Nichtdiskriminierungsstandards könnten somit eingehalten werden. Darüber hinaus könnte die Steuererhebung durch ein System der einzigen Anlaufstelle (One-Stop-Shop-Mechanismus) im Staat der Niedrigbesteuerung erleichtert werden, in Anlehnung an das im harmonisierten Mehrwertsteuerrecht bereits umgesetzte Konzept. Dieser Ansatz würde auch einen alternativen Verteilungsschlüssel für das Steueraufkommen oder die Zuweisung als EU-Eigenmittel ermöglichen.
Zum Schluss | Unabhängig davon, für welchen der oben genannten alternativen Wege sich der Unionsgesetzgeber letztendlich entscheiden wird, ist unbedingt anzuraten, eine EU-Mindeststeuerrichtlinie flexibel zu halten, um ihre Anpassung an künftige Entwicklungen zu ermöglichen. Andernfalls könnte aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips jeder einzelne EU-Mitgliedstaat spätere Gesetzesänderungen mit Wirkung auch für die innerstaatliche Gesetzgebung aller anderen Mitgliedstaaten mit einem Veto blockieren.
Die EU-Gesetzgebung sollte es den Mitgliedstaaten insbesondere ermöglichen, nach einer bestimmten Mindestdauer unter bestimmten Bedingungen aus der einheitlichen Anwendung der harmonisierten Mindeststeuer auszusteigen („opt-out“). Beispielsweise könnten die Mitgliedstaaten zu nationalen Abweichungen vom richtlinienrechtlich festgelegten Mindeststeuersatz ermächtigt werden, sei es in Abhängigkeit von der Entwicklung in bestimmten Referenzländern wie den USA, sei es aufgrund einer Revision der internationalen Vereinbarung, die von einer bestimmten Mindestzahl von Ländern gebilligt wird. Auch die gänzliche Abkehr von der Mindeststeuer sollte ermöglicht werden, wenn nach Ablauf einer festgelegten Frist die GloBE-Mindeststeuer gemessen am globalen BIP keine hinreichende Verbreitung außerhalb der EU gefunden hat.
Sollten sich die Mitgliedstaaten im Rat nicht auf derartige Flexibilitätsmechanismen einigen können, so steht zu erwarten, dass sich die steuerpolitische Gestaltungsmacht weiter von Brüssel weg und hin zur OECD bzw. in andere internationale Foren verlagert. In jedem Fall sollten der Kommission weitreichende Durchführungsbefugnisse mit Komitologieverfahren eingeräumt werden, um technische Anpassungen und Konkretisierungen der Richtlinienregelungen zu erleichtern, insbesondere im Hinblick auf künftige Überarbeitungen der internationalen GloBE-Musterregeln und Musterkommentierung.